Fußball-Gipfel vor der Fifa-Wahl:"Peinlich für ihn und traurig für den Fußball"

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Haben sich nichts mehr zu sagen: DFB-Präsident Niersbach (l.) nimmt den Namen seines Vorgängers Zwanziger nicht mehr in den Mund. Hier im Februar 2012. (Foto: Hannibal Hanschke/dpa)
  • Bei einem Fußball-Gipfel in Wien treffen die wichtigsten Fußball-Funktionäre aus Fifa und Uefa aufeinander.
  • Wenige Wochen vor der Wahl des Fifa-Präsidenten legt Sepp Blatter einen bemerkenswerten Auftritt hin.
  • Ärger gibt es auch um Theo Zwanziger, der Wolfgang Niersbach angreift.

Von Thomas Kistner, Wien

Sepp Blatter schwebte mit dem Learjet ein. Wie ihm das zusteht, dem Mann, der seinem Fußball-Weltverband Fifa mehr Einfluss attestiert "als jedem Land der Erde und jeder Religion". Die enorme eigene Bedeutung hatte er am Wochenende noch einmal medial herausgestellt, bevor er Montagabend in feindliche Gefilde aufbrach: Nach Wien, wo am Dienstag der Kongress der Europäischen Fußballunion Uefa tagt.

Und wo die drei Herausforderer, die ihm beim Fifa-Konvent am 29. Mai in Zürich den Job streitig machen wollen, schon fleißig ihre Wahlkämpfe betrieben: Luis Figo, Michael von Praag und Prinz Ali bin al-Hussein. Aber zum Zwecke der Selbstwerbung braucht Blatter in Europa gar nicht mehr umher zu reisen. In den Kernländern des Fußballs, den er seit 1981 in diversen Fifa-Ämtern regiert, hat der 79-Jährige keine tragfähige Basis mehr.

Der Fifa-Wahlkampf ist zum Stellungskrieg geworden, alle drei Gegenkandidaten - Portugals Fußballikone, der niederländische Verbandschef und Jordaniens Königssohn - sind auf den Tickets der 53 Uefa-Länder unterwegs. Die Europa-Union unter Michel Platini will Blatter weghaben. Und den zwingt nur das Protokoll zum Wiener Kongress, wo er, vor die Frage gestellt, ob er als Wahlkämpfer oder Weltverbandschef sprechen wolle, letztere Rolle gewählt hat.

Fifa-Chef Sepp Blatter wird den Uefa-Konvent eröffnen - und dann wohl schnell verschwinden

So kann Blatter den Konvent morgens eröffnen und mit blumigen Reden überdecken, was ihn am Nachmittag, wenn die Herausforderer ihre Manifeste präsentieren, als Mogelpackung entlarvt hätte - dass er kein Programm für die nächsten vier Jahre besitzt. Abgesehen von dem, was er bei jeder Wahl aufs Neue als "meine Mission" bezeichnet und sich als jener Blatterismus begreifen lässt, der die Fifa in die Spaltung getrieben hat. Wenn die Herausforderer reden, wird der Amtsinhaber längst abgedüst sein.

Sein ausgeprägtes Faible für royalistisches Gebaren, zu dem die stete Nutzung teurer Privatjets gehört, hatte Herausforderer van Praag schon vor Wochen gegeißelt. Der niederländische Geschäftsmann gilt als kompetentester Kandidat, er genießt hohen Respekt, seit er Blatter im Juni 2014 beim Uefa-Konvent in São Paulo mit klaren Worten zur Demission aufgefordert hatte. Kreidebleich nahm der Fifa-Boss die Demütigung hin, dass er sie vergisst, ist unwahrscheinlich.

Aber ein Affront ist es ja auch, dass Europa gleich drei Kandidaten gegen ihn ins Rennen schickt. Und wiewohl Blatter als klarer Favorit gilt, Anlass zur Nervosität scheint er zu sehen. Platini diskutiert in Wien mit den Seinen, ob sich Blatter wirklich an das Gebot hält, dass er für seinen Wahlkampf kein Personal und keine Mittel der Fifa einsetzen darf; es heißt, die Besucher stünden Schlange vor dem Züricher Chefbüro. Die Uefa will erst nach dem letzten Kontinental-Kongress in Asien Ende April befinden, welcher der drei Kandidaten der aussichtsreichste ist, um gegen Blatter zu bestehen.

Immerhin, bisher kam es weder in Afrika, wo Länder wie Marokko und Tunesien unglücklich sind mit der Politik ihres (Blatter-nahen) Erdteil-Chefs Issa Hayatou, noch in Südamerika zu den befürchteten Erklärungen, dass Blatter en bloc unterstützt werde. Vertreter des Südamerika-Verbands Conmebol sind sogar in Wien und verfolgen die Vorgänge. Affären und ein gesegnetes Alter haben die alte Conmebol-Spitze dezimiert - wenn sich die Nachrücker der mächtigen Schatten der Vergangenheit entledigen wollen, bestünde nun die Gelegenheit dazu.

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Die Champions League wird für die Klubs noch lukrativer. Jürgen Kohler hat eine neue Trainerstelle. Rennfahrer Fernando Alonso soll nach seinem Unfall schon am kommenden Wochenende in die Formel 1 zurückkehren.

So sieht es auch Wolfgang Niersbach, der Blatter im Vertrauen ebenfalls den Rückzug nahegelegt haben will. In Wien wird er nun als Uefa-Vertreter in den Fifa-Vorstand gewählt, wo er Theo Zwanziger beerbt, dem er bereits in die Ämter als DFB-Präsident und Uefa-Vorstand nachgefolgt ist. Das Verhältnis der beiden ist, freundlich formuliert, zerrüttet; in Wien nahm die Ächtung formalen Charakter an. Kürzlich hatte Zwanziger, Blatters letzte Speerspitze in Europa, mit viel Getöne ein Verfahren gegen Niersbach bei der Fifa-Ethikkommission angestrengt, wegen dessen Vergütungsregelung mit dem DFB.

Die Ethiker prüften und klappten den Deckel zu. Und Domenico Scala, Blatters Governance-Experte, der sich mit einer privaten Einschätzung aus dem Fenster gelehnt hat, "rief mich an und hat sich entschuldigt", sagte Niersbach am Montag in Wien. Da hatte er eine erbauliche Sitzung hinter sich, in der Spaniens Vertreter Angel Maria Villar Llona ein harsches Statement gegen Zwanziger in der Sache angeregt hatte.

Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino trug es anderntags der Presse vor: "Das Exekutivkomitee ist sehr verärgert über Zwanzigers Benehmen, der ein aussichts- loses Verfahren gegen den eigenen Verband angestrengt hat. Es ist peinlich für ihn und traurig für den deutschen Fußball." Niersbach sagt: "Ich kann bestätigen, dass diese Thematik für mich überraschend aufgegriffen wurde und das Unverständnis später auch von Gianni Infantino zum Ausdruck gebracht wurde." Den Namen Zwanziger nimmt er nicht mehr in den Mund.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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