Fußball in Italien:Schiedsrichter kauft Bari

FC Internazionale Milano v AC Milan  - Serie A

Ex-Schiedsrichter Gianluca Paparesta auf einem Archivbild im Jahr 2012

(Foto: Getty Images)

Juventus Turin ist in der italienischen Liga souverän Meister, die Musik in der Fußballoper aber spielt in Apulien. Dort wird ein Traditionsklub auf kuriose Weise gerettet, dem eigentlich schon der Untergang drohte.

Von Birgit Schönau, Rom

Es klingt wie ein Märchen, ach was, wie ein Witz, diese verrückte Geschichte von einem Zweitligaklub in der süditalienischen Provinz, dem erst der Abstieg droht, dann die Pleite, und der nun offenbar in buchstäblich letzter Minute gerettet wird - und vielleicht sogar noch belohnt mit dem Aufstieg in die Serie A.

Und doch ist alles ebenso atemberaubend und unwahrscheinlich wie wahr: Die Associazione Calcio Bari wird unter dem Namen Football Club Bari 1908 weiterleben, weil sie am Dienstag, dem dritten und letzten Versteigerungstermin, für 4,8 Millionen Euro von Gianluca Paparesta übernommen wurde. Der Doktor der Betriebswirtschaft arbeitet seit fünf Jahren in der linken Stadtverwaltung von Bari als "Dezernent für Süditalien und internationale Beziehungen". Hochtrabend könnte man sagen: Paparesta, 45, ist der Außenminister einer Stadt mit 300 000 Einwohnern.

Bekannt aber wurde der smarte Apulier als Schiedsrichter. 135 Mal kam Paparesta als Spielleiter in der Serie A zum Einsatz, er galt als tüchtig, aber auch als arrogant. Luciano Moggi, der frühere Generaldirektor von Juventus Turin, brüstete sich einmal damit, den Schnösel Paparesta nach einem Spiel fest in dessen Kabine eingeschlossen zu haben, um ihn für seine elende Pfeiferei zu strafen. Der Schiedsrichter geriet so in den Ruch des großen Manipulationsskandals um Moggi und Juventus, jedoch: Man konnte Paparesta nichts nachweisen.

Am Montag kamen plötzlich 35 181 Zuschauer zum Spiel

Bari ist das sowieso egal, für Bari ist Paparesta ein Held. "Einer von uns", wie die Tifosi singen. Zwei Mal bereits war er angetreten, den Klub zu erwerben, beide Male wies ihn das Gericht ab, weil er die nötige Kaution nicht hinterlegen konnte. Konkurrenten hatte Paparesta nicht, niemand schien für den AC Bari die anfangs geforderten zwei Millionen Euro hinblättern zu wollen. Niemand, außer den Fans. Dass Bari ausgerechnet in der schwärzesten Stunde Anhänger auf die Beine brachte wie nie zuvor, ist vielleicht das Märchenhafteste in dieser Fußballfabel.

Aber der Reihe nach. Im Februar meldete der Klub die Insolvenz an, nach 37 Jahren im Besitz der Familie Matarrese, die nicht nur im Verein, sondern auch in der Stadt alles bis auf das Wetter bestimmte. Ein italienischer Fußballclan wie aus dem Bilderbuch, bestückt mit Funktionären und Politikern, tief katholisch und natürlich christdemokratisch.

Dass sich die Zeiten auch in Süditalien ändern, konnten die Matarrese bereits ahnen, als in Apulien ein Regionalpräsident an die Macht kam, der zwar mindestens so katholisch ist wie sie, dazu aber Kommunist und Homosexuellen-Aktivist. 2005 gewann Nichi Vendola zum ersten Mal die Wahlen, inzwischen bestreitet er schon seine zweite Amtszeit.

Amateure lauerten bereits

Mit Apulien geht es seither leicht bergauf, mit dem Fußballklub von Bari ging es steil bergab. Abstieg in die zweite Liga, Wettbetrugsskandale - am Ende versanken die Matarrese in Schimpf und Schande. Die Spiele von Bari fanden zuletzt quasi ohne Publikum statt, die 936 Unverdrossenen beim Heimspiel gegen Modena bedeuteten Negativrekord in der Serie B. Versehen mit vier Strafpunkten aus dem letzten Wettskandal dümpelte Bari auf einem Abstiegsplatz - und hinter der Serie C lauerten schon Pleite und Amateurliga.

Doch mit dem Abgang der Matarrese meldeten sich die Fans zurück. Plötzlich füllte sich das von Stararchitekt Renzo Piano gestaltete Stadio San Nicola wieder, zu den Auswärtsspielen setzten wahre Völkerwanderungen enthusiastischer Apulier ein. Unter dem Motto "Kauft Bari!" eroberten zuerst die Spieler, dann Abertausende von Fans das Internet, angeführt wurde die Initiative unter anderen von einem in Italien berühmten Pornostar (männlich).

Der Pleiteklub aus der Provinz wurde fast so hip wie Rekordmeister Juventus Turin, der unter der Fuchtel des Apuliers Antonio Conte gerade mit 102 Punkten den dritten Meistertitel in Serie holte. Pflichtschuldig trug man auch diesen neuen Rekord in die Annalen ein, die Musik der großen Fußballoper aber spielte plötzlich in Bari.

Das Match gegen Avellino sahen schon 15 000, gegen Empoli kamen 19 000, und als am Montagabend in Bari AS Cittadella antrat, geschah das vor 35 181 zahlenden Zuschauern, darunter genau ein offizieller Fan der Gäste. Bari gewann 1:0, wie es überhaupt jetzt alles gewinnt, und sicherte sich am drittletzten Spieltag Platz sechs und so die Teilnahme am Playoff für die Serie A.

Allerdings fehlt zum Happy End ein Detail: Warum sagt Paparesta nicht, wer seine Sponsoren sind? "Ihr werdet es früh genug erfahren, bei der Vertragsunterzeichnung beim Notar", sprach er sibyllinisch. Zuvor hatte der Ex-Schiedsrichter erklärt, hinter ihm ständen indische Investoren, dann war plötzlich von Iren die Rede.

Ob Inder oder Iren, kaum ist die große Klippe genommen, da melden sich die Skeptiker zu Wort. Paparesta, der ein paar Monate als Generaldirektor im Klub der Matarrese fungierte, bevor er sich sehr offiziell mit ihnen überwarf, sei in Wirklichkeit nur ein Strohmann in einem betrügerischen Bankrott der alten Seilschaft.

Die Optimisten vermuten hinter dem Schiedsrichter lieber Antonio Cassano, 31, Baris größtes Talent, das nach wechselhafter Karriere beim FC Parma spielt und wohl wieder mit zur WM darf. Fünf Millionen wären für Cassano, der einmal sagte, wenn er nicht Fußballer geworden wäre, so hätte er eine Karriere als Dieb gestartet, tatsächlich eine Kleinigkeit, um in diesem Märchen als Frosch zu erscheinen. Oder besser: als Prinz.

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