Fußball-Historie:Als der Schiri K. o. ging

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Der Schiedsrichter Max Klauser erinnert sich in "11 Freunde", wie ihn ein Querschläger eines Bielefelders K. o. setzte, er trotzdem weiterspielen wollte und der Schütze einen bösen Brief schrieb.

Protokoll: Bastian Henrichs

Es war bis zur 69. Minute ein tolles Bundesliga-Spiel: Ein schöner Herbstabend, der Platz war trocken, die Luft noch mild, das Flutlicht brannte im Karlsruher Wildparkstadion. Die Mannschaften von KSC und Arminia Bielefeld hatten sich nichts geschenkt, bis zur Mitte der zweiten Halbzeit stand es nach kämpferischem Hin und Her 1:1.

Schiedsrichter Max Klauser in gewohnter Pose - und nicht wie bei jenem Spiel, bei dem er K. o. ging. (Foto: Foto: Imago)

Ich hatte das Spiel im Griff und ahnte nichts Böses. Doch dann geschah es, ich sehe es noch vor mir: Der Bielefelder Einwechselspieler Uli Büscher geriet auf der linken Seite in die Bredouille. Umzingelt von Angreifern fand Büscher keine Anspielstation und versuchte deshalb hilflos, den Ball nach vorn zu dreschen. Ich stand etwa sieben Meter entfernt und wollte gerade ein Stück nach hinten ausweichen, um Büscher nicht in die Quere zu kommen.

Aber der erwischte den Ball nicht richtig und produzierte einen fulminanten Querschläger. Der Ball raste auf mich zu wie ein Komet, ich hatte keine Chance mehr: Er traf mich mit voller Wucht am Kopf, seitlich an der Schläfe - ein klassischer Knock-out. Ich kippte nach hinten um und war sofort bewusstlos. Erst später im Fernsehen sah ich, dass ich, beide Arme steif nach vorn ausgestreckt, in einer Abpfiff-Geste eingefroren war. Und das, obwohl ich gar keine Zeit mehr gehabt hatte, mir etwas dergleichen zu überlegen.

Das ist das Bild, das im kollektiven Gedächtnis hängengeblieben ist: Der Schiedsrichter, der umfällt wie ein Zinnsoldat. Nachdem ich einige Sekunden in dieser Haltung auf dem Rasen gelegen hatte, kam ich wieder zu mir. Mir wurde aufgeholfen, und ich sagte sofort, beinahe mechanisch: "Es geht schon wieder, es geht schon wieder!" Ich wollte unbedingt weiter pfeifen - man ist ja schließlich pflichtbewusst! Aber die medizinischen Hilfskräfte ließen mich nicht.

Zu Recht: Ich war vollkommen neben der Kappe, in den Katakomben wurde ich gleich wieder ohnmächtig. Vom Transport in die Universitätsklinik bekam ich schon nichts mehr mit. Die behandelnden Ärzte befürchteten zunächst einen Schädelbruch, am Ende war es aber nur eine Gehirnerschütterung. Zwei Tage musste ich trotzdem dort bleiben und wurde an allerlei Kanülen und Schläuche angeschlossen.

Ein böser Brief von Uli Büscher

In den Medien sorgte der Fall derweil für ein ziemliches Aufsehen: Vor meinem Krankenzimmer standen die Reporter Schlange, und eine Woche nach dem Malheur wurde ich vom ZDF ins "Aktuelle Sportstudio" eingeladen. Das war mein Glück, denn nur weil ich in der Sendung einen recht guten Eindruck gemacht hatte, ließ mich der DFB 14 Tage später das große Derby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln pfeifen. In diesem Spiel habe ich mich wieder ganz normal gefühlt und auch überhaupt keine Angst vorm Ball gehabt.

So wäre die Geschichte also für alle Beteiligten gut ausgegangen - wenn ich nicht einen bösen Brief von Uli Büscher bekommen hätte. Er hatte sich zwar längst bei mir für seinen fatalen Schuss entschuldigt. Doch jetzt glaubte er irrtümlich, ich hätte ihn auf Schadenersatz verklagt. Dahinter steckte meine Krankenkasse. Sie wollte sich die Behandlungskosten, immerhin stolze 60.000 Mark, von Büscher wiederholen. Es ist schon erstaunlich, wie viel Ärger ein so harmlos aussehender Befreiungsschlag einbringen kann - mir, der Kasse und Uli Büscher. Hätte er die Pille doch bloß auf die Tribüne gehauen!

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