Fußball: FC Bayern München:Kein Retter in Sicht

Platz eins weg, Robben verletzt, Kader zu dünn und der Trainer macht Fehler: Das 1:2 gegen den VfB Stuttgart war für den FC Bayern ein herber Rückschlag.

Thomas Hummel, Fröttmaning

Arjen Robben stand schon Minuten vor dem Schlusspfiff sprint- und dribbelunfähig an der Seitenlinie herum. Als Schiedsrichter Florian Meyer nach 92 Minuten abpfiff, ging er drei Schritte zum noch verschlossenen Eingang in die Stadion-Katakomben, wartete ungeduldig ein paar Sekunden, dann hob sich endlich die Bodentür und er zwängte sich so schnell wie möglich aus dem Innenraum, aus der Öffentlichkeit.

Die Befindlichkeit des Stürmers aus den Niederlanden darf derzeit als pars pro toto, als Sinnbild für den ganzen FC Bayern gewertet werden. Von einem Entzücken ins nächste kam der Klub zuletzt durch die Streiche des Retters Robben, mit dem Höhepunkt im Pokal-Halbfinale in Schalke, wo sich Robben selbst und den ganzen Klub mit einem Hochgeschwindigkeits-Solo über 70 Meter plus 1:0 nach 112 Minuten berauscht hatte. Diesmal, drei Tage später zu Hause gegen den VfB Stuttgart, humpelte der 26-Jährige vom Platz, kurz vor Schluss erlitt er eine Verletzung in der Wadenmuskulatur und musste danach den Betrieb einstellen.

Schwere Spiele folgen

Das 1:2 gegen den VfB Stuttgart darf als herber Rückschlag gewertet werden für den Münchner Nobelklub. Es war die zweite Bundesliga-Niederlage in Folge, nachdem vor einer Woche schon die Frankfurter einen 0:1-Rückstand noch gedreht hatten. Der FC Bayern fiel nach dem 2:0-Sieg der Schalker am Samstagabend in Leverkusen wieder vom geliebten Platz eins, es folgen binnen zwei Wochen zwei Partien gegen Manchester United sowie die beiden Gastspiele in Schalke und Leverkusen. Ob und wie Arjen Robben daran teilnehmen wird, konnte nach dem Spiel gegen Stuttgart niemand beantworten. Für das Hinspiel am Dienstag gegen den englischen Tabellenführer legte sich Bayern-Trainer Louis van Gaal indes fest: "Es wird schwierig."

Dabei hat er, und wohl auch sein medizinischer Stab, durchaus Anteil an Robbens Malheur. Die ARD-Sportschau meldete, es sei erst eine halbe Stunde vor Beginn entschieden worden, den Stürmer trotz einer Wadenverhärtung auf die Bank zu setzen. Und weil das Offensivspiel in der ersten Hälfte arg stotterte, brachte van Gaal zur Pause nicht nur den geschonten Franck Ribéry, sondern eben auch Robben, um die Stuttgarter Abwehrlust mit der gefürchteten Flügelzange zu brechen. "Wir benötigten Spieler, die einen Gegner ausspielen, um vielleicht ein Tor erzielen zu können", sagte van Gaal später.

Die Entwicklung und die Personalentscheidungen van Gaals am Samstag verdeutlichten das Dilemma der Bayern. Während früher zwischen einem Pokal-Halbfinale und einem Champions-League-Viertelfinale fünf, sechs hoch veranlagte "Ergänzungsspieler" hineinrotiert waren, die die Bundesliga-Partie zumeist ordentlich nach Hause gespielt hatten, brachte van Gaal gegen Stuttgart nur einen neuen Spieler im Vergleich zur Startelf beim Pokal-Marathon in Schalke: Danijel Pranjic für Robben. Der Rest musste wieder ran.

Das lag einerseits daran, dass die Bayern zuletzt sechs Spieler entweder verkauften oder verliehen und den Kader arg ausdünnten. Andererseits scheint van Gaals Vertrauen in einige Verbliebene, wie Hamit Altintop, Anatoli Timoschtschuk oder gar Christian Lell und Andreas Görlitz gegen Null zu gehen.

Warum musste Olic raus?

Das Zentrum mit Mark van Bommel und Bastian Schweinsteiger schleppte sich zunehmend kraftlos über den Rasen, dynamische Antritt, schlaue Pässe oder wuchtige Zweikampfpräsenz blieben aus. Wo der kraftvolle Motor jeder Mannschaft stecken sollte, hatten sie Bayern diesmal eine handbetriebene Kurbelwelle. Verdeutlicht auch vom müden Thomas Müller, der bei seinem einzigen wirkungsvollen Sprint von gleich drei Stuttgartern regelkonform eingeholt und abgegrätscht wurde.

Klose verschwindet

Vorne werkelte hilflos der Nationalstürmer Miroslav Klose. Der 31-Jährige durfte zwar mit Recht über mangelnde Zuspiele mosern, die einzige schöne Flanke köpfte er indes völlig freistehend gegen die Brust von Jens Lehmann (62.). Sonst verschwand Klose förmlich in der Stuttgarter Abwehr: kein Durchsetzen, keine Dribblings, kein Ballhalten, kein Zusammenspiel. Kloses mangelnde Form wird nicht nur für Bayern, sondern auch für Bundestrainer Joachim Löw langsam zum Problem.

Warum dann Trainer van Gaal ausgerechnet den einzig frisch wirkenden Angreifer Ivica Olic zur Pause auswechselte? Den Olic, der die VfB-Abwehr mit seinem schlichten Engagement beschäftigte, der Verteidiger Georg Niedermeier beim 1:0 (32.) einfach wegräumte? Bis auf Kloses Kopfball und zweier Weitschüsse Ribérys hatten die Münchner ohne Olic nach den beiden Stuttgarter Treffern von Christian Träsch (41.) und Ciprian Marica (50.) jedenfalls keine nennenswerte Ausgleichschance mehr. Bezeichnend dann auch die Flucht einiger Bayern-Spieler in die Beschwerde, die Flanke vor Maricas 1:2 sei bereits im Aus gewesen.

Uninspirierte Bayern-Offensive

Dabei waren sich van Gaal und das gesamte Münchner Publikum, eigentlich jeder im Stadion, in der Halbzeitpause einig gewesen, dass der FC Bayern einem Sieg zusteuern würde. Schließlich wärmten sich da gerade einträchtig die Fußballvirtuosen Ribéry und Robben auf. Endlich sollte das mühselige und kreativlose Münchner Offensivspiel ein paar Lösungen haben gegen die Abwehr der Schwaben. Ein wenig Spektakel sollte es bitteschön auch noch sein. Denn wer soll diese beiden schon stoppen? Dass die Stuttgarter Außenverteidiger Khalid Boulahrouz und Christian Molinaro dann keinen entscheidenden Zweikampf gegen "Rib" und "Rob" verlieren würden, damit konnte wirklich niemand rechnen.

"In der zweiten Halbzeit haben wir gut und geschickt verteidigt. Wir konnten natürlich davon profitieren, dass der Gegner doch etwas müde war und schon an das Spiel in der Champions League gedacht hat", analysierte Stuttgarts Trainer Christian Gross treffend.

Die Pleite gegen den VfB hat die Vorfreude auf das Gastspiel von Manchester United am Dienstag nun erheblich getrübt. "Es ist schwer zu verarbeiten, wenn man einen Rückschlag in der Bundesliga erleidet", sagte Philipp Lahm. Und sein Trainer monierte: "Eine Niederlage hat immer Einfluss auf die Vorbereitung auf das nächste Spiel, aber es kostet jetzt noch mehr Energie vor Manchester."

Mehr Energie auch für seine Profis, die 120 Minuten in Schalke gerackert und nun gegen Stuttgart verloren haben. Sie alle werden mangels Alternativen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch am Dienstag wieder vollumfänglich dabei sein. Allerdings ohne ihren Retter Robben.

Bayern München - VfB Stuttgart 1:2 (1:1)

München: Butt - Lahm, van Buyten, Badstuber, Contento - Müller (82. Demichelis), Schweinsteiger, van Bommel, Pranjic (46. Ribery) - Klose, Olic (46. Robben). - Trainer: van Gaal Stuttgart: Lehmann - Boulahrouz, Niedermeier, Delpierre, Molinaro - Gebhart (87. Hilbert), Träsch, Khedira (34. Kuzmanovic), Hleb - Marica (72. Pogrebnjak), Cacau. - Trainer: Gross Schiedsrichter: Florian Meyer (Burgdorf) Tore: 1:0 Olic (32.), 1:1 Träsch (41.), 1:2 Marica (50.) Zuschauer: 69.000 (ausverkauft)

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