Fußball-EM:Deutschland hat sich ins Turnier gebüffelt

EURO 2016 - Germany team base Evian training

Mats Hummels (re.): Dehnen muss sein

(Foto: dpa)

Löws Elf hat ihre Leistung nach jedem Spiel penibel analysiert und sich punktgenau gesteigert. Doch sie ahnt: Bald muss ein großer Schritt her.

Von Christof Kneer

Unter jungen Fußballern hat sich in letzter Zeit ein Satz etabliert, den sich vermutlich mal irgendjemand in den schicken Elite-Internaten ausgedacht hat. Möglicherweise ist dieser Satz dort großflächig an alle Wände plakatiert, oder er wird jeden Tag in die Whatsapp-Gruppen hineingestellt, damit ihn keiner vergisst. Den Satz gibt es in leichten Variationen, aber im Grunde geht es immer darum, dass ein Spieler "den nächsten Schritt macht". Dieser Satz taugt für Vereinswechsel und für DFB-Berufungen, er passt eigentlich immer, weil er eine Mischung aus Ambition und Demut ausstrahlt. Ja, man will vorwärtskommen, deshalb der nächste Schritt. Aber es ist natürlich nur ein kleiner Schritt, keine Revolution.

Der deutsche Fußball ist seit Jahren ein Schrittmacher-Fußball, und am schönsten kann man das an der obersten Mannschaft des Landes erkennen, der Nationalelf. Sie ist Turnier für Turnier näher an die Weltspitze gerückt, das ging so lange, bis sie irgendwann Weltmeister war. Und angeleitet wurde dieser Prozess von Joachim Löw und seinem Gelehrtenstab. Wer nun eine Bilanz der deutschen Vorrunde zieht, erkennt dieses Verfahren geradezu in Reinkultur: Die deutschen Akademiefußballer und ihre Akademietrainer arbeiten gerade - Schritt für Schritt - ihre Agenda ab. Nach allen Spielen haben sie mit rührender Gründlichkeit ihre Fehler analysiert und abgestellt.

Beim Auftaktspiel gegen die Ukraine (2:0) haben die Stürmer die Abwehrspieler zu wenig unterstützt? Okay, Trainer, kein Problem: Gegen Polen haben die Stürmer brav mitgeschuftet. Gegen Polen (0:0) gab's zu wenig Aggressivität im Angriff, zu wenig Läufe in die Tiefe, zu wenig Präsenz im Strafraum? Alles klar, Trainer, verstanden: Gegen Nordirland gab's Aggressivität, Läufe, Präsenz. Und die Lektion, die nach dem um etwa 14 Tore zu niedrigen Sieg gegen Nordirland auf dem Programm steht, lautet nun: Bitte künftig die Torchancen besser nutzen! Wenn die deutschen Streber sich weiter so bedrohlich in dieses Turnier hineinbüffeln, wären das keine so guten Aussichten für den Achtelfinal-Gegner.

Inzwischen ahnen die Deutschen aber, dass ihnen anschließend ein Schritt bevorsteht, der größer sein dürfte. Im Viertelfinale wartet einer der beiden Gegner, die sich von den deutschen Schritten in der jüngeren Vergangenheit überhaupt nicht beeindrucken ließen: die gewieften Italiener oder die stilbildenden Spanier. Ob die Deutschen solche Spiele gewinnen können, ist völlig offen. Sicher ist nur, dass sie vorbereitet sein werden.

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