Fußball:Eine Wette auf die eigene Leistung

In der Gehaltsdebatte mit seinen Profis setzt Borussia Dortmund auf die Hilfe des Publikums.

Freddie Röckenhaus

Eigentlich hätten sie sich am Freitag im vereinseigenen Hotel Lennhof, einem gemütlichen Fachwerkhaus mit Pferdewiese hinter der Terrasse, heimlich, still und leise auf einen spektakulären Notplan einigen wollen: 20 Prozent Gehaltsumwandlung - nur wenn am Saisonende ein Champions-League-Platz in der Bundesliga und ein gutes Abschneiden im laufenden Uefa-Cup herauskommen, soll Borussia Dortmunds Elitetruppe dieses Fünftel vom vertraglich vereinbarten Festgehalt nachträglich ausbezahlt bekommen. Doch der Plan war zu brisant, als dass er hätte intern bleiben können. Noch am Freitagabend war alles ausgeplaudert.

Fußball: Niedergeschlagen: Die Profis des BVB nach der Niederlage in der Champions-League-Qualifikation.

Niedergeschlagen: Die Profis des BVB nach der Niederlage in der Champions-League-Qualifikation.

(Foto: Foto: AP)

Die dramatischen Einnahmeverluste, die der BVB durch die unerwartete Nicht-Qualifikation für die Millionen-Liga erleidet, möchten Manager Michael Meier und Präsident Gerd Niebaum an die Mannschaft weitergeben. "Es geht nur um eine Gehaltsumwandlung", sagt Meier, der Erfinder des revolutionären Modells: "Wir appellieren an das Verantwortungsgefühl, 20 Prozent des Festgehalts freiwillig in eine leistungsabhängige Zahlung umzuwandeln. Das ist kein unfaires Angebot." Die Dortmunder Spieler würden praktisch eine Wette auf die eigenen Leistung abschließen, was der derzeit verletzte Kapitän Christoph Metzelder, staatsmännisch kommentiert: "Die Mannschaft ist auf keinen Fall unsensibel für die ganze Problematik."

Hohe Festgehälter

Dortmunds Mannschaft kostet über 60 Millionen Euro pro Saison. Es ist der vermutlich teuerste Kader der Bundesliga. Die meisten Verträge datieren noch aus Zeiten der Kirch-Euphorie, als die Klub-Präsidenten meinten, das Wachstum sei nicht aufzuhalten. Seit dem Kirch-Crash und dem Zusammenbruch der Werbe- und Fernsehmärkte sitzen vor allem Klubs wie Dortmund auf hohen Festgehältern. Denn in der Hysterie, die vor einigen Jahren Europas Fußball-Szene beherrschte, konnten Stars wie Amoroso, Koller, Rosicky, Kehl oder Frings Verträge fast ohne leistungsbezogenen Anteil durchsetzen.

Nun knarzt und ächzt das "Gebilde Borussia Dortmund", wie Manager Meier den Traditionsklub unlängst bezeichnete. "Wir haben auf keinen Fall irgendein Liquiditätsproblem", sagt Meier, "wir werden aber in diesem Geschäftsjahr hohe Verluste machen, wenn sich nichts ändert."

Die Gehalts-Konferenz im Hotel Lennhof endete mit einem Teilerfolg für das Management. Routiniers wie Christian Wörns und Stefan Reuter, seit Jahren Spitzenverdiener, sollen angeblich spontan zugesagt haben. Sportdirektor Michael Zorc ließ gar durchblicken, es hätten etwa 60 Prozent der Spieler ihr Einverständnis signalisiert.

"Es ist wohl normal, dass man sich das erstmal in Ruhe überlegen will", wird der derzeit verletzte Torsten Frings zitiert. Und selbst Dede, der Sprecher der brasilianischen Fraktion, sagt: "Es ist doch klar, dass man nicht begeistert ist, wenn der Chef einem Geld abziehen will. Schließlich sind wir gestraft damit, dass unsere Champions-League-Prämien ausbleiben. Es hat aber keiner von uns Brasilianern den Vorschlag abgelehnt."

Zugesagt haben sie allerdings bisher offenbar ebenso wenig wie die beiden Tschechen Tomas Rosicky und Jan Koller. Zugleich haben offenbar einige Dortmunder Profis bei der Konferenz heftig kritisiert, dass angesichts der schon vor dem Brügge-Debakel angespannten Finanzlage weitere Spieler eingekauft wurden - darunter Ersatztorwart Warmuz oder auch Jensen und Bergdölmo.

Frings polterte angeblich: "Und wenn noch so viele Spieler für meine Position geholt werden - am Ende werde doch ich spielen." Natürlich, kontert Meier, habe man die Mannschaft nach schweren Verletzungen von Frings, Evanilson, Demel und Metzelder verstärken wollen, um gegen Brügge kein Risiko einzugehen. Doch die Führung spielt offensichtlich geschickt mit dem Druck, den die Öffentlichkeit erzeugen wird.

Dreimal so teuer wie der VfB Stuttgart

Absichtsvoll hat Meier in einem Interview geschätzt, die Mannschaft sei "dreimal so teuer wie die des VfB Stuttgart". Wer als Verzichts-Verweigerer geoutet wird, darf sich im Westfalenstadion deshalb sicher auf gezielte Pfeifkonzerte gefasst machen.

Zorc hat bereits burschikos angekündigt, wer weg wolle, könne gehen. Angesichts des "toten Transfermarktes", so Zorc, könne er Spielern nur Glück wünschen, einen neuen Verein zu finden, der auch nur die verbleibenden 80 Prozent der bisherigen Dortmunder Gehälter zu zahlen imstande sei. Marcio Amoroso, dessen Festgehalt bei angeblich deutlich über vier Millionen Euro pro Saison liegt, dürfte dabei Ansprechpartner Nummer eins sein.

Allerdings ist Dortmund in der vertrackten Lage, zu einem weitgehenden Konsens kommen zu müssen. Einseitige Gehaltskürzungen ziehen arbeitsrechtlich eine Ungültigkeit des Vertrages nach sich. Spieler wie Rosicky oder Koller könnten dann ablösefrei den Verein verlassen - und sich bei ihrem neuen Klub ein hohes Handgeld aushandeln.

Doch angesichts der Finanznöte von englischen, spanischen und italienischen Vereinen ist fraglich, ob sich schnell neue Arbeitgeber finden lassen. Zumal die Dortmunder für die Champions-League nicht mehr spielberechtigt sind.

Die Gerüchte, Dortmund würde kurz vor Ende der Transferfrist noch Dede oder Christoph Metzelder verkaufen, sind dagegen vom Tisch. "Es ist Unsinn, dass wir das nötig hätten", betont Niebaum. "Ein Kapitän geht nicht von Bord", verkündet Metzelder populär. Ein 18-Millionen-Ablöse-Angebot von Manchester United hat Dortmund angeblich abgelehnt.

Das Problem, die Gehälter drücken zu müssen, bleibt dem BVB-Management allerdings erhalten. Ob Spieler wie Reuter, Wörns, Kehl oder Ricken auch dann noch auf die 20 Prozent-Kappung eingehen werden, wenn andere Stars trotz des Drucks aus den Fanblöcken nicht mitmachen, erscheint fraglich. Die nächste Lennhof-Konferenz kommt bestimmt.

(sueddeutsche.de)

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