Fußball in Russland:Rassismus? Bei uns?

Fußball in Russland: Fans von ZSKA-Moskau bei einem Ligaspiel im Eduard-Strelzow-Stadion in Moskau

Fans von ZSKA-Moskau bei einem Ligaspiel im Eduard-Strelzow-Stadion in Moskau

(Foto: imago sportfotodienst)

Bananen gegen dunkelhäutige Spieler, rassistische Gesänge und Banner: In Russland, wo der FC Bayern heute in der Champions League antritt, sind Rechtsradikale sehr aktiv. Die Politiker schauen weg, die Klubs finden absurde Ausreden.

Von Johannes Aumüller, Moskau

Das Banner war nur schwer zu übersehen. Vier weiße Bahnen lang und beschrieben mit griechischen Buchstaben - so hing es am vergangenen Wochenende beim Moskauer Stadt-Derby zwischen ZSKA und Spartak (1:0) im Block der Gastgeber. "Ihr seid für immer in unseren Herzen", hatten ein paar Anhänger des Armee-Klubs darauf gepinselt.

Doch was so unverfänglich klang, war in Wahrheit das letzte schriftliche Geleit für zwei Mitglieder der neofaschistischen griechischen Partei "Goldene Morgenröte", die Anfang November ermordet worden waren. Ein kleiner Gruß unter Gleichgesinnten.

Das Banner war der vorerst letzte Beleg, wie tief das Rechtsradikalismus-Problem in Russlands Fußballstadien verankert ist. Seit Jahren prangern Organisationen wie "Football against racism in Europe" (Fare) die Zustände an. Schon des Öfteren wurden dunkelhäutige Spieler mit Bananen beworfen; rechtsradikale Gesänge sind in den Kurven nicht selten, und einmal entrollte ein Fanklub von Spartak Moskau zum Geburtstag von Adolf Hitler ein Plakat mit der Aufschrift "Herzlichen Glückwunsch, Opa".

Drei Fälle in vier Wochen

Allein in den vergangenen gut vier Wochen gab es drei größere Fälle. Zunächst wurde Manchester Citys Mittelfeldspieler Yaya Touré während des Champions-League-Spiels bei ZSKA rassistisch beleidigt, weswegen die Uefa entschied, dass bei der Partie der Moskauer an diesem Mittwoch (18 Uhr) gegen den FC Bayern ein Tribünensektor in der Arena Chimki leer bleiben muss.

Als es Ende Oktober beim Pokalspiel zwischen Jaroslawl und Spartak Moskau zu heftigen Ausschreitungen kam, war im Gästeblock auch eine riesengroße Hakenkreuz-Fahne zu sehen. Und jetzt also die öffentlichen Beileidsbekundungen für griechische Neofaschisten.

Nun sind Rassismus und Rechtsradikalismus im Fußball nicht nur in Russland, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas ein Problem. Doch neben der Vielzahl der Fälle ist es vor allem der Umgang mit den Vorfällen, der Experten fassungslos macht - beziehungsweise der Nicht-Umgang.

Auftrag zum Verprügeln

Alleine die Feststellung, dass es diesbezüglich ein Problem gibt, ist schon selten. "Die Beobachter haben bisher noch nicht gelernt, in diesen Vorgängen etwas Verwerfliches zu sehen", konstatierte die Wochenzeitung Futbol - obwohl sich die insgesamt aggressive Stimmung in den Kurven längst in sinkenden Zuschauerzahlen niederschlägt und das Image des Gastgebers der WM 2018 immens schlecht ist. City-Profi Yaya Touré hatte nach den Beleidigungen gegen ihn sogar einen Boykott dieses Turniers ins Spiel gebracht.

Doch die Politik schaut weitgehend weg. Nach Recherchen der Nowaja Gazeta gab es sogar schon Fälle, in denen Fußball-Hooligans beauftragt wurden, Oppositionelle zu verprügeln. Für viele ist die Stimmung in den Stadien ohnehin nur eine Spiegelung der Gesellschaft, wo es ebenfalls zu zahlreichen fremdenfeindlichen Übergriffen kommt. Die Vertreter des Fußballs sind meist auf der Suche nach Ausflüchten.

Nach den Beleidigungen gegen Yaya Touré lautete die These von ZSKA-Sportchef Roman Babajew, dass die englische Presse den Fall so aufbausche, weil sie es immer noch nicht verwunden habe, dass nicht England, sondern Russland die WM 2018 erhielt. Klubboss Jewgeni Giner reimte es sich so zurecht: Der rumänische Schiedsrichter habe den Vorfall nur notiert, weil dessen Land immer noch sauer sei, dass Moskau zu Sowjetzeiten in Rumänien den Diktator Ceausescu gestützt habe.

Ähnlich war es auch nach den jüngsten Vorfällen. Zwar gab es nach dem Spiel Jaroslawl gegen Spartak Moskau wegen der Randale für beide Vereine Stadionsperren und für einen Fan wegen der Hakenkreuz-Flagge sieben Tage Administrativarrest; doch anstatt sich das Grundproblem in der Kurve einzugestehen, entschied sich Spartaks Klubchef Leonid Fedun lieber dafür, diesen Fan auf 15 Millionen Rubel Schadenersatz zu verklagen (umgerechnet gut 300.000 Euro).

Und nach der Aufregung um das faschistenfreundliche Banner im Derby beeilte sich der ZSKA-Fanbeauftragte Iwan Uljanow zu erklären: Es gebe kein Problem. Das Banner sei vorher geprüft und von den zuständigen Stellen genehmigt worden.

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