Fußball:Gallige Grüße vom Chef

Auf dem Uefa-Kongress rügt Präsident Ceferin die Politik der reichen Klubs. DFB-Chef Reinhard Grindel rückt bei der Sitzung gleich ins Amt des Uefa-Vizepräsidenten.

Von Thomas Kistner, Helsinki/München

"Fürchtet euch nicht", rief Aleksandar Ceferin den Delegierten beim Kongress der europäischen Fußball-Union (Uefa) zu. Rhetorische Anleihen bei der Religion kann sich der Fußball leisten, die Wahrnehmung beider Gesellschaftsbewegungen gleicht sich an. Und der neue Uefa-Frontmann lässt nach seiner erst halbjährigen Amtszeit keinen Zweifel daran, dass er sich dem Diktat der superreichen Klubs nicht beugen will. Diese Position bekräftigte der Slowene in Helsinki nun deutlich: Die Klubs seien nicht die Einzigen, die sich um den Fußball kümmerten, sagte Ceferin. Und die Uefa sei die Instanz, die für eine wirtschaftliche Balance zu sorgen hätte. In seiner Eröffnungsrede wandte sich Ceferin sogar direkt an eine "Fußballlegende und große Führungspersönlichkeit" - mit der nach allgemeiner Auffassung der Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge gemeint war, Vorsitzender der mächtigen europäischen Klubvereinigung ECA.

Ceferins Rüge ließ sich als Antwort auf eine Äußerung Rummenigges (eingedenk des aufgeblähten WM-Formats) verstehen, dass die Verbände sich mehr für Moneten und Macht als für den Fußball interessieren. "Natürlich", sagte Ceferin, "sind uns auch finanzielle Aspekte wichtig, aber nur, damit wir mehr verteilen können an die Klubs und Nationalverbände." Das passiere über die bestehenden Wettbewerbe - eine Superliga oder Ähnliches werde es nicht geben. "So einfach ist das. Das wäre mit unseren Werten nicht zu vereinbaren."

41st Ordinary UEFA Congress in Helsinki

Im Zentrum der Macht: DFB-Präsident Reinhard Grindel in Helsinki.

(Foto: M. Ulander/REUTERS)

Auch Englands Fußball ereilte ein galliges Grußwort des Präsidenten: "Wir werden uns nie erpressen lassen von gewissen Ligen, die denken, sie könnten manipulieren und Kleinere beeinflussen, nur weil sie astronomische Einnahmen generieren und denken, sie seien allmächtig." Gemünzt war das auf Pläne der Premier League, parallel zur Champions League zu spielen; Englands Superklubs sind ja in Europas Eliteklasse nur noch selten zuhause.

Ceferin sieht aber auch einen Ausweg aus den Dauerkonflikten mit ECA und der Ligen-Vereinigung EPFL. Steter Reibungspunkt ist der globale Spielkalender, die Mittelverteilung sowie die Belastung der Spieler. Nun will Ceferin mit dem Weltverband in den Ring steigen: Confed Cup und Klub-WM hält er für überflüssig. "Wir müssen mit der Fifa reden. Die Profis spielen fast 300 Tage im Jahr, das ist zu viel."

Offiziell die Bühne betrat in Helsinki Reinhard Grindel. Der seit einem Jahr amtierende Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) rückte erwartungsgemäß in den Uefa-Vorstand ein, wo sein vom Fifa-Ethikkomitee im Zuge der Sommermärchen-Affäre gesperrter Vorgänger Wolfgang Niersbach eine Lücke riss; im Mai beim Fifa-Kongress in Bahrain wird Grindel auch Niersbachs Sessel im Council des Weltverbandes übernehmen. Der DFB-Chef sprach von einem großen Vertrauensvorschuss, der auch darin bestand, dass er sogleich als einer der Uefa-Vizepräsidenten berufen wurde. Grindel richtete den Blick aufs nächste nationale Großprojekt: "Natürlich ist das starker Rückenwind für unsere Bemühungen, die EM 2024 in Deutschland austragen zu können."

Grindel mit dabei - Das Exekutivkomitee der Uefa

PRÄSIDENT Aleksander Ceferin (Slowenien)

ERSTER VIZEPRÄSIDENT Karl-Erik Nilsson (Schweden)

VIZEPRÄSIDENTEN Reinhard Grindel (Deutschland), Fernando Gomes (Portugal), Grigori Surkis (Ukraine), Angel Maria Villar Llona (Spanien)

MITGLIEDER Sandor Csanyi (Ungarn), Peter Gillieron (Schweiz), Florence Hardouin (Frankreich), Borislav Michailov (Bulgarien), Davor Suker (Kroatien), John Delaney (Irland), Michele Uva (Italien), Zbigniew Boniek (Polen), David Gill (England/Schatzmeister), Michael van Praag (Niederlande), Servet Yardimci (Türkei)

KOOPTIERTE MITGLIEDER (mit Stimmrecht) Karl-Heinz Rummenigge (Deutschland/Vertreter der Klubvereinigung ECA), Andrea Agnelli (Italien/Vertreter der Klubvereinigung ECA)

Rivale ist hier der Verband der Türkei, und dessen Vertreter kehrten ähnlich gestärkt aus Helsinki heim. Schließlich wurde auch der türkische Funktionär Servet Yardimci in den Uefa-Vorstand gewählt.

Dort übt künftig noch ein zweiter Deutscher das Stimmrecht aus: Karl-Heinz Rummenigge. Der war, wie Andrea Agnelli (Juventus Turin), bisher nur kooptiertes Mitglied. Die Eingliederung der Klubvertreter sei "wichtig und fair", es brauche deren direkte Beteiligung an Uefa-Entscheidungen, ließ der Bayern-Boss via ECA-Pressetext mitteilen. Ceferins Rüffel - "Diejenigen, die ich gemeint habe, wissen, dass sie gemeint sind" - hatte er sich in Helsinki nicht persönlich abgeholt. .

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