Fußball in Frankreich:Blonde bevorzugt

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Schwarz wie Lilian Thuram, "beur" wie Zinédine Zidane, weiß wie Laurent Blanc - das war einmal. Ein Rassismus-Skandal erschüttert Frankreichs Fußball, im Mittelpunkt steht der Nationaltrainer selbst.

Stefan Ulrich, Paris

Eigentlich geht es nur um Fußball, doch was heißt schon "nur" Fußball. Dieser Sport muss auch in Frankreich zu vielem dienen, als Integrationsmaschine etwa oder als Spiegel der Gesellschaft. Im WM-Sommer 1998 gelang es der siegreichen Nationalmannschaft sogar, die Landesflagge umzufärben. Aus Bleu-Blanc-Rouge wurde in den Rufen der Fans Black-Blanc-Beur.

Einst überaus erfolgreich mit der französischen Nationalelf: Laurent Blanc und Zinedine Zidane. (Foto: AP)

Schwarz wie Lilian Thuram, weiß wie Laurent Blanc, beur (arabisch, braun) wie Zinédine Zidane. Das Farbenspiel brachte zum Ausdruck: Frankreich sieht sich nicht als Bluts-, sondern als Wertenation aus Menschen verschiedener Herkunft, die im Fußball ihren Teamgeist offenbaren.

Nun, 13 Jahre später, wirkt das passé. Das Land wird von einem Skandal heimgesucht, in dem es um Quoten für dunkelhäutige Spieler geht. Von Rassismus ist die Rede. Der nationale Fußballverband FFF hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, die Regierung, womöglich aus Misstrauen, eine weitere. Diesen Freitag soll Laurent Blanc aussagen. Er ist heute Nationaltrainer und steht im Zentrum der Affäre. Frankreich muss sich fragen, ob der Fußball erneut als Spiegel wirkt - für eine Gesellschaft, die in Gruppen zerfällt und sich ihrer Identität nicht mehr sicher ist.

Die Affäre geht auf ein Treffen von Trainern und Funktionären des FFF im November 2010 zurück. Zur Sprache kam, dass viele junge Fußballer afrikanischer Herkunft, die der Verband kostspielig ausbilden lässt, Doppelstaatsbürger sind. Etliche von ihnen entscheiden sich später, nicht für Frankreich zu spielen, sondern für Algerien, Mali oder Senegal.

Die Runde erwog daher, eine Höchstquote von 30 Prozent für Jugendliche mit doppelter Staatsbürgerschaft an den Ausbildungszentren einzuführen - natürlich ohne dies öffentlich zuzugeben. Der Verband könne bei der Auswahl ja mehr auf Technik als auf Kraft achten, hieß es.

Nationaltrainer Blanc schwadronierte, man bilde derzeit meist große, robuste, kräftige Spieler aus. "Wer sind die Großen, Robusten, Kräftigen? Die Schwarzen." Er glaube, dass sich der Verband bei Jugendlichen neu ausrichten müsse, an Kriterien, die mehr "unserer eigenen Kultur" entsprächen. Die Spanier hätten ihm gesagt: "Wir haben keine Probleme. Wir haben keine Schwarzen." Ein Teilnehmer schnitt die Diskussion mit. Er will sofort die Verbandsspitze informiert haben.

Bekannt wurde alles jedoch erst dieser Tage, als die Internetzeitung Mediapart die Gespräche veröffentlichte. Blanc entschuldigte sich daraufhin. Auch Kritiker halten ihm zugute, er sei kein Rassist. Sein Ex-Teamkollege Thuram ist dennoch entsetzt: "Was bedeutet das, Rassist sein? Manchmal machen wir rassistische Vorschläge, ohne es zu bemerken."

Die Affäre erregt so viel Aufsehen, weil Frankreich ohnehin verunsichert ist. Eine Identitätsdebatte, von der Regierung organisiert, ging gründlich schief. Der rechtsextreme Front National punktet mit Parolen gegen Europa und Einwanderer. Präsident Nicolas Sarkozy möchte eingebürgerten Franzosen bei bestimmten Verbrechen die Staatsbürgerschaft wieder entziehen - was Ursprungsfranzosen nicht zu fürchten hätten. Die Quotendebatte passt in dieses Bild.

Kommende Woche werden die Vermittler des Verbands und des Sportministeriums ihre Ergebnisse vorlegen. Dann dürfte sich erweisen, ob Trainer Blanc noch zu halten ist. Sportministerin Chantal Jouanno befürchtet: "Wie immer die Untersuchungen ausgehen, der Sport verliert, der Fußball verliert."

© SZ vom 06.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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