Fußball nach dem Terror:Bundesliga fühlt sich mulmig

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  • Die Bundesliga geht trotz der Terror-Ereignisse weiter.
  • Im Lichte von Paris und Hannover werden im deutschen Fußball die Sicherheitskonzepte angepasst.
  • Es soll verschärfte Kontrollen geben - die Debatte über die Kosten hat gerade erst begonnen.

Von Claudio Catuogno

An diesem Freitag startet die Fußball-Bundesliga noch mal neu in die Saison. Der 13. Spieltag ist zugleich der erste: der erste Spieltag nach Paris. Auch der erste Spieltag nach Hannover. Hamburger SV gegen Borussia Dortmund, so lautet nun gewissermaßen das Eröffnungsspiel, das den Beginn eines neuen Fußballzeitalters markieren soll. Es ist das Zeitalter der größtmöglichen Stadionsicherheit.

"Mein Eindruck ist, dass der Fußball in Deutschland mit dem heutigen Tage in vielen Facetten eine andere Wende bekommen hat." Diesen Satz haben viele noch im Ohr. Ein sehr bleicher Liga-Präsident Reinhard Rauball hat ihn am Dienstagabend in Hannover auf der Pressekonferenz mit dem Bundes- und dem Landes-Innenminister gesagt.

Gerade war das geplante Länderspiel der Nationalmannschaft gegen die Niederlande abgesagt worden, das ja ohnehin eher ein Symbol sein sollte als ein Fußballspiel nach den Terroranschlägen von Paris. Und nun war die Frage gewesen, ob die Bundesliga einfach so weiterspielen könne am nächsten Wochenende. Der Rauball-Satz klang nach: nein. Nach Innehalten. Aber es ist dann doch wieder ein Ja draus geworden. The show must go on.

An diesem Freitag jedenfalls wird Rauball - auch als DFB-Interimspräsident und als BVB-Präsident - nach Hamburg fahren. Und dass vielleicht doch gar nicht alles ganz anders sein wird als vorher, sieht man an den lieb gewonnenen Kleinigkeiten. Zum Beispiel hat Uwe Seeler sein Kommen angekündigt. Wie eigentlich immer, wenn sein HSV spielt. "Ja, logisch gehe ich ins Stadion", sagt die 79 Jahre alte Stürmer- Legende, "wir dürfen uns vom Terror nicht in die Knie zwingen lassen." Wie er ins Stadion geht, hat Uwe Seeler allerdings auch offenbart: "mit gemischten Gefühlen".

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Zum einen sind da Trotz und prinzipielle Unbeugsamkeit. Der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hätte zum Beispiel selbst die Verschiebung eines einzigen Spieltages für "eine Kapitulation" gehalten, die "ja Freudenstürme in Syrien und anderswo auslösen" würde. Er meinte mit diesen Ortsangaben wohl: bei den dortigen Schlächtern vom sogenannten "Islamischen Staat". Watzke: "Wir müssen weiterleben, sonst triumphieren die Terroristen."

So oder so ähnlich werden das an diesem Freitag noch weitere Trainer und Klub-Manager sagen, wenn die üblichen Pressekonferenzen zu den Samstagsspielen stattfinden. Wo sonst über Aufstellungen spekuliert und über Adduktorenprobleme von Linksverteidigern informiert wird, geht es nun plötzlich um Werte, um Entschlossenheit. Darum, dass der Fußball nicht einknicken darf vor dem Terror. Wer ins Stadion geht, soll damit plötzlich auch ein politisches Zeichen setzen.

Auf der anderen Seite ist da das Kopfkino. Die drei Selbstmordattentäter mit ihren Sprengstoffgürteln am Stade de France. Das angebliche Szenario eines Anschlags mit Sprengstoff am Dienstagabend am Stadion von Hannover, das der Absage durch die Sicherheitsbehörden zugrunde lag. Was, wenn so etwas wieder passiert?

Oder etwas anderes? Je länger man darüber nachdenkt, was alles passieren könnte, um so mehr potenzielle Möglichkeiten fallen einem ja ein, wie Terroristen ihre Bomben womöglich in ein Stadion schmuggeln könnten. Am besten, man denkt gar nicht so viel drüber nach - als Fan. In den Klubs und bei der Polizei hingegen werden mögliche Angriffsszenarien ohnehin regelmäßig durchgesprochen. Und nach dieser Woche werde nun "alles noch mal neu gedacht", hört man oft.

Für die Sicherheit in den Stadien sind, wie es im Behördenjargon heißt, zunächst einmal die "Spielstättenbetreiber" verantwortlich. Also die gastgebenden Vereine, insofern ihnen das Stadion, in dem sie spielen, gehört. Die Polizei berät und unterstützt die Vereine zunächst nur - sofern sie von einer erhöhten Gefährdung ausgeht, wird sie allerdings auch im Stadion aktiv. Die Umgebung der Arenen muss die Polizei allein sichern, auch die Bahnhöfe, den öffentlichen Nahverkehr, hier wiederum in Absprache mit den Stadtverwaltungen. Entsprechend viele Sitzungen fanden in den vergangenen Tagen auf allen Ebenen statt.

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Normalerweise wird über solche Besprechungen gar nicht informiert; Sicherheitskonzepte werden ohnehin ungern in aller Öffentlichkeit diskutiert. Aber auch das ist gerade anders: Der Zuschauer will jetzt informiert werden. Man stehe "in engem Kontakt mit DFL und DFB und den für die Sicherheit zuständigen Behörden", teilte deshalb zum Beispiel der FC Bayern am Donnerstag mit. Der Meister ist nur ein Klub von vielen, die ihre Sicherheitsmaßnahmen noch einmal erhöhen. Es werde "künftig intensivere und umfassende Personenkontrollen geben", sagte Vorstand Jan-Christian Dreesen. "Unsere Fans und alle Zuschauer bitten wir um Verständnis dafür, dass es am Einlass zu Verzögerungen kommen kann."

Man darf annehmen, dass Uwe Seeler auch weiterhin ins Stadion kommt, ohne dass ihm ein Ordner in den Rucksack guckt und an die Hüfte fasst. Für viele andere, die bisher unkontrolliert auf die Vip- oder Presse-Tribünen kamen, gilt das nun nicht mehr. In Hamburg sind an einem normalen Spieltag etwa 600 Ordner im Dienst. An diesem Freitag werden es deutlich mehr sein. Auf Dauer wird das alles eine Menge Kosten verursachen. Würde man etwa alle Stadioneingänge mit Körperscannern ausrüsten, wie es Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies vorschlägt, ginge das schnell in die Millionen.

Bei Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen klingt es noch dementsprechend bemüht, wenn er sich über die neue Zeit Gedanken macht: "Ich werde am Samstag ohne Angstgefühle ins Stadion gehen", sagt er, "es bleibt mir ja nichts anderes übrig, als entspannt zu sein."

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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