Fußball in der DDR:Der Letzte wird ein Star im Westen

Mit dem Mauerfall brach der ostdeutsche Klubfußball zusammen, weil es viele Spieler zu den lukrativeren Westvereinen zog - darunter auch den letzten DDR-Torschützen. Danach ging die Nationalmannschaft im Deutschen Fußball-Bund auf. Diese Vereine, Spieler und Ereignisse hatten bis dahin den Fußball des sozialistischen Landes geprägt.

Martin Anetzberger

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Mit dem Mauerfall brach der ostdeutsche Klubfußball zusammen, weil es viele Spieler zu den lukrativeren Westvereinen zog - darunter auch den letzten DDR-Torschützen. Danach ging die Nationalmannschaft im Deutschen Fußball-Bund auf. Doch welche Vereine, Spieler und Ereignisse hatten bis dahin den Fußball des sozialistischen Landes geprägt?

Eine Auswahl in Bildern von Martin Anetzberger

Als das Nachbarland Bundesrepublik 1954 das Wunder von Bern schaffte und im Finale gegen Ungarn den ersten deutschen Weltmeistertitel holte, fehlte es dem Fußball in der DDR noch an Qualität.

Das erste Länderspiel, einen Test gegen Rumänien, gewann die Mannschaft erst 1955. Willy Tröger schoss beim 3:2-Sieg zwei Tore. Tröger war kurz vor Kriegsende noch eingezogen worden und verlor bei einer Granatenexplosion die rechte Hand. Bis dahin war der gebürtige Zwickauer Torwart gewesen. Ohne die schwere Verletzung wäre er jedoch wahrscheinlich nicht zum Helden des ersten Qualifikationsspiels für die WM 1958 geworden. Er traf beim überraschenden 2:1 gegen Wales im Jahr 1957. Qualifizieren konnte sich die Auswahl trotzdem nicht. Tröger erzielte in 15 Länderspielen elf Tore. Bei seinem Verein BSG Wismut Aue (heute FC Erzgebirge Aue) schoss er in 224 Oberliga-Spielen 105 Tore. Dieser Rekord hat beim sächsischen Klub noch heute Bestand.

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Austragungsort der Qualifikationsspiele war das Leipziger Zentralstadion (im Bild eine Aufnahme von der Abschlussfeier des Turn- und Sportfestes 1977). Es wurde 1956 eröffnet und stand symbolisch für die "Aufwärtsentwickling von Körperkultur und Sport", die die Staatsführung in einer Direktive vom 13. Juli 1954 verordnet hatte. Das Stadion war bis zu seinem Neubau an gleicher Stelle im Jahr 2000 das größte Stadion Europas.

60 Jahre Deutschland - Fußball-WM 1974: Sparwassers 1:0

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Schauplatz für das berühmteste Tor eines DDR-Nationalspielers war jedoch das Volksparkstadion in Hamburg. Dort machte Jürgen Sparwasser im Gruppenspiel der WM 1974 mit seinem Tor den Sieg gegen die BRD perfekt. Die WM-Chronik des Sportverlages der DDR beschrieb die Freude des Stürmers nach dem Tor wie folgt: "Der Magdeburger läuft eine Kurve des Jubels, wird von seinen Kameraden eingeholt, umarmt, und am Boden bilden sich Knäuel der Freude". Die Mannschaft von Trainer Georg Buschner schied trotzdem aus, die BRD wurde unter Helmut Schön zum zweiten Mal Weltmeister.

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Sparwassers blaues Trikot mit der Nummer 14 bekam erst lange nach dem Fall der Mauer einen Platz im Haus der Geschichte in Bonn. Mit in der Vitrine hängt eine Ausgabe der Bild am Sonntag, die mit mahnenden Worten für den BRD-Trainer titelte.

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Rekordtorschütze der DDR war Sparwasser jedoch nicht. Dier Titel gebührt Joachim Streich - und das gleich zweifach. In der Oberliga spielte er zwischen 1969 und 1985 für den FC Hansa Rostock und den 1. FC Magdeburg, erzielte dabei 229 Tore. In der Nationalmannschaft, für die er 102 Mal auflief (ebenfalls Rekord), traf er 55 Mal. Nur Gerd Müller (68) und Miroslav Klose (64) haben mehr Tore geschossen.

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Einen Titel holte sich die DDR-Auswahl in ihrer knapp 40-jährigen Geschichte aber doch: Sie gewann das Turnier bei den Olympischen Sommerspielen in Montréal. Im Finale bezwangen Lothar Kurbjuweit (ganz links) und Hans-Jürgen "Dixie" Dörner das polnische Team 3:1. Früher im Wettbewerb hatte die DDR Frankreich und die Sowjetunion bezwungen.

Schon bei den Spielen in München hatte die DDR nach einem 3:2-Sieg gegen die BRD das Spiel um Platz drei erreicht. Dort traf die Mannschaft auf das sozialistische Mutterland Sowjetunion. Beim Stand von 2:2 stellten beide Mannschaften die Angriffsbemühungen ein. Da ein Elfmeterschießen nicht vorgesehen war, gewannen beide Länder die Bronzemedaille. Die Zuschauer quittierten das mit gellenden Pfiffen.

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Auch die Vereine der DDR blieben international hinter den Erfolgen der Klubs aus der BRD zurück. Nur der 1. FC Magedburg konnte 1974 den Europapokal der Pokalsieger gewinnen. Im Bild jubeln Jürgen Sparwasser (links) und Manfred Zapf nach ... 

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... dem 2:0-Sieg im Finale am 8. Mai gegen den AC Mailand, in dem sich Sparwasser im Stadion "de Kuip" von Rotterdam mit Aldo Maldera duelliert. Für den wichtigeren Pokal der Landesmeister - die heutige Champions League - reichte es jedoch nicht.

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Nur wenige Monate später, am 6. November 1974, trafen die Magdeburger in diesem Wettbewerb auf den FC Bayern. Das Team um Kapitän Franz Beckenbauer siegte in Magdeburg 2:1 und zog nach dem 3:2 im Hinspiel in die nächste Runde ein. Die Münchner gewannen auch den Wettbewerb und schafften die Titelverteidigung.

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Der Europapokal der Pokalsieger blieb der erfolgreichere Wettbewerb für die Klubs aus dem Osten. Der FC Carl Zeiss Jena spielte sich 1981 mit Gerhard Hoppe (am Ball) und Lothar Kurbjuweit (hinten) bis ins Finale. Das verlor die Mannschaft von Trainer Hans Meyer in Düsseldorf gegen Dynamo Tiflis 1:2.

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Ein paar Jahre später erging es dem 1. FC Lokomotive Leipzig ähnlich. Das Halbfinale gewannen die Sachsen dank des entscheidenden Elfmeters von Torwart René Müller gegen Girondins de Bordeaux. Im Endspiel am 13. Mai 1987 war der ...

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... holländische Vertreter Ajax Amsterdam jedoch zu stark für Heiko Scholz (Bildmitte im gelben Dress) und Olaf Marschall (rechts). Ajax gewann im Athener Olympiastadion 1:0. Marschall ging später in die Bundesliga und wurde mit dem 1. FC Kaiserslautern 1998 deutscher Meister.

FUSSBALL: UEFA POKAL 85/86/BAYER UERDINGEN

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Eines der berühmtesten deutsch-deutschen Duelle im Europapokal lieferten sich Dynamo Dresden und Bayer 05 Uerdingen. Das Fußballmagazin 11 Freude kürte das "Wunder von der Grotenburg"  gar zum "größten Fußballspiel des Jahrhunderts". Uerdingen hatte das Viertelfinal-Hinspiel im Europapokal der Pokalsieger bei Dynamo Dresden 0:2 verloren. Im Rückspiel lief es in der ersten Halbzeit erneut richtig gut für die Sachsen, sie führten 3:1. Erst in der 58. Minute leitete Wolfgang Funkel (im Bild beim Kopfball) die Aufholjagd ein, 20 Minuten später stand es nach Treffern von Lárus Guðmundsson, Wolfgang Schäfer und Dietmar Klinger 5:3, am Ende gewann Uerdingen 7:3 und schaffte den Sprung ins Halbfinale.

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In der DDR-Oberliga gehörte Dynamo Dresden mit insgesamt acht Meistertiteln zu den erfolgreichsten Mannschaften. In den frühen Jahren hatte der FC Vorwärts Berlin mit insgesamt sechs Titeln die höchste Spielklasse dominiert. In den siebziger Jahren machten meist Dresden und der 1. FC Magdeburg die Meisterschaft unter sich aus (im Bild das Duell vom 6. Mai 1978).

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Diese Dominanz durchbrach erst der BFC Dynamo 1979. Der Berliner Verein wurde von der Stasi gefördert und ihrem Vorsitzenden Erich Mielke offen unterstützt. Der Vorzeigeklub gewann bis 1988 zehnmal hintereinander die Meisterschaft, wobei auch Spielmanipulationen der Schiedsrichter geholfen haben sollen. Hier umarmt der Stasi-Chef BFC-Spieler Andreas Thom nach dem Gewinn der Meisterschaft am 6. Juni 1987.

Beliebt war der Verein bei einem Großteil der Fußballfans in der DDR trotz seiner Erfolge nicht. Den größten Hass brachten ihm die Fans des ...

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... 1. FC Union entgegen, die sich des öfteren gewalttätige Auseinandersetzungen mit Anhängern ihres Erzfeindes lieferten. Diese Spannungen bestehen auch lange nach der Wiedervereinigung fort, wie dieses Plakat von Union-Anhängern während eines Oberligaspiels gegen Dynamo vom August 2005 zeigt. Momentan spielt Union in der zweiten Bundesliga, während der BFC ein sportlich unbedeutendes Dasein in der Oberliga Nordost fristet.

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Mit der Wiedervereinigung war auch das Ende der ostdeutschen Nationalmannschaft besiegelt. Wegen der Eskalation der Gewalt nach der Wende kam es am 21. November 1990 allerdings nicht wie geplant zum letzten Spiel der DDR-Auswahl gegen die BRD.

Bei Ausschreitungen im Rahmen des Oberliga-Spiels zwischen Sachsen Leipzig und dem FC Berlin (früher BFC Dynamo) verlor die Polizei die Kontrolle, ein 18-jähriger Berliner starb durch die Schüsse eines Polizisten. Danach wurde das in Leipzig angesetzte Länderspiel abgesagt. Deswegen ist das Freundschaftsspiel gegen Belgien in Brüssel das letzte Länderspiel einer DDR-Auswahl. Beide Tore beim 2:0-Sieg schoss Matthias Sammer (Bildmitte).

Matthias Sammer, DDR, Fußball, Nationalmannschaft

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Sammer wurde zum Paradebeispiel für einen Fußballer aus dem Osten, der im Westen zum Star avancierte. Mit dem VfB Stuttgart wurde er Deutscher Meister, mit Borussia Dortmund Meister und Champions-League-Sieger, mit der DFB-Elf Europameister 1996.

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Schon im Vorfeld des Spiels gegen Belgien zeigten sich die Auflösungserscheinungen des DDR-Fußballs: 24 Spieler folgten der Einladung von Trainer Eduard Geyer nicht, darunter auch Ulf Kirsten, Thomas Doll und Andreas Thom, die Verletzungen als Grund angaben. Rainer Ernst, der wie viele andere Ost-Fußballer bereits in der Bundesliga spielte, gab offen zu, nicht mehr motiviert zu sein, für die DDR aufzulaufen.

Am 20. November löste sich DDR-Verband DFV auf und schloss sich als Regionalverband Nordost dem DFB an. Der FC Hansa Rostock und Dynamo Dresden qualifizierten sich für die Bundesliga-Saison 1991/92. Rostock stieg ab, Dresden wurde 1995 die Lizenz entzogen. Seither schafften es nur Hansa Rostock und der FC Energie Cottbus in die erste Liga, seit 2009 spielt kein ostdeutscher Verein mehr in der höchsten deutschen Spielklasse.

© Süddeutsche.de/gba/wolf
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