Fußball:Schüsse im WM-Land

Der Mord an einem aufrechten Lokalpolitiker in Südafrika schürt Sicherheits-Ängste. Er hatte die Korruption beim Stadionbau angeprangert. Der Weltverband spricht von einem "schweren Rückschlag".

Thomas Kistner

Die Männer trugen Wollmützen, berichteten Augenzeugen später der Polizei, sie lauerten Jimmy Mohlala in einem nicht gekennzeichneten Fahrzeug auf. Als der einflussreiche Lokalpolitiker Sonntagabend mit seinem 19-Jährigen Sohn sein Haus im südafrikanischen Nelspruit verließ, einem künftigen WM-Spielort, eröffneten die beiden Killer das Feuer.

Fußball: Baustelle des Stadions in Kapstadt: Der Kubikmeter Beton ist 200 Prozent teurer als auf einer Baustelle wenige hundert Meter weiter

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(Foto: Foto: dpa)

Jimmy Mohlala starb in seiner Garage, in die er geflohen war, der Sohn überlebte den Anschlag mit einer Kugel im Bein. Superintendent Abie Khoa sagte, was es in so einem eher alltäglichen Fall im WM-Land Südafrika - die offizielle Statistik vermeldet 50 Morde pro Tag - gewöhnlich zu hören gibt von einem Polizeisprecher: Die Details zum Attentat seien dürftig, auch ein Motiv sei vorläufig nicht erkennbar.

Südafrikas Medien sehen das auf breiter Front anders. Sie brachten den Mord an Mohlala, der in ersten Pressemeldungen fälschlich als Mitglied des WM-Organisationskomitees 2010 bezeichnet worden war (am selben Wochenende verstarb in Nelspruit auch OK-Mitglied Reuben Mahlalela) gleich mit einer aufsehenerregenden Affäre in Verbindung, die der 44-Jährige Chef des Gemeindebereichs Mbombela vor einem Jahr ausgelöst hatte.

Geharnischte Rauswurf-Forderungen

Damals hatte Mohlala den mit WM-Vorbereitungen befassten Kommunaldirektor Jacob Dladla angezeigt: Es ging um Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibung und Bau des Mbombela-Stadions, einer der zehn WM-Spielstätten.

Die Ermittlungen der Stadt laufen noch, Dladla ist seither suspendiert. Mohlala aber erhielt nach den Enthüllungen wiederholt Todesdrohungen. Und Mitglieder der Regierungspartei ANC (African National Congress) forderten so geharnischt den Rauswurf des Verräters, dass ihn der ANC von seinem Chefposten in der WM-Kommune abberufen wollte.

Mohlala widersetzte sich, weshalb zum Zeitpunkt seiner Ermordung ein Disziplinarverfahren der Partei gegen ihn lief. Am Montag nun drückte der ANC Mohlalas Hinterbliebenen sein "tiefstempfundenes Beileid" aus. ANC-Provinzsekretär Lucky Ndinisa bezeichnete das Opfer gegenüber südafrikanischen Medien als einen "talentierten, geschickten Politiker, der sich die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung" zur Aufgabe gemacht hätte.

Chronisch schleppende Vorbereitungen

Der Generalsekretär der Oppositionspartei UDM, Humphrey Nobongoza, sah die Sache nüchterner: Falls der Mord an Mohlala mit den Betrugsvorwürfen um den WM-Stadionbau zusammenhinge, werde das künftige Korruptions-Kronzeugen entmutigen.

Just in Zusammenhang mit den chronisch schleppend verlaufenden WM-Vorbereitungen gäbe es wohl noch manches zu klären. Jünst beklagte ein am Stadionbau in Kapstadt beteiligter Architekt, dass die Zulieferfirmen ihre Auftraggeber immer heftiger ausnähmen.

Der Kubikmeter Beton sei für das Green-Point-Stadion um 200 Prozent teurer als auf einer Baustelle wenige hundert Meter weiter. Es hätten sich Kartelle gebildet, die beliebig abzockten. Und der Stadionbau in Durban gerät zeitlich bereits ziemlich in Verzug.

Kostenüberhang von 250 Millionen Euro

Den Eindruck, dass die heiße WM-Vorbereitungsphase eine gewisse Selbstbedienungsmentalität fördert, stützen auch jüngste Zahlen, die Sportminister Makhenkesi Stofile auf eine Anfrage besorgter Parlamentarier hin vorlegte: Bisher ließe sich ein Kostenüberhang von 3,2 Milliarden Rand (250 Millionen Euro) bei den Stadien festhalten, verursacht durch Fehlplanung, Missmanagement sowie die sich ständig ändernden Anforderungen der Fifa.

Auch der Weltfußballverband gerät unter Druck. Der Mord am Korruptionsbekämpfer wird ungeachtet der Motivlage als "schwerer Rückschlag" für die Vorbereitungen in Nelspruit eingeschätzt, teilte der Chef des WM-OK, Danny Jordaan, laut Medienberichten mit. Die Sicherheitsdebatte spitzt sich damit weiter zu. Dabei hatte Fifa-Chef Sepp Blatter jüngst bekräftigt, dass es kein Zurück aus Südafrika gebe, für einen Standortwechsel der WM 2010 sei es zu spät.

So pendelt die Fifa zwischen Tadel und Zweckoptimismus. Im Dezember hatte Generalsekretär Jerome Valcke erklärt, Südafrika gebe keinerlei Anlass zur Beunruhigung, "wir sind überglücklich mit den Fortschritten." Tage später forderte die Fifa die Regierung zu "dringenden Schritten" in der heiklen Transportfrage auf - gewalttätige Proteste der Taxifahrerbranche in Kapstadt hatten den öffentlichen Verkehr lahmgelegt. "Wir sind sehr besorgt", sagte eine Fifa-Sprecherin. Und Valcke verwies auf die gut 3000 Fahrzeuge, die der Weltverband nun selbst nach Südafrika expedieren wolle, um seine Entourage sicher durchs Land zu bringen.

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