Fußball in England:Klopp genießt das Spektakel

Liverpool v Arsenal - Barclays Premier League

Regen, Jubel, Gefühle: Jürgen Klopp gefällt es in Liverpool.

(Foto: REUTERS)
  • Beim 3:3 zwischen Liverpool und Arsenal rumpeln die Abwehrreihen - doch es gibt auch echte Fußball-Delikatessen.
  • Jürgen Klopp genießt das Spektakel, Arsenal-Trainer Arsène Wenger muss ihn bremsen.

Von Jonas Beckenkamp

Ist der Fußballgott Brite?

Noch ist nicht abschließend geklärt, ob der Fußballgott oben im Himmel ein uriger Bayer in Lederhosen ist, ob er Kölner ist oder vielleicht doch Brite. Es lässt sich aber sagen, dass sich seit diesem Wahnsinnsabend am Mittwoch am Mersey River die Hinweise für letztere These verdichten. Die Stadt Liverpool hat ja so manchen Irrsinn in Sachen Fußball erlebt und wer einmal im Stadion an der Anfield Road ein Spiel besucht hat, dem schlottern vielleicht heute noch die Knie - doch ein solches Schmankerl wie beim 3:3 (2:2) zwischen den "Reds" und dem FC Arsenal hat es lange nicht mehr gegeben.

Zwischen Jürgen Klopps Team und den Londonern entspann sich eine Schlacht, die so selbst im Hochleistungsbetrieb der Premier League selten vorkommt. Hochklassig ging es dabei nicht immer zu, hier und da rumpelten die Abwehrreihen gewaltig - kein Wunder bei dem aberwitzigen Tempo, das beide Mannschaften vorführten. Trotzdem manifestierte sich ein extremer Unterhaltungswert. Es war ein Fußball-Gerangel wie das Leben: Unvorhersehbar, voller Überraschungen, prallgefüllt mit Fehlern und Delikatessen. Oder wie ein sichtlich mitgenommener Klopp hinterher sagte: "Ein spektakuläres Spiel."

Zweimal hatte seine Elf schon in der ersten Hälfte geführt, zweimal waren die Gäste zurückgekommen, ehe nach der Pause sogar das 3:2 für Arsenal fiel und damit weiteres Ungemach für Klopp drohte. Liverpool-Fußball bedeutet derzeit immer auch: Vieles ist möglich, von Angriffshemmung bis zum Torfest. Dass die Sache diesmal Richtung Schnappatmung kippte, lag am Last-Minute-Ausgleich durch Joe Allen.

Warum Klopp zufrieden ist

Noch immer wundert sich Klopp über die fehlende Konstanz seiner Männer, aber diesmal wollte er sich den Spaß an diesem Spiel nicht nehmen lassen. "Wir haben 60 bis 70 Prozent der Partie richtig gut gespielt und brauchten am Ende ein wenig Glück. Dennoch haben wir verdient den Ausgleich erzielt." Dazu trug auch Klopp selbst bei, als er in der 82. Minute jenen umjubelten Ausgleichsschützen Allen einwechselte. "Er hat es richtig verdient", sagte der 48-jährige Coach, der nicht nur die finale Pointe dieses epischen Hin und Hers mit einem Jubelsturmlauf Richtung Irische See zelebrierte.

England durfte dabei zusehen, wie "The Normal One" ganz bei sich war: Er packte die Säge aus, ließ sich vom Sauwetter vollregnen und knuddelte nach Abpfiff jeden, der ihm unter seinen nassen Mantel kam. "Am Ende schien es so, als regne es in Anfield durch jedes kleine Wurmloch herein", beobachtete die Zeitung Daily Mail mit feinem Augenzwinkern, "auf die Baustelle der Haupttribüne plätscherten Regenmassen nieder, vielleicht auch als Zeichen der Solidarität mit den beiden durchlässigen Abwehrreihen."

Klopp waren die Schläfrigkeiten seiner Leute bei den Gegentreffern durch Aaron Ramsey (14. Minute) und zweimal Olivier Giroud (25., 55.) so egal wie seine Begossener-Pudel-Frisur - ihn interessierte auch nicht, dass sein FC Liverpool in der Tabelle der Premier League auf Rang neun zurückpurzelte. "Ein Zähler gegen Arsenal ist okay", erklärte er glückserfüllt.

Die Geschichte vom ewigen Pressing

Wieder einmal zeigte sich, dass seine Art des Fußballs, das ewige Pressen und Anrennen gegen offensiv ausgerichtete Teams wesentlich besser funktioniert als gegen passive Spielverderber aus unteren Regionen. In Duellen gegen Englands Spitzenklubs ist Klopp mit Liverpool weiterhin ungeschlagen. Dass diese Serie hielt, hat auch mit einem ehemaligen Bundesliga-Profi zu zun.

Warum Firmino zum Held wird

Doppel-Torschütze Robert Firmino (10., 19.), zu Saisonbeginn für obszöne 41 Millionen Euro aus Hoffenheim gekommen, hatte die "Reds" zweimal in Führung geschossen, er feierte damit nach langer Anlaufphase seine Housewarming-Party in Anfield. "Firmino ist endlich angekommen", schrieb auch der Daily Mirror. "Beide Tore waren brillant", sagte Klopp über den Brasilianer. "Besonders der zweite Treffer. Er hat über die gesamte Spieldauer richtig gut gespielt." In der Tat war allein dieses Gemälde von einem Winkelschuss schon das Ausharren in der Regen-Apokalypse wert.

Arsenal-Trainer Arsène Wenger musste Klopp zwischenzeitlich gar davor bewahren, vor lauter Mitfieberei auf der Tribüne zu landen. "Nach etwa einer halben Stunde gab es eine Debatte am Spielfeldrand", sagte der Franzose, "nichts Weltbewegendes, aber ich meinte nur: 'Beruhig' dich mal, sonst schickt dich der Schiedsrichter auf die Ränge." Trotz aller Schmunzeleien und Nettigkeiten ärgerte sich der Arsenal-Coach über den späten Ausgleich.

Die "Gunners", bei denen Mesut Özil diesmal kaum zu sehen war, stehen zwar weiter auf Platz eins, sind aber nun punktgleich mit Leicester City, dessen 1:0 in Tottenham der Deutsche Robert Huth mit einem eisernen Kopfball sicherstellte. "Ich bin sehr enttäuscht", meinte Wenger. "Nach dem 3:2 hätten wir das 4:2 machen müssen. Aber Liverpool hat gekämpft bis zum Ende." Vielleicht, so ließe sich zusammenfassend sagen, ist der Fußballgott schlichtweg ein Liverpooler.

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