Fußball-EM:Andrés Iniesta inszeniert die Sinfonie mit Neuner

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Findet auch gegen drei Spieler die Lücke: Andrés Iniesta (Foto: REUTERS)
  • Gegen die Türkei gelingt Spanien der höchste Sieg des Turniers, auch weil die Passmaschine nun endlich einen Zielspieler gefunden hat.
  • Mit dem 3:0 baut die Mannschaft von Trainer Vicente del Bosque die Serie ohne Gegentor bei einer EM auf 689 Minuten aus.
  • Hier gibt es alle Tabellen und Ergebnisse zum Turnier in Frankreich.

Von Maik Rosner, Nizza

Zumindest einmal geriet Andrés Iniesta kurz in die Defensive. Es war jener Moment, als er in Badeschlappen auf das Podium im Bauch der Arena von Nizza geklettert war und als herausragender Akteur des überzeugenden 3:0 (2:0) gegen die Türkei geehrt wurde. Die Frage, warum er und nicht der zweifache Torschütze Álvaro Morata nun auf dem Podium saß, hatte aber nur teilweise ihre Berechtigung. Denn der mittlerweile 32-jährige Iniesta vom FC Barcelona war beim vorzeitigen Achtelfinaleinzug wieder einmal als Hirn und Regisseur der spanischen Nationalmannschaft aufgetreten und hatte mit seinen Kreationen aus Pässen und Spielzügen erst die Basis gelegt für die drei Tore seiner Kollegen Morata (34./48.) und Nolito (37.).

Die Frage nach Morata kam eher als Fortsetzung jener Debatte daher, die vor dem zweiten EM-Spiel der Spanier geführt worden war. Spielerisch stark und mit der gewohnten Aneinanderreihung feinfüßiger Passfolgen war der Titelverteidiger ja bereits beim 1:0 gegen Tschechien aufgetreten. Doch in der Heimat war die Debatte um die finale Zuspitzung angeschwollen, um einen Mangel an Durchschlagskraft.

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Nun hatte diese Diskussion durch die drei Stürmertore, durch den zentralen Angreifer Morata von Juventus Turin und den Außenstürmer Nolito von Celta Vigo, ein abruptes Ende gefunden. Oder anders: Spanien verfügt nun auch noch über einen echten Neuner und damit über einen Abnehmer für die Kreationen der nimmermüden Passmaschine im Mittelfeld, angeleitet vom genialen Iniesta. Der, wie die Marca dichtete, seine "neunte Sinfonie" komponiert hatte, weil er zum neunten Mal bei einer EM oder WM zum wertvollsten Spieler einer Partie erhoben worden war. Gegen die hilflosen und nun so gut wie ausgeschiedenen Türken war es demnach aber auch eine Sinfonie mit Neuner.

"Wenn der Wettbewerb weitergeht, müssen wir uns steigern. Das haben wir getan", sagte Iniesta lässig in seinen Badeschlappen auf dem Podium und vergab für sich und die Kollegen die Bestnote für den zweiten Auftritt bei dieser EM. Morata, der im Viertelfinale der Champions League mit einem bemerkenswerten Sololauf über den halben Platz samt Tor für Turin bereits den FC Bayern beeindruckte, erreichte danach auf der Fröhlichkeitsskala zehn von zehn Punkten. "Das ist ein großartiger Moment, ich bin sehr glücklich. Wir sind im Achtelfinale, aber wir wollen jetzt Gruppensieger werden", sagte er. Er genieße diesen "Traum", flötete er weiter, auch wegen der besonderen, ja "einzigartigen Stimmung in der Mannschaft", wie er sagte.

Tatsächlich wirken die tristen Tage der WM 2014 mit dem Aus nach der Gruppenphase gerade fern wie eine längst vergangene, dunkle Epoche. Die Ära der Spanier könnte in Brasilien nur unterbrochen worden sein nach den Titelgewinnen bei den EMs 2008 und 2012 sowie bei der WM 2010. In dieser Form geht jedenfalls nach den bisherigen Eindrücken des Turniers wohl kaum ein Weg vorbei an Vicente del Bosques Mannschaft, wenngleich die Türken umfassend überfordert waren mit dem schnellen, schönen Spiel.

Dennoch: Auch der Trainer sprach nach dem bisher überzeugendsten Auftritt aller 24 EM-Teilnehmer sogar schon selbstbewusst vom Endspiel, in aller gebotenen Vorsicht natürlich. "Warten wir es ab, ob wir uns bis zum Finale steigern können", sagte der 65-Jährige. Seine Bestandsaufnahme zuvor klang allerdings schon ziemlich hymnisch. "Wir haben das Spiel fast über 90 Minuten kontrolliert, und wir haben Tore erzielt, was uns vorher nicht so gelungen ist. Es war perfekt", sagte del Bosque. Aber natürlich erinnerte er auch daran, noch nichts gewonnen zu haben und sprach gar zurückhaltend von "Glück", die sich bietenden Chancen so konsequent genutzt zu haben.

Immerhin, auch das hielt er fest: "Die Mannschaft weiß sehr genau, was sie zu tun hat." Es klang wie eine Mischung aus zufriedenem Zwischenfazit und Aufforderung zugleich. Und wie der Wunsch, den eigenen Rekord von nun sieben EM-Endrundenspielen ohne Gegentor (seit 689 Minuten, seit dem 1:1 gegen Italien im Auftaktspiel des Turniers von 2012) auszubauen und die hinzugewonnene Abschlussstärke, zumal der Angreifer, nicht wieder abzulegen. "Drei Punkte" gab del Bosque noch knapp in Auftrag für das letzte Gruppenspiel gegen Kroatien am Dienstag in Bordeaux. Ein Punkt würde aber schon genügen, um vor dem Achtelfinale Platz eins zu behaupten. Ein Stürmertor bräuchten sie dann also eigentlich gar nicht.

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