Fußball in Russland:Endlich wieder zu Hause - nach 14 Jahren

Der tschetschenische Klub Terek Grosny spielt seit vielen Jahren Profi-Fußball. Doch ans letzte Heimspiel in der Hauptstadt der Krisenregion kann sich kaum noch jemand erinnern. Am Freitag ist die Leidenszeit zu Ende.

Johannes Aumüller

Beim tschetschenischen Fußballklub Terek Grosny hat derzeit nur einer schlechte Laune. Der Schatzmeister ärgert sich, dass das Heimspiel seiner Mannschaft gegen Krylja Sowjetow keinen einzigen Rubel in seine Kassen spült. Ramsan Kadyrow, Präsident Tschetscheniens und im Nebenjob auch Präsident von Terek Grosny, höchstselbst hat verfügt, dass beim Saisonauftakt der russischen Premjer-Liga vor voraussichtlich 10.200 Zuschauern der Eintritt frei sein muss.

terek grosny afp

Der kickende Präsident: Ramsan Kadyrow bei einem Hobby-Spielchen im Stadion von Grosny.

(Foto: Foto: AFP)

In den folgenden 14 Heimbegegnungen der diesjährigen Saison wird Kadyrow nicht so spendabel sein. Aber dass er seine Freude über das Heimspiel am Freitagabend möglichst lauthals mitteilen möchte, ist verständlich - schließlich ist das Match gegen Krylja Sowjetow Samara (zu Sowjetzeiten Kujbyschew) das erste echte Heimspiel seines Vereins seit rund 14 Jahren. Natürlich wies der Spielplan zu Erst- wie zu Zweitligazeiten formal Heimpartien aus. Aber aufgrund der Situation in Tschetschenien hat Terek in den vergangenen sieben Jahren zunächst in Tscherkessk gespielt, dann in Lermontow, dann in Pjatigorsk und im vergangenen Jahr wieder in Lermontow - aber nie in Grosny.

"Wir haben auch ein Recht auf Heimspiele", hieß es von Terek-Seite aus immer wieder - und mit dieser Saison ist das auch so, was aber zu Konflikten führt. Zwar hat sich die Situation in der Krisenregion verbessert, doch befriedet ist sie noch lange nicht. Deshalb schmeckt es den Moskauer und den anderen russischen Vereinen mit Blick auf ihre Spieler und ihre Fans wenig, dorthin zum Auswärtsspiel reisen zu müssen. Teilweise haben sie Angst, teilweise denken sie an den niedrigen Komfort. Genüsslich griff man die Aussage eines Offiziellen auf, dass es in dem am Stadion gelegenen Hotel überhaupt kein Restaurant gebe. Doch die ansonsten so redseligen russischen Fußball-Funktionäre blieben insgesamt erstaunlich ruhig, niemand wollte mit einem Verbalangriff auf Terek auffallen.

Lange hofften sie, dass das im Krieg zerstörte und nun wieder errichtete Bilimchanow-Stadion schlicht keine Lizenz erhalten würde, doch eineinhalb Wochen vor dem Saisonstart gab die Stadionlizenzvergabekommission der Tereker Heimstätte ihren Segen. "Terek hat alle Bedingungen und Forderungen erfüllt", sagte Verbandschef Witalij Mutko. Nun sind viele gegnerische Teams unzufrieden, offiziell äußern sie sich aber nur dahingehend, dass es "interessant" werde, in Grosny anzutreten.

Endlich wieder zu Hause - nach 14 Jahren

Die Zurückhaltung hat einen einfachen Grund: Terek Grosny ist nicht irgendein Klub, sondern der Lieblingsklub des Kreml. Die jüngere Geschichte des bereits 1958 gegründeten Vereins ist eng verknüpft mit der politischen Ebene. Moskau und der Moskau-treue frühere Präsident Achmat Kadyrow (bis 2004) wollten seit 2001 demonstrieren, dass in Tschetschenien wieder ein ruhiges und normales Leben möglich sei. Und zu einem ruhigen und normalen Leben gehört eine gute Fußball-Mannschaft. Das hat sich bis heute nicht geändert. Auch der jetzige tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow erklärte: "Terek spielt eine wichtige Rolle bei unserem Vorhaben, die guten Lebensbedingungen bei uns zu zeigen."

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(Foto: Grafik: SZ)

Immer wieder hieß es, die politische Führung hätte die Mannschaft mit enormen Summen unterstützt. Zeitweise war von bis zu 30 Millionen Dollar jährlich die Rede. Ob diese Summe nun stimmte oder etwas darunter lag: In der Tat ist die tschetschenische Republik auch der Hauptsponsor der Mannschaft - was in Russland aber nichts Besonderes ist. Auch andere Mannschaften, wie zum Beispiel Lutsch-Energija Wladiwostok, haben ihre politische Administration als Geldgeber. Zudem empfing der nicht gerade als Fußball-Freund bekannte Wladimir Putin die Spieler von Terek im Kreml. Einen solchen Empfang erhielt bisher nur eine russische Mannschaft: ZSKA Moskau, als es 2004 den Uefa-Pokal gewann.

Mit so viel finanzieller Unterstützung stieg der Verein von 2001 bis 2004 bis in die erste Liga auf, sicherte sich 2004 den nationalen Pokalwettbewerb und spielte deshalb sogar im Uefa-Pokal. Dass danach der Absturz in die Zweitklassigkeit folgte, schockte damals viele Fans. Heute sind die Schmerzen vergessen. Dass der Gegner zum Saisonauftakt Krylja Sowjetow heißt, freut die Fans in Grosny besonders. An diesen Gegner haben sie gute Erinnerungen, denn gegen Krylja siegte ihre Mannschaft damals, als sie 2004 den nationalen Pokal gewann. Nun hoffen die Grosny-Anhänger, dass sich der Erfolg wiederholt. Damit dem Sieg im Kampf um die Heimspielstätte auch ein Sieg auf dem grünen Rasen folgt.

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