Fußball-EM:Roman Neustädter ist jetzt russischer Nationalspieler

Roman Neustädter

Wusste in der Rückrunde für Schalke 04 nur selten zu überzeugen, könnte aber trotzdem zur EM reisen: Roman Neustädter soll für Russland auflaufen.

(Foto: dpa)

Weil er auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion geboren ist, darf der Schalker Roman Neustädter mit Russland zur Fußball-EM.

Von Johannes Aumüller

Manchmal führt der Weg zur Fußball-EM nicht nur über gute Leistungen im Klub, sondern auch über ein Gebäude in der Waldstraße 42 in der früheren Bundeshauptstadt Bonn. An dieser Adresse ist das Generalkonsulat der Russischen Föderation zu Hause, und trotz seines Urlaubs sowie relativ beschränkter Zugangszeiten - nur vier Stunden täglich, immer von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr - sollte Bundesligaprofi Roman Neustädter versuchen, in dieser Woche in der Bonner Waldstraße vorbeizufahren oder eine Vertrauensperson vorbeizuschicken. Denn in diesem Gebäude liegt das Dokument, ohne dass sich seine EM-Träume nicht erfüllen lassen: ein schöner roter russischer Reisepass.

Roman Neustädter, 28, geboren im ukrainischen Dnjepropetrowsk und seit vier Jahren in Diensten von Schalke 04, ist eine der bisher ungewöhnlichsten Nominierungen fürs EM-Turnier in Frankreich. Russlands Nationaltrainer Leonid Sluzkij berief ihn ins 23-köpfige Aufgebot, obwohl Neustädter bis dahin nie für die Mannschaft zum Einsatz gekommen war. Und obwohl er nicht einmal im Besitz der russischen Staatsbürgerschaft war. Inzwischen hat er auch diese.

Neustädter ist nicht der einzige Naturalisierte in Russlands Kader

Das mit dem Reisepass ist geklärt, und auch das mit dem Einsatz für Russlands Nationalmannschaft hat sich geändert: Am 1. Juni kam Neustädter gegen Tschechien zu seinem ersten Einsatz für die Sbornaja.

Russlands Öffentlichkeit weiß gerade nicht, was sie von ihrer Fußball-Elf halten soll. In zwei Jahren ist die WM im eigenen Land, da soll auch sportlich alles glänzen, aber viele sind skeptisch. Und so führen sie mit Blick auf den EM-Kader zahlreiche Debatten. Zum Beispiel darüber, dass dieses Riesenland offenkundig nicht genügend junge Talente hervorbringt. Oder darüber, dass den Kern der Defensive immer noch die Veteranen-Truppe Akinfejew/Beresuzkij/Ignaschewitsch vom frisch gebackenen Meister ZSKA Moskau bildet, die in dieser Besetzung gefühlt schon seit der Ernennung Bonns zur Bundeshauptstadt agiert.

Oder darüber, dass vom Überraschungszweiten FK Rostow kein einziger Akteur dabei ist, aber dafür in Gestalt von Vize-Kapitän Igor Denissow einer vom Traditionsklub Dynamo Moskau, der erstmals in seiner Historie aus der ersten russischen (beziehungsweise sowjetischen) Liga absteigt. Oder eben auch das Thema "Naturalisazija", wie Neustädters Fall auf auf Russisch heißt.

Russland setzt auf Einwanderung

Wer nicht durch Talentschmieden neue Fußballer findet, muss das eben durch Einwanderung tun, so sehen das manche in Russland. Andere sind da skeptischer. Schon vor ein paar Jahren gab es in Europas größeren Ligen ein umfangreiches Scouting nach Spielern, die noch zu Zeiten in der früheren Sowjetunion auf sowjetischem Territorium zur Welt kamen - weil das ausreichend ist, um einen russischen Pass erhalten zu können.

Da hatten sie auch mal den Nürnberger Andreas Wolf (geboren in Chudschand/heute Tadschikistan) im Visier, doch das zerschlug sich schon deutlich vor dem Gang zum Generalkonsulat.

Zwei-Testländerspiele für die deutsche A-Elf

Auch mit Neustädter, Mutter Russin, Vater Ukrainer, gestaltete sich die Causa durchaus schwierig, weil dieser zunächst nicht auf seinen deutschen Pass verzichten wollte - aber das ist zwingend notwendig, um den russischen Pass bekommen zu können. Dass der Defensivspieler früher für Deutschlands Junioren auflief und 2012/13 zwei Testländerspiele für die A-Elf bestritt, macht laut Reglement des Weltverbandes auch nichts aus.

Neustädter ist nicht der einzige Naturalisierte in Russlands Kader. Ersatztorwart Guilherme von Lokomotive Moskau stammt gebürtig aus Cataguases/Brasilien. Und mit Blick auf die WM 2018 könnte ein früherer Landsmann auch sein neuer werden: Neulich sprach Sportminister Witalij Mutko über eine mögliche Einbürgerung von Mário Fernandes (ZSKA Moskau).

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