Fußball: Schiedsrichter-Affäre:DFB setzt Kempter ab

DFB-Chef Theo Zwanziger klebt an seinem Amt, doch die Schiedsrichter-Affäre setzt ihm weiter zu: Nun soll ein Ausschuss die Nötigungsvorwürfe neu untersuchen. Michael Kempter darf vorerst nicht mehr pfeifen.

Thomas Kistner

Erwartungsgemäß hat DFB- Chef Theo Zwanziger bei der Sitzung am Freitag das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes unterrichtet, dass er beim Bundestag im Oktober in Essen für eine weitere Amtszeit kandidieren will. In einer Verbandsmitteilung hebt er auf "Rückhalt aus den unterschiedlichsten Bereichen des Fußballs, der Politik und Gesellschaft sowie die anstehenden Herausforderungen" im DFB ab, die ihn überzeugt hätten.

"Ich freue mich auf die künftigen Aufgaben", so Zwanziger. Wie viel Anlass zur Freude ihm diese Aufgaben wirklich liefern werden, wird nun eine neuerliche verbandsinterne Untersuchung der Schiedsrichter-Affäre um Michael Kempter und den von ihm der sexuellen Nötigung bezichtigten Ex-Funktionär Manfred Amerell ergeben müssen.

Am Freitag wurde DFB-Vizepräsident Hans-Dieter Drewitz mit dieser Aufgabe betraut, zugleich nahm der DFB Michael Kempter aus dem Spielbetrieb. Weil Kempter "in einer juristischen Auseinandersetzung" mit Amerell stünde, werde er "bis zur Klärung des Sachverhaltes nicht mehr angesetzt", hieß es. Damit werde gesichert, dass der Fall mit der nötigen Ruhe möglichst schnell aufgearbeitet werden kann", teilte der DFB mit.

Eine durchaus spektakuläre Wende: Eine sorgfältige Sachprüfung in der Causa wäre offenkundig schon vor sechs Monaten angebracht gewesen; damals hatte der DFB den von Kempter und drei weiteren Referees schwer belasteten Amerell trotz dessen Drängen nicht angehört.

Die Kehrtwende bringt auch einen neuen Zungenschlag in die Affäre. Bis zur nächsten Sitzung am 20. August könnte einiges passieren, auch wenn das Präsidium am Freitag beschloss, die von Amerell geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht anzuerkennen. Die Frist dafür läuft am 2. August ab, danach, hatte Amerells Anwalt Jürgen Langer angekündigt, werde Klage gegen den DFB erhoben.

Am Freitag befand das Präsidium die Ansprüche für "in keiner Weise nachvollziehbar". Zugleich lässt es aber die neuen Vorwürfe durch den Kontroll-Ausschuss und die Schiedsrichter-Kommission prüfen. Anwalt Langer bewertete diese Maßnahmen als substantiellen Fortschritt für seinen Mandanten. Er sagte am Freitag: "Der mit der Untersuchung beauftragte Dr. Drewitz ist der geeignete und kompetente Mann. Ich werde ihm vor unserer Klageerhebung eine inhaltlich nachvollziehbare Darstellung der formulierten Ansprüche zuleiten."

TV-Interview als Beweismittel

Kempters Ansetzung für das Drittliga-Spiel Sandhausen gegen Offenbach am Samstag hatte schon vor der Präsidiumssitzung Aufruhr evoziert. DFB-Vize Rolf Hocke geißelte eine handstreichartige Rückführung Kempters in den Profibetrieb: Er sei "überrascht", so Hocke, "dass Kempter schon für diesen Samstag nominiert ist". Hocke verwies dabei auf einen Beschluss des DFB-Präsidiums bei einer Sitzung während der Südafrika-WM: "In Pretoria haben wir die Schiedsrichter-Listen für erste, zweite und dritte Liga abgesegnet - mit ausdrücklicher Ausnahme der Person Kempter. Weil wir gesagt haben, wir wollen uns erst ein umfassendes Bild zur Sache von Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel geben lassen."

Das Geschacher um Kempter, den DFB-Boss Zwanziger im Frühjahr als gesellschaftliches Vorbild herausgestellt hatte, war offenbar schon in Pretoria heftig. Damals, erfuhr die SZ aus DFB-Kreisen, soll Kempter in einer Beschlussvorlage sogar als Erstliga-Referee vorgesehen gewesen sein. Fandels Schiedsrichter-Kommission hatte ihn vor Wochen wegen persönlicher Unreife in Liga drei zurückgestuft. Kempter entschuldigte sich via Medien für von ihm verursachte "Irritationen" in der Öffentlichkeit.

Klage wegen Verleumdung und übler Nachrede

Auch diese Vorgänge dürften demnächst auf gerichtlichem Weg ergründet werden. Amerell hatte bereits vor Wochenfrist Schadensersatzklage beim Landgericht Hechingen gegen Kempter eingereicht, auf mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld wegen übler Nachrede und Verleumdung. Die erste Reaktion der Behörde liegt Anwalt Langer vor. Der zuständige Einzelrichter beabsichtige, den Fall der Kammer vorzulegen, was laut Langer "zeigt, welche Bedeutung das Gericht der Sache beimisst".

Zugleich sei Kempter aufgefordert, detailliert die drei Fälle, in denen er angeblich gegen seinen Willen angegangen worden sei, darzulegen. "Das Gericht will Zeit, Ort und Begleitumstände dieser drei angeblichen Vorfälle wissen", so Langer, der Kempter nun auch an dieser Front in einer Zwangslage sieht: "Wir haben ja bereits große Widersprüche in seinen Aussagen vorgefunden." Die hatte Kempter bei der DFB-Anhörung, beim Staatsanwalt in Augsburg und öffentlich in Interviews gemacht. Nun habe das Gericht auch ein TV-Interview mit Aussagen Kempters als Beweismittel zugelassen.

Am Freitag weilte Amerell in Karlsruhe, wo er in den achtziger Jahren Manager des Profiklubs Karlsruher SC war; dort wirkte er an einem Benefiz-Spiel für den Ex-Profispieler Raimund Krauth mit. Als Schiedsrichter.

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