Fußball-EM:Ukrainisches Schokolädchen auf der Außenbahn

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Mann mit vielen Spitznamen: Jewgen Konopljanka im Vorbereitungsspiel gegen Rumänien.

(Foto: AFP)
  • Der Ukrainer Jewgen Konopljanka trägt die Zehn - dampft und dribbelt aber an der Seitenlinie entlang.
  • Und steht so für die größte Stärke von Deutschlands erstem EM-Gegner.

Von Johannes Aumüller

Es gibt in der Welt der slawischen Sprachen gewiss kompliziertere Namen, aber für Mitspieler und Behörden in Spanien ist die Buchstabenfolge Jewgen Konopljanka offenkundig schon ausreichend für allerhand Irritationen bei Aussprache und Schreibweise.

Also habe er sich etwas überlegt, um die ganze Sache zu vereinfachen, berichtete der ukrainische Mittelfeldmann vom FC Sevilla kürzlich gegenüber den Medien in der Heimat. Im Reisepass soll als Familienname nur noch Kono stehen - und auf dem Feld dürfen ihn die Mitspieler gerne Schokoladka, also Schokolädchen, nennen, statt sich aus dem Vornamen Jewgen, dem Kosenamen Schenja und/oder dem Nachnamen Konopljanka irgendetwas zurechtzustammeln.

Anstatt sich in dieser vielfältigen Titulierungswelt zu verirren, könnte sich Bundestrainer Joachim Löw zum EM-Auftakt am Sonntag natürlich auch auf die Gegnerbeschreibung alter C-Jugend-Tage besinnen und seinen Spielern schlicht nahelegen, den "Zehner der Ukraine" im Auge zu behalten. Diese Rückennummer trägt Konopljanka nämlich, obwohl er mit der Zehner-Position nicht viel am Hut hat. Stattdessen dampft und dribbelt er für gewöhnlich die rechte Außenbahn entlang - und steht so für die größte sportliche Stärke der ukrainischen Nationalelf.

Die Blau-Gelben verfügen weder über einen sicheren Torwart noch über einen Gestalter im Mittelfeld noch über einen abschlussstarken Angreifer wie früher Andrej Schewtschenko (heute Co-Trainer). Und der ehemalige FC-Bayern-Profi Anatolij Timoschtschuk ist über seinen Zenit weit hinaus und nur noch in seiner Funktion als Kabinenältester im Kader. Aber die Flügelzange, die kann sich an guten Tagen sehen lassen.

Eigentlich wollte Konopljanka zu Atlético Madrid

Auf der einen Seite agiert Andrej Jarmolenko, auf der anderen eben der 26-jährige Jewgen Konopljanka. Es gehört zu den grundsätzlichen Glaubensfragen des ukrainischen Fußballs, wer von beiden der Bessere ist.

Als Pluspunkt darf Konopljanka verbuchen, dass er den Sprung aus der beschaulichen heimischen Liga in ein europäisches Spitzenchampionat wagte und sich dort in den ersten zwölf Monaten samt Gewinn der Europa League durchaus tapfer behauptete (wettbewerbsübergreifend 52 Spiele, acht Tore) - während bei Jarmolenko Transferperiode für Transferperiode lediglich Berichte über das Interesse ausländischer Top-Klubs auftauchen, der Umworbene aber bisher stets beim ukrainischen Meister Dynamo Kiew blieb.

Dass es Konopljanka, geboren in der Zentralukraine und bis Sommer 2015 ausschließlich für Dnjepr Dnjepropetrowsk tätig, just zum FC Sevilla verschlug, verdankt man nach seiner Darstellung einer durchaus netten Begebenheit. Eigentlich war er nach Madrid geflogen, um dort einen Wechsel mit Atlético zu vollziehen. Doch das zog sich hin, und zu Hause wartete die schwangere Frau, zu der er schnell zurückwollte. Und während er in Madrid saß, kam auf einmal eine Offerte des FC Sevilla.

Da sei die Abwicklung rascher gegangen - und dauerte es nicht lang, bis sich Konopljanka noch etwas weiterentwickelte, zum Flügelspirit neue Defensivqualitäten gewann und sich den Namen Schokolädchen verdiente.

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