Fußball:Flick hat Nerven gelassen beim DFB

Hansi Flick

Hansi Flick: Ist wohl nicht durchgedrungen mit seinen Ideen beim DFB

(Foto: dpa)

Hansi Flicks Rücktritt als Sportdirektor weist auf ein grundlegendes Problem beim DFB hin. Für Bundestrainer Joachim Löw ist der Abschied seines Vertrauensmannes ein herber Verlust.

Von Christof Kneer

Irgendwann in diesem Frühjahr wird sich der deutsche Fußball treffen. Der deutsche Fußball wird dazu aus allen Richtungen anreisen, aber er wird sich vermutlich nicht mehr in Baiersbronn im Schwarzwald treffen, wohin der zuständige Gastgeber bis vor einiger Zeit noch verlässlich eingeladen hat. Inzwischen bittet Joachim Löw die anderen Mitglieder des deutschen Fußballs lieber nach Berlin, und der Plan war bislang, sich im Frühjahr dort vollzählig und in folgender Besetzung zu versammeln: Neben Löw kommen seine Assistenzcoaches Thomas Schneider und Marcus Sorg, dazu der neue U 21-Trainer Stefan Kuntz samt Co-Trainer Antonio di Salvo, und natürlich Hansi Flick, der verantwortliche Sportdirektor.

Thema der Veranstaltung: "Wie schaffen wir es, die parallel stattfindenden Großereignisse Confederation Cup und U 21-EM mit hochkarätigen Mannschaften zu bestücken und trotzdem hoch belastete Spieler wie Özil, Kroos, Müller oder Boateng zu schonen?" Untertitel: "Und wer bringt den Vereinen bei, dass viele ihrer Spieler schon wieder keine Sommerpause haben werden?"

Und an diesem Punkt wird es jetzt interessant. Denn der Mann, der es den Vereinen nach Branchenauffassung am allerbesten beibringen kann, wird bei diesem Termin fehlen. Sportdirektor Hansi Flick, 51, eigentlich bis 2019 an den deutschen Fußball gebunden, ist seit Montag kein Sportdirektor mehr. Am Morgen gab der DFB bekannt, dass man Flick "schweren Herzens gehen" lasse, man respektiere "seinen persönlichen Wunsch". Flicks Aufgabe übernimmt übergangsweise jener Mann, der beim DFB übergangsweise jeden Job übernimmt: Horst Hrubesch, 65, zuletzt Interims-U 21- sowie Kurzzeit-Olympia-Trainer, ein weit gereister Mann, der vermutlich auch für den Bundestrainer Löw, den Präsidenten Grindel sowie den Chauffeur des Teambusses einspringen könnte.

Er legt Wert auf Harmonie und Kommunikation

Flicks jäher Abschied zählt zu jenen Meldungen, die manche Medien gerne als "Paukenschlag" bezeichnen, aber wer sich am Montag quer durch den deutschen Fußball fragte, wird es eher ein Paukenschlägle nennen. "Nicht sehr überrascht" sei er, sagt ein entscheidender Mann eines sehr entscheidenden Bundesligisten; beim letzten gemeinsamen Termin habe er schon gespürt, dass Flick das Jobprofil "bei allem Herzblut" inzwischen doch hinterfrage; und auch aus dem Kreis der A-Nationalelf ist zu erfahren, dass Flicks jüngste Überlegungen nicht gänzlich unbekannt waren.

Bis zuletzt haben Löw und seine Leute aber gehofft, dass Flick ihnen als Vertrauens- und Verbindungsmann zum Verband erhalten bleiben würde; "extrem bedauerlich" sei der Abschied, hört man aus Trainer- und Betreuerstab. Aus seiner langen Zeit als Co-Trainer der A-Elf wusste Flick einerseits genau, wie Löw tickt, andererseits hatte er sich schon bei der WM in Brasilien, obwohl offiziell noch Löws Assistent, vom Bundestrainer emanzipiert - im Grunde die ideale Arbeitsgrundlage, was die Frage nach Flicks Motiven interessant macht. Zumal das DFB-Kommuniqué kaum weiter hilft: Es gebe "aktuell weder andere sportliche Ambitionen noch gibt oder gab es Probleme", wird Flick vom Verband zitiert, "der einzige Grund ist der persönliche Wunsch, mich in nächster Zeit mehr auf meine Familie konzentrieren zu können".

Wer Flick kennt, diesen familiären, sehr vom Wert der Kommunikation und Harmonie überzeugten Menschen, der darf davon ausgehen, dass die Familie zumindest mehr als eine Floskel ist. Flick hat mal erzählt, dass er zwischen Mai und September nur 15 Nächte im heimischen Bett verbracht habe, ansonsten war er mit den hauseigenen Juniorenteams unterwegs oder Gast bei Lehrgängen, Seminaren oder Symposien, bei denen er den DFB vertrat. Der Familienmensch Flick ist aber auch viel zu loyal, um öffentlich kritische Worte zu verlieren über seine zweite Familie, der er seit zehn Jahren angehört. Aber auch wenn er es nicht sagen würde: Flick hatte zuletzt schon ein paar Ideen, wie man das Zusammenleben in der DFB-Familie verbessern könnte; und er ist mit diesen Ideen, wie sein Rücktritt zeigt, offenbar nicht durchgedrungen. Flick habe sich "im administrativen Bereich aufgerieben", heißt es bei der A-Nationalelf - eine schöne Umschreibung für die alltäglichen Probleme im Leben eines DFB-Funktionärs.

Flick hat es nicht gefallen, dass der DFB mit den Planungen für die Akademie ins Stocken geraten ist; auch die verwinkelten Laufwege innerhalb des Verbands sind kein Vergnügen für einen Praktiker, der Entscheidungen treffen will, ohne den Segen dreier Direktorate einzuholen und das Wohlwollen diverser Landesfürsten abzufragen. Flick begreift sich als Sportler, der sich mit sportnahen Kollegen austauschen möchte - und nicht nur mit der Spezies "Verbandsmensch", die jede Entscheidung siebenmal politisch hin und her wendet.

Zu viele Aufgaben für eine Person

Flicks Abschied weist aber auch auf jenes grundsätzliche strukturelle Problem hin, das bereits Flicks Vorgänger entnervt hat. Das Amt des Sportdirektors ist in seinem aktuellen Zuschnitt zu groß für einen einzigen Mann. Talentförderung, Trainerausbildung, Installation einer Spielidee, Begleitung von Juniorenteams und deren Trainerstäben, Strategiesitzungen mit den Verantwortlichen der A-Nationalelf, inhaltliche Planung der Akademie, Kommunikation mit den Bundesliga-Klubs und deren Leistungszentren, Vertretung des DFB in der Öffentlichkeit und in aller Welt - wer diesen Job rechtschaffen ausüben möchte, darf nicht mal 15 Nächte pro Jahrzehnt zu Hause verbringen, und er müsste zudem sicher sein, dass all jene Ressorts, um die er sich in dieser Sekunde gerade nicht kümmern kann, derweil in guten Händen sind. Das ist es, was einen DFB-Sportdirektor offenkundig zahlreiche Nerven kostet: das Gefühl, dass eine Struktur fehlt, die so eine naturgegebene Überforderung auch mal auffangen kann - was Sportdirektoren wie Flick oder Verantwortliche der A-Nationalelf wie Oliver Bierhoff gerne mal als fehlendes Bekenntnis der Verbandsspitze zum Leistungssport interpretieren. Horst Hrubesch soll den Job nun erst mal bis Herbst übernehmen, danach soll ein neuer Sportdirektor kommen. Hansi Flick hat der DFB-Spitze aber schon mal den kostenlosen Rat hinterlassen, dass man - bevor man über Personen redet - erst mal die Strukturen anpassen sollte.

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