Fußball in Russland:Zweifel am FC Kreml

Manipulationsvorwürfe sind im russischen Fußball keine Seltenheit. Doch der neueste Vorwurf gegen Terek Grosny ist pikant. Denn der tschetschenische Klub gilt als Hätschelkind des Kremls.

Johannes Aumüller

Die Pressekonferenz war eigentlich schon vorbei, die Spielanalyse beendet, da sagte Wladimir Kosogow noch etwas ins Mikrofon - und was der Trainer des russischen Dritttligisten Wolotschanin Ratmir von sich gab, war spannender als alle vorherigen Aussagen über das Spiel seiner Elf bei Dynamo St. Petersburg. Denn Kosogow beschuldigte die aktuellen Erstliga-Vereine Terek Grosny und Tom Tomsk, ihren Aufstieg in die höchste Spielklasse vor vier Jahren erkauft zu haben.

Fußball in Russland: Spieler und Offizielle von Terek Grosny beim Pokalsieg des Klubs im Mai 2004 - und das als Zweitligist.

Spieler und Offizielle von Terek Grosny beim Pokalsieg des Klubs im Mai 2004 - und das als Zweitligist.

(Foto: Foto: Imago)

Zu dieser Zeit arbeitete Kosogow noch bei Arsenal Tula. Vor dem Spiel zwischen dem damaligen Tabellenführer Terek und Arsenal sei "Lomaljewitsch" (damit ist der frühere Schiedsrichter und damalige Terek-Generaldirektor Lom-Ali Ibragimow gemeint) zu ihm selbst sowie dem damaligen Arsenal-Trainer Boris Stukalow gekommen und habe gesagt: "Gebt uns das Spiel, wir wollen den ersten Tabellenplatz sichern. Hier habt ihr 60.000 Dollar für die ganze Mannschaft." Nachdem Stukalow das Angebot abgelehnt habe, hätte der Gegenüber geantwortet: "Nun, dann geben wir es eben dem Schiedsrichter." Zudem erklärte Kosogow, es seien überhaupt eine ganze Reihe von Spielen manipuliert worden. Allein Tomsk habe 16 Spiele gekauft.

Doppelte Präsidenten

Manipulationsvorwürfe rund um den russischen Fußball sind keine Seltenheit. 2006 wurden wegen verschiedener Verdächtigungen mehrere Schiedsrichter aus dem Verkehr gezogen; 2007 prägte eine vermutliche Bestechung bei einer Partie in Smolensk die Diskussionen; 2008 geriet sogar das Uefa-Pokal-Halbfinale zwischen Zenit St. Petersburg und Bayern München in die Schlagzeilen. In einem von spanischen Behörden abgehörten Gespräch unter Mafia-Bossen soll der Satz gefallen sein, man habe das Spiel "für 50 Millionen" gekauft.

Doch die aktuellen Beschuldigungen haben einen pikanten Beigeschmack. Denn der tschetschenische Klub Terek Grosny gilt als das Hätschelkind der russischen Politik und muss sich Bezeichnungen wie "Retortenklub" oder "FC Kreml" gefallen lassen. Der Hintergrund: Der Kreml soll Grosnys Aufstieg forciert haben, damit der Klub dazu beiträgt, in der umkämpften Region den Anschein von Ruhe und Normalität zu verbreiten. Der Moskau-treue Achmat Kadyrow war bis zu seinem Tod 2005 Präsident des Klubs und Präsident Tschetscheniens, danach übernahm sein Sohn Ramsan beide Ämter. 2004 wurde Terek noch als Zweitligist russischer Pokalsieger und stieg mit großem Vorsprung in die erste Liga auf - mit einem kolportierten Saisonbudget von 30 Millionen Dollar. Nur ein Jahr später stieg die Mannschaft ab, schaffte aber nach der Saison 2007 wieder den Sprung ins Fußball-Oberhaus. Seit der laufenden Saison darf der Klub seine Heimspiele wieder in Grosny austragen, vorher hatte er in andere Städte außerhalb Tschetscheniens ausweichen müssen.

Alle beschuldigten Personen und Vereine bestreiten die Vorwürfe. Der russische Verband will nach Angaben eines Pressesprechers eine Untersuchungskommission einsetzen und forderte Kosogow auf, konkrete Beweise vorzulegen.

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