Fußball international:Nach Fifa-Strafe: Madrid muss jetzt Spieler kaufen

  • Die Fifa belegt Real und Atlético Madrid mit einjährigen Transfersperren. Beide Vereine sollen gegen Bestimmungen beim Transfer von Minderjährigen verstoßen haben.
  • Die Sperre des Weltfußballverbandes greift erst ab der nächsten Transferperiode. Bis Ende Januar haben beide Klubs noch Zeit, Spieler zu verpflichten.
  • Dadurch geraten beide Vereine unter Zugzwang. Real müsste zum Beispiel Spieler wie Paul Pogba oder Robert Lewandowski bis zum 1. Februar holen.

Von Oliver Meiler

Spekuliert wurde schon lange, eigentlich schon seit Herbst 2014. Doch je mehr Zeit verstrich ohne Bescheid aus Zürich, desto leiser wurden die Sorgen. Nun aber hat die Disziplinarkommission der Fifa tatsächlich beschlossen, die beiden spanischen Großvereine Real Madrid und Atlético Madrid mit je einer einjährigen Transfersperre zu belegen, weil sie gegen das Reglement des Weltverbands für die Verpflichtung minderjähriger Spieler verstoßen haben. Dieselbe Strafe ereilte den FC Barcelona vor nicht allzu langer Zeit - für denselben Regelverstoß im Fall von vielen jungen Spielern, unter anderem aus den USA, Frankreich und Südkorea.

Seit dem Jahr 2001 gilt, dass ein Spieler 18 Jahre alt sein muss, damit er von einem Profiklub verpflichtet werden kann. So soll dem Handel mit Kindern vorgebeugt werden. Ausnahmen sind vornehmlich in drei Fällen statthaft: Wenn der Transfer erstens innerhalb der Europäischen Union getätigt wird - dann sind schon Teenager ab 16 Jahren alt genug für ein Engagement. Wenn zweitens die Eltern des Talents von anderen Kontinenten mit ihrem Kind mitreisen und den Lebensunterhalt am neuen Ort auch ohne Geld des Vereins bestreiten können. Und zulässig ist drittens auch, dass ein junger Fußballer im Ausland spielt, wenn er in der Nähe der Grenze lebt und höchstens 50 Kilometer zum Training pendeln muss. So weit die Theorie.

Der Transfer des jungen Messi ist heute so nicht mehr möglich

In der Praxis ist es so, dass manche Vereine bisher recht rücksichtslos alles daran gesetzt haben, um auch sehr junge Talente möglichst früh an sich zu binden. Als Vorbild gilt der Jahrhundert-Coup Barças, das den seit dieser Woche fünfmaligen Weltfußballer Lionel Messi aus Rosario in Argentinien damals schon mit 13 Jahren unter Vertrag nahm. Mehr noch als ein Coup: Es war ein Perlenfund. Heute wäre er unmöglich oder zumindest unzulässig.

Im Fall der sogenannten "Königlichen" von Real Madrid bezieht sich die Ermittlungsphase der Fifa auf die Jahre 2005 bis 2014, bei den "Colchoneros" von Atlético auf die Zeitspanne zwischen 2007 und 2014. Außerdem müssen beide Vereine je eine Geldstrafe bezahlen: Atlético 822 500 Euro, Real 329 000 Euro.

Sehr wahrscheinlich werden beide Vereine mit ihrem Einspruch scheitern

Die beiden Vereine sind in Berufung gegangen. Doch sollte die Fifa mit den Madrilenen ähnlich hart verfahren wie unlängst mit den Katalanen, dürfte der Protest wenig Erfolg zeitigen. Barça gilt gewissermaßen als Blaupause dafür, was die beiden Vereine nun erwartet. Sie werden im Sommer 2016 sowie im Januar 2017 keine neuen Spieler einschreiben dürfen. Die Betonung liegt dabei auf: einschreiben. Einkaufen dürfen sie nämlich schon, verkaufen auch. Barça erkaufte sich im vergangenen Sommer, als eigentlich die Sperre galt, die Dienste zweier Spieler, des Türken Arda Turan und des katalanischen Außenverteidigers Aleix Vidal. Die beiden durften auch mit der Mannschaft trainieren. Pflichtspiele aber dürfen sie erst seit 6. Januar 2016 absolvieren, seit dem Ablauf der Sperre. Beide haben also gewissermaßen ein halbes Jahr ihrer Karriere geopfert - ihren Lohn freilich bezogen sie trotzdem.

Pogba und Lewandowski rücken jetzt erst recht in Reals Fokus

Geht man nun davon aus, dass Real und Atlético mit ihrem Einspruch scheitern werden, steht ihnen nur noch das Transferfenster des laufenden Wintermarkts offen, um ihre Kader für die anstehenden eineinhalb Saisons zu verstärken - abgesehen von Leihspielern, die sie jederzeit zurückholen dürfen. Für die Neuverpflichtung von Angestellten mit sofortiger Spielberechtigung bleibt also nur noch Zeit bis Ende Januar, gerade zwei Wochen. Und das könnte diesen Mercato, der bislang ohne Sensationsmeldung dahingeplätschert ist, nun plötzlich ungemein dynamisieren.

Spannend wird vor allem sein, wie Real Madrid sich verhalten wird. Der Verein hat soeben den Trainer ausgewechselt. Und der Neue, Zinédine Zidane, könnte nun versucht sein, alle seine Vorstellungen schnell in eine Wunschliste zu packen und dem Präsidenten, Florentino Pérez, zu präsentieren. Gegenüber den Fans ließe sich jeder Entscheid mit der Not rechtfertigen, in die man über Nacht geraten ist. Selbst spektakuläre Käufe. Es öffnet sich nun also eine fiebrige Phase der Spekulationen. Man erinnert sich zum Beispiel daran, dass Real im vergangenen Sommer den Torwart David De Gea von Manchester United anstellen wollte. Das Unternehmen scheiterte nur deshalb, weil ein Fax einige Minuten zu spät übermittelt wurde. Versucht Real es nun noch einmal?

Torschlusspanik in Madrid

In den Fokus gerät auch Paul Pogba, der französische Jungstar in Diensten von Juventus Turin. In Spanien erzählt man sich, Real und Barça interessierten sich gleichermaßen für den Mittelfeldspieler. Das könnte Pogbas Marktwert in neue Sphären treiben. Doch vielleicht bringt es Zidane fertig, Klubchef Pérez zu einer verrückten Großinvestition in die Zukunft zu treiben. Einige Aufmerksamkeit wird wahrscheinlich auch dem Mittelstürmer des FC Bayern, Robert Lewandowski, zuteil werden, für den sich Real Madrid schon seit geraumer Zeit interessiert - eigentlich schon seit jener denkwürdigen Champions-League-Nacht, als Lewandowski im Trikot von Borussia Dortmund den "Blancos" vier Tore zufügte. In den spanischen Sportzeitungen wird sein Name regelmäßig herumgereicht, zuweilen auch ohne leicht verständlichen Anlass. Und nun? Opfert Real womöglich seinen BBC-Sturm? Bricht es ein Stück raus? Wenn ja, eher Bale oder Benzema - oder am Ende gar Cristiano Ronaldo? Und wie würde sich dann Europas fußballerische Tektonik verschieben?

So viel Spannung steckt nun plötzlich im Markt. Wegen einer Sperre. Wegen Torschlusspanik in Madrid.

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