Nationalmannschaft: Mario Götze:Das Supersondertalent

Dortmunds Mittelfeldspieler Mario Götze verordnet sich auch bei der Nationalelf Bescheidenheit. Bundestrainer Löw schwärmt dagegen anhaltend - und prophezeit dem 18-Jährigen eine große Karriere.

Philipp Selldorf

Jürgen Klopp hatte ihm am Wochenende geraten, den Ausflug zur Nationalmannschaft zu genießen, aber den Anfang des Unternehmens empfand Mario Götze eher als bedrohlich. Es war erst seine zweite Pressekonferenz, seitdem er im August 2010 zum Stammspieler bei Borussia Dortmund befördert wurde, die erste hatte er vor den ständigen BVB-Beobachtern auf dem Trainingsgelände in Brackel absolviert, das war noch eine Art Heimspiel.

Pressekonferenz deutsche Fussball-Nationalmannschaft

Für einen gerade erst Volljährigen schon erstaunlich cool: Dortmunds Mario Götze bei seiner ersten DFB-Pressekonferenz

(Foto: dapd)

Doch am Montag in der Sportschule Kaiserau trat ihm auf einmal die vereinte deutsche Fußballpresse entgegen, die sich wegen des am Mittwoch anstehenden Länderspiels gegen Italien in Westfalen versammelt hat, und spätestens diese Präsentation auf großer Bühne hat angezeigt, dass Götze jetzt keine Schonfrist mehr genießt. Er hat die Prüfung angemessen zurückhaltend und ausreichend gewandt gemeistert, ein paar Kilometer südlich in Dortmund wird Trainer Klopp wohl wieder sehr zufrieden gewesen sein mit seinem Musterschüler. Solche Aufgaben gehören zum Geschäft und zur Karriere eines Fußballers, selbst wenn er gerade erst volljährig ist.

Zunächst hatten ihn seine Chefs in Dortmund noch "im Verborgenen halten" und vor der Neugier des Publikums verstecken wollen, aber wie soll das gehen bei einem Spieler, der Woche für Woche Vorstellungen bietet, die leuchten, glänzen, funkeln? Götze ragt ja nicht nur durch den hohen Stand seiner spielerischen Begabungen heraus, sondern vor allem dadurch, dass er sie konstant bestätigt.

Er sagt von sich, dass er sich auf allen Positionen im offensiven Mittelfeld wohlfühlt, und er übertreibt dabei nicht mal. Man sieht es einfach. Er schöpft wie selbstverständlich aus seinem Repertoire, und das ist so substantiell, dass Männer ins Schwärmen geraten, die ansonsten von Berufs wegen sparsam umgehen mit Schwärmereien - weil sie wissen, was sie damit anrichten können.

"Enorm begabt" nannte Joachim Löw den Mittelfeldspieler im vorigen August, und als er ihn beim DFB-Debüt in Schweden im November aus der Nähe betrachtet hatte, stellte der Bundestrainer fest, dass dieser eher stille, aber selbstsichere Wunderknabe mit einer solchen Ruhe musiziere, "wie ich das noch nie zuvor gesehen habe". In der vergangenen Woche attestierte Löw dem 18-Jährigen die Aussicht, "allerhöchstes Niveau" zu erreichen: "Ich sehe, was er kann." Das klingt nicht nach einer Mutmaßung, das klingt nach einer seriösen Prophezeiung.

Raketenstart, der Angst macht

Löw ist in Fragen des Fußballs ein Ästhet, manchmal auch ein Schöngeist, auf "allerhöchstem" Niveau bewegen sich nach seiner Überzeugung Spieler wie Xavi, Iniesta oder Messi, die derzeit bedeutendsten Namen im grenzenlosen Fußball. Götze hat solche Vergleiche wohl schon öfter gehört, aber es scheint nicht so eitel zu sein, dass er die Komplimente ausschließlich genießen würde. Sein Raketenstart ängstigt ihn selbst ein wenig. "Ich bin ja eigentlich erst vor einem dreiviertel Jahr in der Bundesliga angekommen, aber ich habe schon einige Lobeshymnen gehört. Es ist nicht so einfach, damit umzugehen und nicht abzuheben", sagte er am Montag.

DFB-Pressekonferenz - Mario Götze

Lächeln für das Gruppenbild: Teammanager Oliver Bierhoff (li.) posierte gemeinsam mit Mario Götze und dem Schauspieler Daniel Brühl.

(Foto: dpa)

Bisher wirkt seine Vita erdverbunden, er wohnt noch bei den Eltern, und die Sportschule, die der DFB diesmal als Quartier gewählt hat, kennt er aus gar nicht weit zurückliegenden Aufenthalten mit der Westfalenauswahl. Und wenn er jetzt mit seinen neuen Mitspielern zu Abend isst, sitzt er mit den Idolen seiner Jugend am Tisch. Podolski und Schweinsteiger, "das sind Weltklassespieler, auf die hat man geschaut, um sich was abzugucken", erzählt er in ehrfürchtiger Erinnerung an 2006.

Götze stammt aus einer Familie, "in der Fußball immer ein Thema war", wie er sagt. Für die Vollendung des Fachabiturs im vorigen Sommer hat ihn sein Vater, ein Professor für Datentechnik an der Universität Dortmund, offenbar weniger durch Überzeugung als durch Druck gewonnen, "es gab öfter Diskussionen, dass ich die Schule abbrechen möchte", verrät der Junior.

Der ältere Bruder spielt bei der zweiten Mannschaft von Mainz 05 in der Regionalliga, der jüngere in Borussias C-Jugend, er wird auch schon hoch gehandelt, was den Beschützerinstinkt des vier Jahre älteren Mario zu wecken scheint. Er will definitiv "keine Prognose abgeben" zum Talent seines kleinen Bruders, was vielleicht auch vernünftig ist. Die Familie muss jetzt zusammenhalten, um die Zudringlichkeiten von Ruhm und Prominenz abzuwehren. "Zuhause sind meine Eltern, dort ist der Ruhepunkt, darüber bin ich sehr froh. Das gibt mir ein gutes Gefühl und die Möglichkeit, aus der Öffentlichkeit zurückzutreten", sagt Mario Götze.

Was die Nationalelf angeht, sind die Erwartungen an das Supersondertalent noch größer als seine Lehrlingsrolle. Er kennt seinen Platz im Gefüge. Er freue sich auf den Einsatz im heimischen Stadion, sagt Götze - "wenn mich der Trainer einwechseln sollte".

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