Fußball-Nationalmannschaft:Wie Jogi und Jürgen

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17 & 4 machten Werbung für sich: Serge Gnabry und Matthias Ginter erzielten die deutschen Tore. (Foto: Reuters)

Der Elf von Horst Hrubesch gelingt der Auftakt bei den Olympischen Spielen gegen Mexiko. Im winterlichen Regen von Salvador überzeugen zwei von Bundestrainer Löw vernachlässigte Spieler.

Von Johannes Kirchmeier, Salvador/München

Wie durchs Abflussrohr einer Regenrinne drückte es das Wasser über seine Wangen. Tropfnass trieb er seine Spieler mit wilden Gesten von der Seitenlinie an. Sie mussten nur noch ein paar Minuten kämpfen, dann sollten sie den ersten Teilerfolg in Brasilien geschafft haben. Bundestrainer Joachim Löw freute sich im Regen von Recife über den Einzug ins Achtelfinale der WM 2014, nach einem 1:0 über Jürgen Klinsmanns USA. Klinsmann trug eine Kappe.

So wie Mexikos Coach Rául Gutierrez anfangs auch am Donnerstagabend. Doch nicht nur das erinnerte an damals: Wieder trat ein deutsches Fußballteam im brasilianischen Regen an - allerdings war es dieses Mal die deutsche Olympiaauswahl von Horst Hrubesch bei ihrem ersten Auftritt in Salvador da Bahia. Wie Löw verzichtete Hrubesch auf eine Kopfbedeckung, so stand auch er am Ende mit tropfnassen Haaren am Spielfeldrand. Nur dass Hrubesch anders als Löw nicht in einem schwarzen Wet-T-Shirt coachte, sondern im roten Wet-Trainingsjäckchen, er ließ es halb offen. So stand darauf in dicken Lettern das etwas auseinandergezogene Wort "Germany". Auch Hrubesch hatte einen ersten Teilerfolg erreicht, den der 65-Jährige ungewohnt jugendlich kommentierte: "Es war ein geiles Spiel. Jetzt wissen wir, dass wir spielen können." Seine Fußballer hatten soeben ein 2:2 gegen Mitfavorit Mexiko erkämpft, den Goldmedaillengewinner von London 2012.

Die deutsche Auswahl trat anders als viele seiner Gegner ohne Testspielpraxis zur ersten Partie an, jedoch von Beginn äußerst geschlossen. Hrubesch hatte es geschafft, in einer knappen Trainingswoche aus dem bunt zusammengepickten Kader ein Team zu bilden, in dem besonders zwei von Löw jüngst nicht Berücksichtigte aufblühten; zwei Talente auf unterschiedlichen Karriere-Ebenen, die dabei sind, ihre olympische Chance auf großer Bühne zu nutzen: die Torschützen Serge Gnabry und Matthias Ginter, die jeweils einen Rückstand ausglichen - Ginter traf in der 79. Minute zum 2:2. Er dürfte sich besonders an die Bilder von 2014 erinnert haben, als er nun in Salvador aufs Feld marschierte. Damals war er ja auch dabei, er wurde vier Spiele später als 20-Jähriger Weltmeister, allerdings ohne Einsatz. Danach wechselte er aus Freiburg zu Borussia Dortmund - und mit dem Wechsel wurde seine Spielzeit auch im Verein weniger. 38 Mal spielte der Innenverteidiger in den zwei Jahren in der Bundesliga, häufig allerdings als Rechtsverteidiger. Jüngst kamen Wechselgerüchte auf, die BVB-Sportdirektor Michael Zorc aber umgehend dementierte. Hrubesch setzte ihn als Innenverteidiger ein, Ginter spielte gut gegen offensivstarke Mexikaner.

38 Einsätze? Davon kann Arsenals Serge Gnabry nur träumen. Gerade einmal zwölf Minuten kickte er in dieser Premier-League-Saison mit, die jedoch, als er zwischenzeitlich zu West Bromwich Albion verliehen wurde. Sonst kam er wie in London auch dort fast nur in der zweiten Mannschaft in der Reserveliga zum Einsatz. Aus dem großen Talent Gnabry, das sich lange auf Löws Radar befand, wurde ein Enttäuschter. Die Karriere des Emporkömmlings, der als 16-Jähriger in der Premier League spielte, geriet ins Stocken. Gnabry kam nach Salvador als Spieler mit der wenigsten Spielpraxis - zumindest auf gehobenem Niveau. Auf dem Rasen wirkte es jedoch so, als hätte er die meiste.

Nachdem er zunächst wieder nur auf der Bank gesessen hatte, wurde er früh für Kapitän Leon Goretzka eingewechselt, der sich an der Schulter verletzte und gegen Südkorea am Sonntag (21 Uhr/ZDF) wohl fehlen wird. Wenn ihn Gnabry dann jedoch genauso ersetzt wie gegen Mexiko, dürften ihn die wenigsten vermissen. Der inzwischen 21-jährige Linksaußen mit David-Alaba-Gedächtnisfrisur wieselte äußerst flink die linke Flanke entlang und kam neben seinem Tor zu weiteren guten Gelegenheiten, vergaß manchmal nur das ein oder andere Abspiel, Besserung gelobte er nach der Partie: "Je länger das Turnier dauert, desto besser werden wir als Mannschaft zusammenspielen." Neben den beiden musste vor allem Kölns Torwart Timo Horn auf sich aufmerksam machen, er hielt das Team mit zwei Paraden gegen den mexikanischen Blitzangreifer Hirving Lozano im Spiel. Ähnlich gefordert dürfte er am Sonntagabend werden: Denn für Südkorea greift der ebenfalls schnelle ehemalige Leverkusener Heung-Min Son an. "Da müssen wir richtig aufpassen. Aber wenn wir eine Leistung wie gegen Mexiko abrufen, sind wir durchaus in der Lage, sie zu schlagen", sagte Horn. Und dann dürften Hrubeschs Männer wohl noch länger durch den winterlichen Regen von Brasilien laufen: Mit einem Sieg gegen den Olympia-Dritten von 2012 hätte sein Team den Viertelfinal-Einzug so gut wie sicher.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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