Fußball-Nationalelf:Im Zweifel das Gute

Das 2:0 gegen Südafrika offenbarte weiterhin Schwächen im deutschen Spielaufbau und in der Abwehr - doch für den Ernstfall hat Löws Team mit Özil jetzt einen richtigen Zehner.

Philipp Selldorf

Es wäre falsch und gemein, Lars Ricken dafür verantwortlich zu machen, dass er bei der WM 2002 im deutschen Kader das Trikot mit der Nummer zehn getragen hat - und dennoch keine Minute zum Einsatz kam. Die Vergabe dieser Nummer, die im Fußball seit jeher mehr ist als eine Ziffer, beruhte damals auf Umständen, für die der Reservist Ricken nichts konnte. Aber die Geschichte ist auch typisch dafür, wie fremd sich die legendäre Zahl und das deutsche Nationalteam im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gewesen sind. Bei der WM 2006 und bei der EM 2008 hat Oliver Neuville die Zehn erhalten, wirklich kein Zehner, wie ihn das Bilderbuch malt.

Gegen Südafrika kam Lukas Podolski zur zweiten Halbzeit als Nummer zehn auf den Platz. Löw hatte ihn als Linksaußen eingeteilt, nicht gerade seine Lieblingsposition. Eher unbeteiligt sah er auf seinem Außenposten zu, wie Mesut Özil im Zentralgebiet das Spiel inspirierte, wie ein echter Zehner. Özil war in dieser Rolle die Entdeckung des Abends und lieferte der deutschen Vorstellung eine Legitimation. Was wäre ohne Özil Erinnernswertes geblieben?

Löws Versprechen

Joachim Löw hatte garantiert ("darauf lege ich mich fest"), dass seine Elf dem Publikum mehr bieten würde als bei den bisherigen Auftritten 2009. Folgerichtig rühmte er ein "wirklich gutes Spiel" und "eine klare Leistungssteigerung", wofür es zwar auch ohne Özil ein paar vage sowie ein paar solide Anhaltspunkte gab, wobei der solideste mal wieder der Torwart war, diesmal Adler.

Aber man muss die Sache wohl auch von der anderen Seite betrachten: Es gab Brüche in der Abwehr, besonders im Zentrum, wo weder Friedrich noch Tasci noch Westermann eine tolle Figur machten; das Aufbauspiel verlief oft schleppend, Missverständnisse summierten sich; das Experiment, den Sturm mit einem einsamen Gomez zu besetzen, hat auch nicht überzeugt. Gomez, es klingt paradox, war oft zu fleißig, nahm sich dadurch selbst aus dem Spiel.

Dass Löw dem Zwiespalt im Zweifel lieber das Gute abgewinnen und die Stimmung heben wollte, ist ihm nicht zu verdenken. Den Deutschen stehen nun keine diffusen Tests, sondern drei WM-Qualifikationsspiele bevor, im Mittelpunkt das große Duell mit Russland. Es geht um die entscheidenden Punkte, und das gefällt den Deutschen ja immer am besten: Wenn es ernst wird. Zumal sie jetzt wissen, dass sie nach Südafrika womöglich eine richtige Nummer Zehn mitbringen können.

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