Fußball in Belgien:EM-Stadion ohne Ein- und Ausgang

New Eurostadium pictured during the press conference PK Pressekonferenz of Ghelamco in Brussels Bel

Bleibt es beim Modell? Das neue Eurostadion von Brüssel als Miniaturformat.

(Foto: imago/Panoramic International)
  • Ein flämischer Ort mit seinen Nationalisten will Belgiens Hauptstadt ärgern - und will daher den Bau des geplanten Stadionneubaus für die Fußball-Europameisterschaft 2020 in Brüssel verhindern.
  • Der Verein RSC Anderlecht hat zudem entschieden, nicht ins neue Stadion umziehen zu wollen, selbst wenn es gebaut würde. Es sei schlicht zu groß.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Belgien, so entschied die Uefa 2014, soll einer der Ausrichter der Fußball-Europameisterschaft 2020 werden. Drei Gruppenspiele und ein Achtelfinale bekam das Land zugeteilt - vorausgesetzt, es baut, wie versprochen, sein neues Eurostadion in Brüssel. Doch damit sieht es schlecht aus. Seit dieser Woche erscheint es als höchst unwahrscheinlich, dass die Spielstätte am Rande des Messegeländes rechtzeitig fertig wird. Falls überhaupt jemals damit begonnen wird. Der Grund ist ein typisch belgischer: ein hässlicher kleiner Streit zwischen Flandern und dem Rest des Landes. Die Flamen weigern sich, ein paar Meter Land herzugeben, die für den Bau benötigt werden.

Die neue Spielstätte soll das König-Baudouin-Stadion ersetzen. Das ehemalige Heysel-Stadion war zehn Jahre nach der Katastrophe von 1985 umgebaut und umbenannt worden, ist aber schon wieder baufällig. Das vorgesehene Gelände liegt nur 500 Meter weiter nördlich, direkt am Brüsseler Autobahn-Ring. Bisher ist dort ein Parkplatz. Er gehört der Stadt Brüssel, liegt jedoch auf dem Terrain des flämischen Ortes Grimbergen, das deshalb mitreden darf. Die flämischen Nationalisten, die Brüssel mehr oder weniger als Verlängerung der verhassten Wallonie betrachten, haben sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Schien es zunächst ein Fahrweg zu sein, der dem Projekt hätte weichen müssen, erweisen sich nun zwei kleine Stückchen Land, ohne die das Eurostadion weder Ein- noch Ausgang hätte, als entscheidender Hebel. Sie gehören der Gemeinde.

"Ihr braucht euch keine Mühe zu geben, wir verkaufen nicht", verkündete nun Ben Weyts, der flämische Verkehrsminister und Politiker der nationalistischen N-VA, ultimativ. Beobachter werten das als Todesstoß und bedauern, dass die Frage nicht schon 2015 beim Unterzeichnen der Verträge unwiderruflich geklärt wurde. "Wir haben unseren Kopf in das Maul des Löwen gelegt", klagt ein Brüsseler Politiker, "und jetzt schließt es sich gerade." Der N-VA blockiere einfach alle Brüsseler Projekte, zitiert Le Soir eine Stimme aus dem Rathaus, weil die Partei beweisen wolle, dass die Stadt und die ebenfalls beteiligte Region Brüssel schlecht regiert würden. Allerdings hatten sich auch flämische Grüne gegen das Stadion gewandt.

Der RSC Anderlecht hat sich vom Projekt verabschiedet

Der Bauunternehmer Ghelamco will Berufung einlegen gegen die Entscheidung, er gibt sich nicht geschlagen. Man habe keinen Plan B, sagt der Konzern. Eine Renovierung des Baudouin-Stadions koste mit 300 bis 400 Millionen Euro so viel wie der Neubau und sei keinesfalls vor 2020 fertigzustellen. Zumindest die Leichtathleten wären glücklich, wenn das alte Stadion, in dem sie jeden Sommer ein internationales Meeting abhalten, nicht abgerissen würde. Im Eurostadion wäre kein Platz für sie.

Schon im Februar hatte sich der erste Fußballklub am Platz, der RSC Anderlecht, vom Eurostadion verabschiedet. Er hatte eigentlich neben der Nationalmannschaft Hauptmieter werden sollen. Die neue Arena würde ihm nun aber zu groß geraten, heißt es, habe zu viele Büros und biete zu wenig Komfort für die Fans. Nun bleibt der Verein also im Herzen des Arbeiter- und Migranten-Stadtteils Anderlecht. Die Bratwurst an den Buden vor dem Constant-Vanden-Stock-Stadion kostet 2,50 Euro, und erst seit den Anschlägen in Brüssel werden Taschen kontrolliert. Atmosphärisch ist somit kein Nachteil zu befürchten für den RSC, allerdings hatte der derzeitige Tabellenführer der ersten belgischen Liga seinen Zuschauerschnitt an neuer Stelle auf rund 45 000 verdoppeln wollen. Dass dies nun nicht gelingen wird, freut wiederum die Liga-Konkurrenz, die in der staatlich bezuschussten Edel-Spielstätte für den RSC einen klaren Fall von Wettbewerbsverzerrung gesehen hatte.

Und nun? Lösen ließe sich der Konflikt vermutlich nur auf höchster politischer Ebene, zwischen Premier Charles Michel und dem N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever. Leider mögen sich die beiden nicht. Die Uefa bleibt noch gelassen. Der Verband verfolge die Lage genau, sagte ein Sprecher der Zeitung La Libre Belgique: "Trotz der Verspätung bleiben wir zuversichtlich, was die belgische Beteiligung an der Euro 2020 betrifft."

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