Fußball-Regionalliga:Eingeschworen

Mit einem 3:0 in Pipinsried sichert sich 1860 die Meisterschaft. Sogar Trainer Bierofka feiert ausgelassen - um dann schon an die Relegation zu denken.

Von Christoph Leischwitz

Lange nach dem Spiel, vor dem urigen Vereinsheim des FC Pipinsried, erblickte Sascha Mölders dann auch noch Daniel Bierofka, der nach dem Schlusspfiff im Sprint das Spielfeld verlassen hatte. Der Stürmer des TSV 1860 München machte große Augen, nahm eine geduckte Haltung an und zeigte mit dem Finger auf das Gesicht des Trainers: "Schaut mal", sagte er, und alle schauten, "er kann lachen. Da!" Der Trainer der Löwen ist in der Tat nicht für ausgiebige Lachsalven bekannt. Am vergangenen Samstag aber ließ er sich für seine Verhältnisse mal so richtig gehen. "Straftraining für Mölders" forderte Bierofka, nachdem dieser ihm Bier über den Kopf geschüttet hatte. Später wurde der 39-Jährige auch noch dabei ertappt, wie er höchstpersönlich einen Kasten Bier zum Mannschaftsbus trug.

Dabei war seine Mannschaft nach dem 3:0-Erfolg beim FC Pipinsried nur Regionalliga-Meister geworden, mehr nicht. Um aufzusteigen, wartet noch viel Arbeit, die Sechziger müssen dafür sogar zum ersten Mal seit einem Jahr ihr heimisches Bundesland verlassen, am 24. Mai steht das Hinspiel der Aufstiegsserie gegen Saarbrücken an (und am 27. Mai das Rückspiel).

Mölders sorgt kurz vor Schluss dafür, dass die ersten Fans auf die Zäune steigen

Trotzdem war schon jetzt eine enorme Last abgefallen. "Erleichterung - das trifft es eigentlich ganz gut", sagte Bierofka auf die Frage, ob er nun erleichtert sei. Endlich war auch mal das Ergebnis des Verfolgers FC Bayern München II unwichtig gewesen - dass die Mannschaft von Tim Walter zeitgleich überraschend in Illertissen 1:2 verlor, war dann nicht mehr er Rede wert. Bierofka wurde viel grundsätzlicher. Nach dem Abstieg von Liga zwei in Liga vier habe man "überhaupt nicht gewusst, wie es weitergeht", außerdem sei im Laufe der Saison viel Kritik auf seine Mannschaft eingeprasselt. Angesichts seiner Erleichterung darf man annehmen, dass er auch ein wenig sich selbst meinte, wenn er von der Mannschaft sprach. Bierofka hatte schon mehrmals in der zweiten Liga ausgeholfen, als Feuerwehrmann hatte er sich bereits bewährt. Nun aber hatte er gezeigt, dass er eine Mannschaft über ein Jahr hinweg zu einem Titel führen kann.

Womöglich wäre die Party auch gar nicht so ausgelassen gewesen, hätte sie nicht ausgerechnet in Pipinsried stattgefunden. Die 5000 Löwen-Fans auf der temporären Naturtribüne, die Bierofka während des Spiels im Rücken hatte, wirkten am Ende wie ein Stimmungs-Katalysator. Um 14.30 Uhr kam der erste Fanbus oben am Hügel Richtung Tandern an, jeder spuckte eine weiß-blaue Fanschar aus, die Naturtribüne füllte sich. Alleine dort standen dann knapp zehn Mal mehr Menschen, als das Dorf Einwohner hat. Die Sechziger benötigten noch einen Punkt für die fast schon sichere Meisterschaft. Zur Pause war trotz wenig Spielwitz dank den Toren von Daniel Wein (23.) und Nico Karger (45.+1) eigentlich schon alles klar. Das 3:0 durch Sascha Mölders kurz vor dem Schlusspfiff sorgte dann dafür, dass die ersten Fans auf die Zäune stiegen.

Am Dienstag beginnt das Training wieder - "mit einem kleinen Waldläufchen"

Direkt hinter der Sechzig-Bank, stieg blauer Rauch auf: Habemus Meister. Die Polizei versuchte nur halbherzig, den anschließenden Platzsturm zu verhindern. Dann standen und tanzten die Fans auf dem Rasen, sangen "eins acht sechs null, oleeee-oooh", in einem kleinen Örtchen mit der Postleitzahl 85250. Die Landpartie hatte sich gelohnt. Der sportliche Aufwand hatte sich gelohnt. Als schon alle dachten, die Löwen fahren nach Hause, lief die Mannschaft plötzlich noch einmal aus der Kabine. Sie feierte mit spritzendem Alkohol und einem Ghettoblaster auf der Bahn der Pipinsrieder Eisstockschützen, obwohl dort ein Zettel hing, dass man die Bahn nicht betreten solle.

"Ein paar Tage feiern und ausruhen", sagte Bierofka dann noch, am Dienstag starte das Team dann wieder "mit einem kleinen Waldläufchen" ins Training. Aber schon am Samstag drehten sich die Gespräche um den Gegner aus dem Saarland, von dem ein Beobachter nach Pipinsried gekommen war. Der lange verletzte Timo Gebhart kam erneut zu einem Kurzeinsatz, viel Spielpraxis kann der 29-jährige Führungsspieler bis zum Duell gegen Saarbrücken aber nicht mehr sammeln. "In der Relegation kann in zwei Spielen alles passieren", sagte Mölders. "Wenn du das hier siehst, was sie dir sagen, da gehst du noch mal gut in die letzten zwei Spiele rein", meinte Nico Karger. Sollte heißen: Die enge Bindung zu den Fans in dieser Spielzeit steigert die Motivation. Passend dazu sei die Mannschaft ein "eingeschworener Haufen". Bierofka erklärte: "Wir sind grundsätzlich erst mal Außenseiter", man müsse sich nur den Etat des Gegners anschauen. "Wir müssen schauen, dass wir in den zwei Spielen Saarbrücken auf unser Niveau runterziehen" - um durch den Teamgeist zu gewinnen. Dieses Thema ging Bierofka also schon wieder mit dem nötigen Ernst an.

1860-Investor Ismaik trifft Bierofka

Nach der Meisterschaft des TSV 1860 gratulierte auch Investor Hasan Ismaik. Er weilte am Tag des Erfolgs zwar nicht in Pipinsried, aber in München. Auf Facebook stellte er ein Foto ein, das ihn auf der Terrasse des Charles Hotels im Meister-T-Shirt mit seinen Statthaltern Peter Cassalette und Saki Stimoniaris zeigt. Er wolle sich ganz besonders bei Trainer Daniel Bierofka bedanken, schrieb Ismaik: "Er ist das Gesicht dieser Mannschaft. Der Aufstieg in die dritte Liga wäre das Sahnehäubchen seiner selbstlosen Arbeit für die Löwen."

Und er dankte auch persönlich. Am Sonntag traf Ismaik Bierofka und Sportleiter Günther Gorenzel, der der tz erklärte: "Ismaik wollte nur zur Meisterschaft gratulieren. Um die Zukunft ging es nicht." Vertreter des e.V. waren nicht geladen und nicht informiert: "Von dem Treffen weiß ich nichts", sagte Präsident Robert Reisinger. Ismaik hatte mitgeteilt, er sei mit Stimoniaris und Cassalette "längst in den Gesprächen". In der vergangenen Aufsichtsratssitzung hatten seine Vertreter angekündigt, etwa zur Etatplanung erst Rücksprache halten zu müssen.

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