Fußball:Manuel Neuers dubiose Wahl zum Welttorhüter

  • Alle feiern den Bayern-Torwart, dass die International Federation of Football History & Statistics ihn zum besten Torwart der Welt kürt.
  • Dabei ist dieser Verband höchst umstritten. Wer genau wählt, gibt er nicht bekannt.
  • Medien, Verbände, Klubs und Profi-Kollegen gratulieren Neuer dennoch.

Von Alexander Mühlbach

Manuel Neuer gibt sich gerne bescheiden. Selbst als er (oder sein Management) am Freitagmittag auf seine Facebook-Seite schrieb, dass er zum dritten Mal in Folge zum Welttorhüter des Jahres geehrt wurde, bleibt Neuer zurückhaltend: "Die Wahl ehrt mich", sagt er: "Glücklich aber machen mich vor allem Titel mit der Mannschaft."

Vielleicht lag die Bescheidenheit aber auch nur daran, dass Neuer erst zwei Tage verspätet von seinem Titel mitbekommen hat. Es gab keine offizielle Veranstaltung für Neuer, keine offizielle Benachrichtigung und selbst die Medien hielten sich mit der Meldung zurück - bis der FC Bayern am Freitagmorgen auf seiner Webseite auf die Auszeichnung hinwies. Denn die Auszeichnung ist, milde gesagt, sehr dubios.

Der Titel wird nicht offiziell von der Fifa vergeben, so wie das am Montagabend mit dem Ballon d'Or für den weltbesten Spieler der Fall ist. Sondern von einer Organisation namens International Federation of Football History & Statistics (IFFHS), die sich um eine chronologische Dokumentation des internationalen Fußballs auf wissenschaftlicher Basis bemüht. Die 1984 in Leipzig gegründete Organisation ermittelt jedes Jahr neben dem weltbesten Torhüter auch noch den weltbesten Schiedsrichter, Trainer, Torjäger, Spielmacher und den besten Fußballklub.

Die IFFHS gibt zwar immer wieder an, dass bei den Wahlen Fußballexperten aus vielen Ländern abgestimmt haben. Bei Manuel Neuer sollen es alleine Experten aus 50 Ländern gewesen sein, die mit 118 "points" entschieden haben, dass Neuer besser ist als Gianluigi Buffon, 78 Punkte, und Claudio Bravo, 45 Punkte. Genauso wie die Organisation entschieden hat, dass Oliver Kahn 1999, 2001 und 2002 den Titel bekam. Nur: Wer wirklich abstimmt, gibt die Organisation nicht bekannt.

Der Gründer der Organisation, Alfredo Pöge, der laut IFFHS im März 2013 starb, erklärte vor Jahren im Magazin 11Freunde, dass er nicht erklären wolle, nach welchen Kriterien die besten Fußballer der Welt ermittelt werden, weil sie damit "schlechte Erfahrungen gemacht" haben. Pöge sagte nur, dass die IFFHS über rund 200 Mitglieder in 120 Ländern verfügt, eine große Organisation also. Auf der Webseite steht davon nichts.

Nach der Gründung in Leipzig hat Pöge den Standort seiner Organisation erst nach Wiesbaden und Bonn verlegt. Immer war die Adresse der "Federation" dieselbe Adresse wie die von Pöge selbst. Weswegen Kritiker bezweifeln, dass Pöge eine große Organisation um sich habe und er stattdessen die Wahlen ganz alleine in seiner Wohnung durchgeführt habe. Bei einem Gerichtsverfahren im Jahr 2006 kam sogar heraus, dass die IFFHS weder als Firma noch als Verein irgendwo registriert sei. Er allein, schreibt der Spiegel im Jahr 2009, könnte die IFFHS sein.

Anfangs druckten dennoch alle Zeitungen Pöges Ranglisten ab, darunter rauch die Süddeutsche Zeitung. Uhlsport bezuschusste die Welttorhüter-Wahl, Adidas übernahm die Ehrung des Weltfußballers, im Jahr 1991 stieg die Fifa ein. Eine Hessische Hotelkette übernahm die Reisekosten der Stars für die Ehrungen im Rahmen einer jährlichen Weltgala in Fulda. Im Jahr 2005 wurde die Wahl zum Welttorhüter des Jahres im Aktuellen Sportstudio des ZDF übertragen, zu Gast waren Petr Čech und José Mourinho.

Die Deutsche Presse-Agentur dpa hat allerdings vor Jahren entschieden, die Listen aus dem Hause Pöge nicht mehr über ihren Nachrichtenticker zu verbreiten. "Wir haben das immer als dubios eingestuft", sagt der ehemalige dpa-Fußballchef Oliver Hartmann dem Magazin 11Freunde. Auch ansonsten musste die IFFHS einige Einbußen hinnehmen. Die Sponsoren sind weg, die Fifa unterstützt die Wahlen nicht mehr und seit 2008 gab es keine Gala mehr.

Gewählt wird aber immer noch. Nach Pöges Tod übernahm im Jahr 2014 Saleh Salehem Bahwini aus Saudi-Arabien die deutsche Organisation. Bahwini erklärte bald darauf, dass "jeder bald die Wichtigkeit unserer Organisation erkennen wird".

Immerhin, die dpa meldet die Kür Neuers wieder, wenngleich auch mit dem Hinweis: "Die Abstimmung ist allerdings wegen ihrer intransparenten Kriterien umstritten." In den Social-Media-Kanälen beglückwünschen allerlei Medien, Klubs, Verbände und Profi-Kollegen Manuel Neuer zu seiner Wahl.

Denn die Wahrheit ist natürlich auch: Ob IFFHS oder Kleintierzuchtverein Buxtehude-Ost: Dass Manuel Neuer derzeit der beste Torwart der Welt ist, das weiß ja jeder.

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