FC Bayern:Joshua Kimmich nervt seine Rolle

Bayern Muenchen v 1. FC Koeln - Bundesliga

Joshua Kimmich will spielen. Am besten sofort.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Martin Schneider

Wie es Joshua Kimmich in München geht, erkennt man auch daran, wer ihn wie anschreit. Pep Guardiola zum Beispiel bearbeitete ihn in einer berühmt gewordenen Szene nach dem Bundesligaspiel in Dortmund, er nahm seinen Kopf und drückte seine Stirn an Kimmichs Stirn. Mittlerweile kennt man den Dialog zu diesem Bild, Guardiolas Biograf schrieb ihn auf. Kimmich sollte ins Mittelfeld rücken, hatte aber die Anweisung nicht verstanden. Guardiola ermahnte ihn, zuzuhören und meinte dann: "Du warst brillant heute, Josh. Sehr, sehr gut. Ich habe Dir doch gesagt, dass Du das kannst."

Ein Jahr später schrie Arturo Vidal Joshua Kimimch an. Ebenfalls in aller Öffentlichkeit, aber es gibt kein prominentes Bild dazu. Es war in der Schlussphase des Champions-League-Hinspiels gegen den FC Arsenal. Kimmich wurde in der 83. Minute eingewechselt und sprintete kurz vor Schluss mit nach vorne - zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 4:1 für Bayern. Ein grober taktischer Fehler war in diesem Laufweg nicht direkt zu erkennen, aber dem Chilenen gefiel er offensichtlich nicht. Als Kimmich zurücklief, verpasste ihm Vidal einen anständigen verbalen Fön. Der Dialog ist noch nicht überliefert, ein Lob war aber wahrscheinlich nicht enthalten.

In der letzten Saison unterstützte ihn der Trainer, jetzt bekommt Kimmich den knallharten Konkurrenzkampf zu spüren. In der Vidal-Situation war Kimmich immerhin auf dem Platz, aber sein Problem ist ja, dass Kimmich, 22, unter seinem neuen Trainer Carlo Ancelotti immer seltener auf dem Platz steht. In den vergangenen fünf Spielen gerade mal 42 Minuten - also nicht mal eine Hälfte. Und das in einer Phase, wo der FC Bayern meist alle drei bis vier Tage ein Spiel hat, die sogenannte "Breite des Kaders" eigentlich ausnutzen könnte. Und Kimmichs Konkurrenten im defensiven Mittelfeld und rechts in der Abwehr, Xabi Alonso, Vidal, Philipp Lahm und Rafinha, sind immerhin 29 bis 35 Jahre alt. Und da Kimmich nicht verletzt ist, gibt es keine Ausrede, keine Erklärung außer der, dass Ancelotti findet: Sein Platz ist auf der Bank.

Der Italiener, bekannt als großer Moderator, hat sich in der entscheidenden Phase der Saison für die alte Garde entschieden. Einen Kimmich auf die Bank zu setzen, erzeugt weniger atmosphärische Störungen, als einen Vidal zu beruhigen - das wäre ein typischer Ancelotti-Gedanke. Auch wenn er selbst das abstreitet. Er weiß zum Beispiel, dass ihm immer vorgeworfen wird, alte Recken zu bevorzugen. Vor dem Spiel in London erklärte er, dass das Alter bei seinen Entscheidungen keine Rolle spiele. Als ihn dann ein Reporter direkt fragte, warum denn Rafinha spiele und nicht Kimmich, scherzte Ancelotti: "Weil er älter ist." Ancelotti kann darüber lachen, weil für ihn das stärkste Argument des Fußballs spricht: Er hat mit seiner Aufstellung Erfolg.

Vor dem Bundesligaspiel am Sonntag gegen Mönchengladbach hat die Situation um Kimmich trotzdem eine eigene Dynamik angenommen. Die Branche sieht ja, dass da einer Reserve ist, der in 17 anderen Bundesliga-Klubs und auch bei einer handvoll europäischer Spitzenvereine sicher keine Reserve wäre. Ralf Rangnick, Leipzigs Sportdirektor, muss sich in Fußballtalksendungen zu möglichen Rückholaktionen zu RB, wo Kimmich zwei Jahre spielte, äußern und nennt sie "alles andere als wahrscheinlich oder realistisch". Sagt aber auch, dass Kimmichs Situation "nachvollziehbar schwierig" sei. Und dass er im vergangenen Jahr eben einen Trainer hatte, der ihn nicht nur spielen ließ, sondern der auch mit ihm gearbeitet hätte. Und jetzt sei der Trainer weg.

Darf Kimmich spielen, wenn Philipp Lahm aufhört?

In England titeln die bunten Blätter, eben jener Trainer wolle Kimmich zu Manchester City holen. Guardiola sei bereit, bis zu 46 Millionen Euro zu bezahlen, steht in großen Buchstaben geschrieben. Weil Guardiola nach dem Champions-League-Aus gegen Monaco analysiert hätte, sein Kader habe nicht die nötige Qualität. Die Gleichung: Unzufriedenes Talent + liebender Trainer + geplanter Kader-Umbau + viel Geld zur Verfügung ergibt zwangsläufig eine solche Schlagzeile.

Der FC Bayern hat das natürlich kommen sehen und versuchte schon vor einigen Tagen, dagegen zu arbeiten. "Wir haben Großes vor mit ihm in der Zukunft. Er wird, das ist ziemlich klar, bei uns Nachfolger von Philipp Lahm", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge im Interview mit dem Sender Sky und erinnerte bei der Gelegenheit nochmal daran, dass auch der große Philipp Lahm sich bei Bayern erst durchgesetzt habe, nachdem man ihn zwei Jahre lang an den VfB Stuttgart ausgeliehen hatte.

Das habe man mit Kimmich aber nicht vor. "Ab der nächsten Saison hat er dann gesicherte Einsatzminuten. So jedenfalls plant es Carlo Ancelotti." Nach dem Motto: Den alten Lahm verdrängen, das ist selbst für den neuen Lahm zu schwierig. Aber der alte Lahm spielt ja nur noch ein paar Monate. Dass zumindest in den vergangenen Wochen auch Rafinha öfter spielte als der neue Lahm, darauf ging Rummenigge nicht ein.

In der Nationalmannschaft verteidigt er hinten rechts

Und Kimmich selbst? Der entschied sich nach dem Spiel gegen Frankfurt, mal was zu seiner Situation zu sagen. Eigentlich ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass Bayern-Spieler, die nicht gespielt haben, direkt durch die Mixed-Zone stapfen und andere reden lassen. Aber Kimmich wollte etwas loswerden. "Fakt ist: Ich bin damit nicht zufrieden, das ist nicht mein Anspruch und ich möchte das ändern", sagte er. Der Trainer wisse, dass er auf vielen Positionen spielen könne. Als er gefragt wurde, ob er die Entscheidungen denn verstehen könne, sagte er: "Es spielt keine Rolle, ob ich das verstehe oder nicht."

Nach dem Spiel gegen Gladbach kommt die Länderspielreise der deutschen Nationalmannschaft. Joachim Löw wird auf ihn setzen, unter anderem, weil Kimmich dort im Gegensatz zum FC Bayern einen entscheidenden Vorteil hat. Im Nationalteam hat Philipp Lahm schon aufgehört. Und auch Rafinha, obwohl mittlerweile Deutscher, ist nicht spielberechtigt.

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