Fußball-Profi Andreas Beck:In Istanbul ein Posterboy

Turkey superlig match between Besiktas and Trabzonspor at Atatuk Olympic Stadium in Istanbul on Augu

In der Türkei verehrt: Besiktas-Profi Andreas Beck

(Foto: imago/Seskim Photo)

Andreas Beck findet bei Beşiktaş Istanbul zu seinem alten Offensivstil zurück und hofft auf eine Rückkehr in die Fußball-Nationalelf. Auch dank Mario Gomez.

Von Matthias Schmid

Das Erste, was Andreas Beck nach seiner Ankunft in der Türkei in die Hand gedrückt bekam, war ein Navigationsgerät für sein Auto. Es war keines, wie er es aus Deutschland kannte - sondern ein Echtzeitgerät mit verlässlichem Staumelder. "Ohne das wäre ich in der riesigen Stadt verloren gewesen", sagt der 28-Jährige. Leider offenbarte das Teil einen erheblichen Makel: Das Navi sprach weder Deutsch noch Englisch, es babbelte nur Türkisch. So waren nicht "günaydın" (Guten Morgen) und "eyvallah" (Danke) Becks erste türkische Wörter, sondern: "Lütfen sağa dön" (Bitte fahren Sie jetzt nach rechts).

Andreas Beck meisterte nicht nur diese Herausforderung - er fand sich im chaotischen Istanbuler Straßenverkehr genauso zu Recht, wie bei seinem neuen Verein. Sein Territorium beim 13-maligen Meister Beşiktaş ist auf der rechten Abwehrseite. Dort hat er bisher in allen 13 Spielen dieser Saison durchgespielt und so entscheidend dabei mitgewirkt, dass seine neue Mannschaft die Tabelle vor Galatasaray und Fenerbahçe anführt.

Beck hat nach wankelmütigen Auftritten bei 1899 Hoffenheim wieder zu sich gefunden, seine alte Spielweise ist zurück. Er hat in der mit alternden Bekanntheiten (Lukas Podolski, Robin van Persie, Samuel Eto'o) aufgehübschten Süper Lig wieder den alten Andi Beck in sich gefunden: Ein flinker Feinfüßler, der die Außenverteidigerrolle gerne offensiv angeht. Beim Blick auf die Tabelle der Bundesliga, wo sein früherer Klub auf dem vorletzten Tabellenplatz liegt, fühlt er sich "darin bestätigt, das Richtige getan zu haben", sagt Beck vor dem Europa-League-Spiel an diesem Donnerstag gegen Lokomotive Moskau.

Nach sieben Jahren im Kraichgau und 243 Erstligaspielen hatte er schon länger gespürt, dass es Zeit war, etwas Neues auszuprobieren. Er wollte aus dem monotonen Alltag in Deutschland ausbrechen, Beck war es langweilig geworden irgendwie - er sehnte sich nach neuen Reizen, die Lust aufs Abenteuer trieb ihn in die Ferne. Das Drei-Jahres-Angebot von Beşiktaş im Sommer kam gerade recht, "weil ich bei einem Spitzenklub um die Meisterschaft spielen kann", wie er es ausdrückt.

Keine Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Wechsels

Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Wechsels in eine Liga, die für einen Profi im besten Alter eher einem Ausflug ins Frührentnerparadies gleichkommt, hatte er keine. Im Gegenteil. "Das ist kein Rückschritt für mich. Ich kann mich hier fußballerisch weiterentwickeln, weil ich hier international spielen kann", glaubt er.

In der Tat hebt sich der Fußball bei einem der beliebtesten Klubs des Landes stark ab von der auf Konter und Pressing basierenden Spielweise Hoffenheims. Beşiktaş-Trainer Senol Günes (ein alter Held in seiner Heimat) will das Spiel mit Profis wie Ricardo Quaresma oder dem türkischen Nationalspieler Oğuzhan Özyakup dominieren. Ähnlich wie der FC Bayern unter Pep Guardiola soll auch Beşiktaş permanent den Ball haben und mit schnellen, überraschenden Ballstafetten den Gegner in die Resignation treiben. Beck kommt dieser Spielstil entgegen - vieles ist wie damals, als er unter Armin Veh 2006 seine ersten Spiele für Stuttgart in der Bundesliga machte.

"Ich verteidige bei Beşiktaş viel höher und habe so viel mehr Raum für offensive Aktionen", sagt Beck. Er ist wie zu seinen wilden und furchtlosen Raserzeiten beim VfB wieder häufig in Strafraumnähe zu finden, eine seiner Flanken verwandelte Mario Gomez kürzlich beim 5:1 in Antalyaspor zum zwischenzeitlichen 3:1.

Dass die Karrieren der beiden Schwaben am Bosporus wieder zusammenfinden, ist für Beck eine günstige Fügung. Erstens kann er häufiger mit seinem alten Kumpel essen gehen. Zweitens spielt Gomez derzeit wieder so gut, dass Bundestrainer Joachim Löw schon in Istanbul vorbeischaute. "Mario macht das hervorragend", sagt Beck. Und Löw kann dann auch ihn nicht mehr übersehen. "Ich habe das Thema Nationalmannschaft noch nicht abgeschlossen", bekennt Beck. Das letzte seiner neun Länderspiele liegt fünf Jahre zurück. Seitdem ist es Löw aber nicht gelungen, sich zwei überragende Außenverteidiger zu schnitzen.

Beck gefällt die Verehrung

Beck, einst im russischen Kemerovo geboren und auf der Ostalb in Wasseralfingen aufgewachsen, will alles auf sich zukommen lassen. Er genießt sein neues Leben in der Türkei, seine Popularität. Mit seiner Freundin und seinem Hund lebt er im europäischen Teil Istanbuls. Ihn fasziniert die Stadt, die nie zur Ruhe findet, "ich kann da so viel Energie herausziehen". Er staunt täglich darüber, wie viele Menschen ihn erkennen, an ihm zerren, wenn er die Wohnung verlässt, "sogar an der Grenze zu Syrien", wie er sagt. Die fast schon religiöse Verehrung kennt er aus Deutschland nicht. "Von der Hausfrau über den Geschäftsmann bis hin zu den Kindern, alle wollen ein Autogramm oder sich mit dir ablichten lassen", sagt er.

Wenn Beck es zu viel wird, macht er es wie große Hollywood-Schauspieler, er zieht er sich eine Mütze über seinen Kopf, um seine blonden Signalhaare zu verbergen. "Eine Sonnenbrille reicht nicht aus", hat er erkannt. Selbst im Zentrum der Stadt hängt ein Bild von ihm, an dem er häufiger vorbeifährt. Beck ist der neue Posterboy des Klubs, gemeinsam mit Mario Gomez. Sie sind neben Trainer Günes überlebensgroß auf Bannern abgebildet, die an der neuen noch im Bau befindliche Arena hängen, die drei sollen den Klub die erste Meisterschaft seit 2009 bescheren. Dann wäre Andreas Beck am Ziel angekommen oder wie es sein Navi sagen würde: Hedefinize ulaştınız.

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