Miroslav Klose bei Lazio Rom:Erster Termin beim kauzigen Römer

Miroslav Klose wird bei Lazio Rom eine interessante Welt kennenlernen: Vor dem Spiel fliegt ein Adler, Präsident Lotito regiert den Klub streng - und lässt sich nicht mal von den berüchtigten Hooligans einschüchtern.

Birgit Schönau, Rom

Die Via Appia Antica ist der schönste der vielen Wege nach Rom, nicht von ungefähr nennt man sie auch die Königin der Straßen. Pinien, Zypressen und zweitausendjährige Grabmäler säumen das antike Pflaster, bis die Appia vor der Porta San Sebastiano endet, einem der Stadttore des Kaisers Aurelian.

Miroslav Klose arrives in Rome

Braucht nun ein italienisches Handy: Miroslav Klose.

(Foto: dpa)

Hier endlich war Miroslav Klose angekommen, nach vielen Spekulationen über seine berufliche Zukunft im Anschluss an die Jahre beim FC Bayern: Unter dem Stadttor aus der Kaiserzeit liegt die Villa seines neuen Arbeitgebers. Wie ein römischer Patrizier hat sich Claudio Lotito, der Besitzer der Società Sportiva Lazio, inmitten eines schattigen Parks niedergelassen. Drinnen ist die Residenz nicht gar so fürstlich, sie ähnelt einem der üblichen neureichen Möbellager.

Am Mittwoch gegen 21.30Uhr unterschrieb Klose in Lotitos Büro einen Zweijahresvertrag, zwei Millionen Euro netto soll er dem Vernehmen nach jährlich verdienen. Eine gute halbe Stunde dauerten die Formalitäten, dann war der Wechsel verzogen. Am Donnerstagmorgen gratulierte Lotito dem Neuankömmling schon offiziell zum 33.Geburtstag, während Klose hinter dem Olympiastadion in einer Privatklinik gecheckt wurde.

Nach den Gerüchten um Galatasaray Istanbul und Valencia ist es nun also Rom und der Klub mit dem Adler im Wappen. Klose ist nach Thomas Doll, Karlheinz Riedle und Thomas Hitzlsperger der vierte Deutsche bei SS Lazio, der in der ersten Mannschaft anheuert. Hitzlsperger verbrachte 2010 sportlich schwierige sechs Monate in Rom, er drückte die meiste Zeit die Bank und musste von seinen Trainern herbe Kritik einstecken. Das Gastspiel bei Lazio vermasselte ihm den Einsatz bei der WM.

Doch im Unterschied zu Hitzlsperger wurde Klose von Lazio-Coach Edoardo Reja geradezu herbeigesehnt. Und der sonst so sparsame Lotito lässt sich den Wunsch seines Trainers etwas kosten - das Gehalt des ablösefreien Klose liegt deutlich über dem Mannschaftsdurchschnitt.

Die Offensive des recht rustikal aufspielenden Teams war zuletzt nicht gerade erfolgsverwöhnt, deshalb soll der kopfballstarke Klose mit seinem Torinstinkt den unsteten Argentinier Mauro Zarate und den schwerfällig gewordenen Kapitän Tommaso Rocchi ergänzen. Der Tscheche Libor Kozak und Giuseppe Sculli werden Klose ohnehin kaum Konkurrenz machen, der Stammplatz für den Deutschen gilt als ziemlich sicher.

An das Umfeld allerdings wird Klose sich gewöhnen müssen - zum FC Bayern verhält sich der Klub des mit seinen Krankenhaus-Putzkolonnen reichgewordenen Claudio Lotito nämlich ungefähr so wie Cinecittà zu Hollywood. In Rom stimmt die Kulisse - so lässt Lotito vor jedem Heimspiel einen Adler namens Olimpia fliegen -, die Show aber läuft längst woanders.

Trainer Reja, 56, gilt in der Branche als Mann fürs Grobe, von dem man weiß, dass er auch deshalb so wortkarg ist, weil es über seine Hauruck-Strategien nicht viel zu sagen gibt. Zu behaupten, Lazio spiele schnörkellos, ist ein Euphemismus, und dass jetzt das Transfergeld fast ausnahmslos in die Abwehr investiert werden soll, lässt auch nichts Gutes ahnen.

Dass die wackere Truppe des braven Reja knapp den Champions-League-Platz verpasste, um am Ende mit Platz fünf die EuropaLeague zu ergattern, sagt weniger über die Qualität der Römer aus als über die Misere des italienischen Spitzenfußballs.

Reich durch Putzkolonnen

Vor einem Jahrzehnt konnte Lazio in Europa ganz oben mitspielen, dann kam die Pleite des damaligen Klubbesitzers Sergio Cragnotti und der Höhenflug war vorbei. Heute konzentriert man sich auf die Audienz beim Papst und das Lokalderby gegen den AS Rom, der sich allerdings nach dem Verkauf an ein US-amerikanisches Investorenteam deutlich internationalisiert und gerade in Luis Enrique, 41, einen Coach aus dem Trainerteam des FC Barcelona eingestellt hat.

Der hätte am Hofe von Claudio Lotito schon deshalb keine Chance, weil der Präsident seinen Angestellten höchst ungern das Wort erteilt und am liebsten selbst vor den Kameras die Spiele kommentiert.

Auch die Spieler zittern vor Lotito - wer beim Chef etwa durch Wechselgelüste in Ungnade fällt, der wird schlicht nicht mehr eingesetzt. Der kauzige Römer, der seine Monologe gern mit Küchenlatein würzt, führt seinen Klub wie die Putzkolonnen mit eisernem Besen.

Auch von den berüchtigten Hooligans lässt Lotito sich nicht einschüchtern. Und so gelang ihm, woran seine Vorgänger scheiterten: Die rechtsextremen Kurvenrowdys von den Irriducibili ("Unbeugsamen") zum Schweigen zu bringen. Lotito nahm den Organisierten, die ihn im Auftrag eines Camorra-Clans sogar zum Verkauf zwingen wollten, das Geschäft mit Lazio-Devotionalien und sämtliche Privilegien.

Seither kann er sich nur noch mit Leibwächtern bewegen, aber mit dem Fascho-Spektakel auf den Rängen ist weitgehend Schluss. So unerschrocken ist der Präsident, dass er in Stürmer Giuseppe Sculli den Enkel eines der mächtigsten Bosse der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta unter Vertrag nahm - demnächst Miroslav Kloses Kollege im Sturm.

Es ist also eine interessante, neue Welt, die Miroslav Klose kennenlernen wird - auf dem Weg zur Europameisterschaft im nächsten Jahr in einer Stadt, wo der Fußball fast alles ist. Nur nicht nur Fußball.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: