Fußball-EM:Das Problem an diesem Turniermodus

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Ausgeschieden oder weiter? Das erfahren die albanischen Fußballspieler Andi Lila (links) und Elseid Hysaj erst am Mittwochabend - drei Tage nach ihrem Spiel. (Foto: dpa)

24 Teams statt 16: Dieser EM-Modus ist in Funktionärsköpfen ausgeheckt worden - und ihm liegt eben keine solidarische Idee zugrunde.

Kommentar von Christof Kneer

Was macht ein Fußballspieler, der bei einem Turnier täglich trainieren muss, wenn er plötzlich gar nicht mehr weiß, ob er überhaupt täglich trainieren muss? Wie reagiert er, wenn er am Montag-, Dienstag- und Mittwochmorgen im Teamhotel zum Frühstück kommt und die Sportlernahrung sieht, obwohl er vielleicht schon seit drei Tagen am Strand dicke Burger essen könnte, was er allerdings erst am Mittwochabend erfährt?

Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas nur weiß - oder es am eigenen Leib erfährt. Natürlich war allen Teilnehmern dieser EM schon vor der Veranstaltung bekannt, dass dieses Mal 24 statt 16 Nationen am kontinentalen Championat teilnehmen werden und dass außer den Gruppenersten und -zweiten dieses Mal auch vier von sechs Gruppendritten ins Achtelfinale vorrücken dürfen. Aber wie dieses Vorrücken genau funktioniert, das hat hoffentlich keiner vorher recherchiert. Weil er dann mit Recherchieren bis heute nicht fertig wäre.

Das Problem am Modus ist, dass ihm keine solidarische Idee zugrunde liegt

Es ist ja tatsächlich so: Die Albaner werden erst am Mittwochabend erfahren, ob sie drei Abende vorher ausgeschieden sind. Bis dahin werden Mannschaft, Betreuer und Journalisten ihre Quartiere behalten, sie werden weiterhin Turniergedanken denken, Turniersätze sagen und versuchen, möglichst tief in ihrem Turniertunnel zu bleiben. Und wer weiß, vielleicht müssen sie dann ja gar nicht nach Hause, sondern spielen am Sonntag, zum Beispiel, gegen Weltmeister Deutschland.

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Man dürfte es, ohne naiv zu sein, gut finden, wenn die Albaner sich am Mittwochabend übers Weiterkommen freuen könnten oder die Isländer, Slowaken oder Iren. In einem Europa, in dem über Grexits und Brexits gestritten wird, darf man es gerne auch für ein begrüßenswertes Signal halten, wenn die sogenannten Kleineren auch mal mitmachen dürfen. Und wer immer noch mit gerümpfter Nase darauf verweist, dass das sportliche Niveau durch das Upgrade doch arg gelitten habe, der sei zur Strafe zu einer kompletten Ansicht des Champions-League-Halbfinales Real Madrid gegen Manchester City verdonnert.

Das Problem am neuen Turniermodus ist nicht, dass nach knapp zwei Wochen Spielzeit gerade mal acht Teams ausscheiden werden. Diese kleine sportliche Verwässerung wird man im Sinne der Solidarität alle vier Jahre aushalten können. Ein Problem ist aber, dass dem neuen Modus gar keine solidarische Idee zugrunde liegt. Der Modus ist in Funktionärsköpfen ausgeheckt worden, was grundsätzlich zu jedem Anfangsverdacht berechtigt.

Es ist die älteste aller Funktionärsgaukeleien, vor Präsidentschaftswahlen die Teilnehmerfelder aufzupumpen, um sich Stimmen der kleineren Nationen zu organisieren. 1974 gelangte João Havelange ins Amt des Fifa-Chefs, nachdem er eine Ausweitung der WM auf 24 Teams versprochen hatte; 1994 sicherte er sich eine letzte Amtszeit, weil er die WM auf 32 Länder vergrößerte. Und der inzwischen suspendierte Michel Platini erwarb sich vor seiner Wahl zum Uefa-Präsidenten die Dankbarkeit vor allem der osteuropäischen Verbände, indem er plötzlich 24 Teams zur EM zuließ.

Gianni Infantino, der neue Fifa-Chef, hat bereits angekündigt, Weltmeisterschaften künftig mit 40 Mannschaften auszurichten. Das möchte man dann vielleicht doch nicht sehen.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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