Fußball:Infantino vergrößert den Image-Schaden der Fifa

Fußball: Findet selbst, er macht einen guten Job: Fifa-Präsident Gianni Infantino

Findet selbst, er macht einen guten Job: Fifa-Präsident Gianni Infantino

(Foto: AFP)
  • Seit einem Jahr ist Gianni Infantino Fifa-Chef - doch die Imagewerte verschlechtern sich durch sein Tun eher noch.
  • In Zürich gilt es als offenes Geheimnis, dass er erwägt, die Spitzen der unabhängigen Ethikkammern beim Kongress in Mai abzusetzen.
  • Infantino wirkt inzwischen wie ein Getriebener.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Gianni Infantino geht in die Gegenoffensive. "Ein Jahr danach" heißt die 50-seitige, üppig bebilderte Broschüre, mit welcher der Fußball-Weltverband die angeblich revolutionären Verbesserungen durch den Fifa-Präsidenten abzufeiern versucht. Kühne Behauptungen wechseln mit unfreiwilliger Komik. So findet die Fifa, sie habe eine saubere Trennung der Funktionen "voll implementiert".

Und unter den großzügig eingewebten Lobhudeleien findet sich auch das Kompliment eines finnischen EU-Abgeordneten über die angeblich neue Transparenz der Fifa. Tatsächlich hat der Europarat in Straßburg gerade eine Untersuchung des Weltverbands angeschoben, weil just diese Transparenz und echter Reformwille nirgendwo erkennbar seien.

Aber irgendetwas muss Infantinos Fifa ja tun, will sie das Feld zum Jubiläum am Sonntag nicht ganz dem Heer der Kritiker überlassen. Bunte Papiere drucken war schon die Strategie von Vorgänger Sepp Blatter. Tatsächlich verschlechterten sich die Imagewerte der Fifa durch Infantinos Tun eher noch. Umstrittene Personalentscheidungen und der Abschied von 20 Prozent der hauptamtlichen Mitarbeiter spielen ebenso eine Rolle wie die global viel kritisierte Aufstockung der WM-Endrunde auf 48 Mannschaften.

Will Infantino die Aufklärer absetzen?

Auf seinen wohl schwersten Fehler steuert Infantino nach Expertenansicht aber erst jetzt zu: In Zürich gilt es als offenes Geheimnis, dass er erwägt, die Spitzen der unabhängigen Ethikkammern beim Kongress im Mai abzusetzen (SZ vom 18.2.). Auch die US-Anwaltskanzlei Quinn Emanuel, die den Fifa-Morast unter Aufsicht der US-Justiz durchpflügt, hätte die Fifa-Spitze gern vom Hals. Und am besten auch noch den langjährigen Justiziar Marco Villiger - den Mann, der alles weiß.

Strafrechtsexperten weisen darauf hin, dass sich die Fifa da schwer vergaloppieren könnte. Der Opferstatuts, den sie derzeit in den US-Ermittlungen unter dem Anti-Mafia-Gesetz Rico genießt, könne sich "jederzeit" in den Täterstatus kehren; er hängt auch vom Verhalten der Fifa-Spitze ab - und von der Frage, wie glaubwürdig die Reform- und Aufräumprozesse intern vollzogen werden. Täterstatus: Das müsste den K.o. für die Fifa bedeuten. Wegen möglicher Milliardenforderungen am Ende des Prozesses, und weil es Firmen von Coca-Cola bis Adidas kaum möglich wäre, noch Werbegeschäfte mit einer Organisation zu pflegen, die unter Mafiaverdacht steht. Hinzu käme die Frage, wie sich die Banken in so einem Szenario verhielten.

Infantino wirkt wie ein Getriebener. In den nächsten Wochen könnte sich noch mehr zu seinen Ungunsten drehen - es stehen wichtige Personalentscheide an. Der eine betrifft die künftige Führung des Afrika-Kontinentalverbandes Caf. Offiziell darf sich Infantino als Fifa-Präsident nicht einmischen in die Wahlen der Konföderationen. In der Szene steht indes außer Frage, dass er Ahmad Ahmad aus Madagaskar favorisiere, Herausforderer des langjährigen und von Affären umtosten Caf-Herrschers Issa Hayatou.

Und Hayatou ist kein Freund Infantinos. Ein Schwenk durch die Erdteile zeigt die Bedeutung des Afrika-Votums. In Europa hat Alexander Ceferin die Uefa-Spitze erobert. Den hatte Infantino zwar gefördert, als starker Mann hinter dem Slowenen gilt jedoch der russische Affären-Funktionär Witalij Mutko. Zudem wachsen just bei Europas starken Verbänden inhaltliche Vorbehalte: wegen der WM-Aufblähung und wegen der von der Fifa angeregten Regeländerungen wie der Abschaffung des Abseits.

Die heikle Doppelfunktion von Russlands Vize-Premier

Asiens Verband AFC ist bereits offen auf Distanz zum Fifa-Boss; zuletzt fielen zwei Infantino-nahe Kandidaten fürs Fifa-Council durch. Bleibt als letzter stimmenreicher Block Afrika - und dort tobt ein erbitterter Kampf zwischen Hayatou und Ahmad. Der Amtsinhaber aus Kamerun hat seine alten Seilschaften und die Ausrichtung der nächsten Afrika-Meisterschaft als Unterpfand. Siegt Hayatou, dürften Infantino raue Zeiten bevorstehen.

Die zweite brisante Personalie ist Mutko, der prägende Sportpolitiker des nächsten WM-Gastgebers Russland. Der Vertraute von Wladimir Putin war lange Sportminister, vor einem Vierteljahr rückte er zum Vize-Premier auf. Im nationalen Staatsdopingskandal spielt er eine zentrale Rolle. Seit 2009 ist er Fifa-Vorstand, seit Ende 2015 wieder Chef des russischen Fußballverbandes, was er schon früher einmal war. Sport und Politik - das ist eine heikle Doppelfunktion. In Moskau heißt es, Infantino habe Mutko im Herbst telefonisch von einer Wiederwahl abgeraten (was bestritten wird). Jedenfalls trat Mutko an und gewann. Aber das Thema schwelt weiter.

Der frühere russische Funktionär Alischer Aminow reichte bezüglich Mutkos Doppelrolle und dem erkennbaren Interessenskonflikt schon 2016 eine Beschwerde beim Fifa-Ethikkomitee ein. Es geht um Verstöße gegen den Ethikcode sowie die Wahlstatuten von Welt- und russischem Verband. Gemäß Reglement sind Einflussnahmen durch nationale Regierungen untersagt. Das hebt die Fifa auch selbst gern hervor, wann immer es ihr genehm ist. Bisher, sagt Aminow nun der SZ, habe es auf seine Beschwerde hin keine Antwort gegeben. Das Ethikkomitee äußert sich nicht dazu. Aminow will sich damit nicht abfinden und plant den Gang an den Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne - wegen "Untätigkeit der Ethikkommission".

Doch die wahrt strikt ihre Zuständigkeiten. Und stärker als die Ethiker ist zunächst ein anderes Gremium gefragt, wenn es um Mutko geht: das Governance-Komitee. Im April will sich der Russe beim Uefa-Kongress erneut als Kandidat fürs Fifa-Council wählen lassen, im Mai würde die Bestätigung auf der Versammlung des Weltverbands folgen. Sportpolitisch stehen Mutkos Chancen bestens. Aber der Governance-Stab muss prüfen, ob er trotz Dopingreport und Doppelrolle überhaupt wieder ins Gremium aufrücken darf.

Chef dieses Komitees ist der Portugiese Miguel Maduro. Er war früher Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof und gilt als unabhängiger Kopf. Anderseits: Dürfte Mutko als prägender Funktionär des nächsten WM-Gastgebers wirklich nicht mehr im Leitgremium des Weltverbands sitzen, geriete in der globalen Sportpolitik vieles in Wanken. Insbesondere Infantino. Immer Ärger mit den Kontrolleuren.

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