Fußball-Regionalliga:Voller Widersprüche

SSV Jahn Regensburg - SpVgg Unterhaching  --- Fussball --- 22.11.2015

Für den Trainer gespielt: Die Regensburger Mannschaft würde allzu gerne mit Christian Brand weiterarbeiten und zeigt dies mit Motto-T-Shirts.

(Foto: Eibner/imago)

Nach dem 2:1 über Haching feiert Jahn Regensburg Trainer Brand - der im Winter gehen muss.

Von Max Ferstl

Am Ende der Pressekonferenz lächelte Christian Brand noch einmal. Der Pressesprecher des SSV Jahn Regensburg verkündete gerade, dass der Klub aus der Oberpfalz mit 40 Punkten die Tabelle in der Fußball-Regionalliga Bayern anführe, zwei Punkte vor Burghausen. Man konnte in Brands Lächeln viel hineindeuten: Ironie, Ärger, Erleichterung. Brands Mimik war schwer einzuordnen, wie so vieles bei Jahn Regensburg in diesen Tagen.

Trainer Christian Brand war am Mittwoch zuvor entlassen worden. Seine Mannschaft hatte drei Mal in Serie verloren und nicht so viele Punkte geholt, wie sie dem eigenen Anspruch nach hätte holen müssen. Und wenn es nicht läuft, muss oft der Trainer gehen, in der Regel sofort. Doch Geschäftsführer Christian Keller konstruierte stattdessen eine ungewöhnliche Variante: Brand wurde zwar gefeuert, verlässt den Verein aber erst in der Winterpause. Der 43-Jährige leitete also in den vergangenen Tagen die Übungseinheiten. Er stand am Sonntagabend beim 2:1 im Spitzenspiel gegen die SpVgg Unterhaching an der Seitenlinie und erschien wie gewohnt zur Pressekonferenz. Brand agiert im Schwebezustand: Er ist noch da, aber irgendwie auch schon weg.

Beim Sieg gegen Haching zeigte Regensburg keinen Glanz, dafür viele Grätschen. Als Brand danach vor die Medien trat, klatschten zwei Journalisten vorsichtig. Von Keller hatte man in den vergangenen Tagen öfter gehört: "Bei allen, die ihn besser kennen, ist er sehr beliebt." Wäre es nur nach Keller gegangen, säße Brand auch im neuen Jahr auf der Jahn-Bank. Aber so einfach ist es nicht. Keller erklärte nämlich genauso oft: "Im näheren Vereinsumfeld gibt es gewisse Antipathien gegen den Christian. In den Gremien war der Glaube nicht mehr da." Der Glaube, dass Brand den Aufstieg schafft. Die Personalie ist zur Bruchlinie quer durch den Verein geworden.

Die Spieler haben sich um ihren Trainer geschart, sie waren schockiert, als Keller am Mittwochvormittag in die Kabine kam und verkündete, dass Brand entlassen wird. Kapitän Markus Palionis berichtete von Tränen, versprach aber, die Mannschaft werde in den verbleibenden Partien "für den Trainer spielen". Der Jahn taumelte dem Spiel gegen die aufstrebenden Hachinger entgegen - und gewann es. Als nach 93 Minuten der Schlusspfiff ertönte, nahmen die Spieler ihren Trainer in die Mitte. "PRO BRAND" steht auf den T-Shirts, die sie schwarz auf weiß haben drucken lassen und nun alle tragen, während sie ihn umringen. Die Mannschaft geht weiter in die Kurve, zu den Fans. Auf der Anzeigentafel wird die Tabelle eingeblendet, Regensburg ist Erster. Die Fans klatschen zwar, schreien aber auch: "Brand muss weg!" Es ist der Moment, in dem sich alle Widersprüche verdichten. Plötzlich scheint vieles möglich, im Fußball sowieso. Pro Brand? Klingt das nicht nach einer Abstimmung, für die man Stimmen sammelt? Ein Reporter fragt: "Gibt es eine Ausstiegsklausel vom Ausstieg?"

Wie entwickeln sich die Dinge, wenn Brand auch in Schweinfurt gewinnt? "Nein, das Thema ist erledigt", antwortet Brand nüchtern. Der frühere Bundesligaprofi ist ein direkter Typ, kein Romantiker. Trotzdem berührt Brand die Botschaft der Spieler auf den T-Shirts: "So etwas habe ich im Profifußball noch nie erlebt." Wenn Brand über den Jahn redet, sagt er immer noch: "meine Mannschaft".

In den vergangenen Wochen haben sich aber auch die Brand-Gegner formiert: "die Jahn-Gremien" (Zitat: Keller) und ein Großteil der Fans. Letztere forderten zuletzt laut Brands Entlassung. Dabei hatte diese Saison vielversprechend begonnen. Der Jahn gewann neun von zehn Spielen, dann kam der Knick, der Vorsprung schmolz. Brand führte mildernde Umstände an. Der Kader sei zwar hochkarätig, aber klein. Viele Stammkräfte fielen aus, gegen Unterhaching waren es immerhin sieben. Trotzdem ist der Jahn nach wie vor Tabellenführer. Aber die Angst hat sich im Verein eingenistet. "Natürlich wird man nervös", sagte zum Beispiel der Aufsichtsrat Norbert Hartl: "Was passiert, wenn der Verein nicht Meister wird? Wenn wir's heuer nicht packen, dann rüstet der FC Bayern II im nächsten Jahr noch mehr auf."

In der Winterpause will der SSV Jahn einen neuen Trainer präsentieren. Auch zwei oder drei neue Spieler sollen kommen. Am Freitagabend (19 Uhr) in Schweinfurt aber wird ein letztes Mal Christian Brand auf der Bank sitzen. Der Trainer, der irgendwie schon weg ist.

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