Fußball:Ein Ibrahimovic unter vielen

Zlatan Ibrahimovic

Neue Farben, alter Zlatan: Ibrahimovic im Trikot seines neuen Arbeitgebers L.A. Galaxy.

(Foto: Jon Shard/dpa)
  • Zlatan Ibrahimovic wechselt in die Major League Soccer zu Los Angeles Galaxy und soll die Begeisterung am Fußball in den USA fördern.
  • Der selbst ernannte Fußballgott kommt aber in eine Stadt, in der mehr als eine Sportlegende beheimatet ist.
  • Bei seinem neuen Klub geht es für Ibrahimovic auch noch um eine mögliche Teilnahme an der Weltmeisterschaft.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist natürlich eine unverschämte Falschmeldung, dass der schwedische Fußballspieler Zlatan Ibrahimovic einen Vertrag bei der amerikanischen Fußballfranchise Los Angeles Galaxy unterschrieben hat. Richtig ist vielmehr: Galaxy hat bei Ibrahimovic unterschrieben - und damit dieses wichtige Detail auch ja niemand vergisst, hat Ibrahimovic die Bewohner per Zeitungsanzeige in der Los Angeles Times explizit darauf hingewiesen. Es ist eine komplett weiße Seite, unten links hat Ibrahimovic neben dem Galaxy-Wappen unterschrieben. Oben steht in kleinen Buchstaben: "Dear Los Angeles. You're welcome." Liebes Los Angeles, bitteschön.

Dieses Los Angeles, es kann sich nun wirklich nicht daran erinnern, "Danke" gesagt zu haben.

Ibrahimovic hat einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt für seinen Wechsel in die Profiliga MLS gewählt: Am Wochenende fanden in Los Angeles drei Partien der College-Basketball-Meisterschaft "March Madness" statt. Die Kings kämpfen derzeit beherzt um die Teilnahme an den Playoffs in der Eishockeyliga NHL, die Clippers verzweifelt um jene in der Basketballliga NBA. Die Dodgers, in der vergangenen Baseballsaison erst im entschiedenen Finalspiel unterlegen, starten am Donnerstag im heimischen Stadion auf dem Hügel im Stadtzentrum die neue Spielzeit. Der Footballklub Rams hat am Montag dem furchtlosen Verteidiger Ndamukong Suh einen 14-Millionen-Jahresvertrag gegeben.

Es haben also gar nicht mal so viele Sportfans überhaupt bemerkt, dass Ibrahimovic in Los Angeles angekommen ist.

Es haben also gar nicht mal so viele Sportfans überhaupt bemerkt, dass Ibrahimovic in Los Angeles angekommen ist

Es stimmt natürlich, dass Ibrahimovic bestens aufgehoben ist in der Metropole an der Westküste. Marcel Reif, der Fernseh- und Fußballdeuter, hat die MLS mal "Operettenliga" geschimpft und einen Verein in "Orlando Hotzenplotz" umgetauft. Was würde einer wie Ibrahimovic bei Seattle Schlagmichtod oder Vancouver Wasweißich tun? Er hat bei Vereinen gespielt, deren Spitzname reicht, um sie zu identifizieren: Ajax. Juve. Inter. Barça. Milan. PSG. ManUnited. Nun also Galaxy, ein durchaus klangvoller Name, mit fünf Titeln Rekordmeister der Liga. Und natürlich Los Angeles, eine Stadt, die dem ehemaligen Basketballspieler Kobe Bryant gerade einen Oscar für einen Kurzfilm gegeben hat, der nichts anderes ist als eine schamlose Selbstbeweihräucherung.

Ibrahimovic ist ein unfasslich begabter Stürmer, dem derart wahnwitzige Aktionen gelingen, bei denen sich manche den Daumen brächen, würden sie das auch nur auf der Playstation versuchen. Er hat auch kapiert, dass Profisport eine Sparte der Unterhaltungsindustrie ist: Er verhohnepipelt Gegner, demütigt Schiedsrichter und bezeichnet sich immer wieder gar nicht mal so augenzwinkernd als direkten Abkommen der Allerhöchsten.

Er ist eine Marke, unvergessen ist ein Dialog mit einem Reporter während der WM 2014 in Brasilien. Ibrahimovic: "Nur Gott weiß, ob wir weiterkommen werden." Reporter: "Nun, es ist ziemlich schwer, ihn zu fragen." Ibrahimovic: "Du sprichst doch gerade mit ihm."

Der Gott ist nur noch einer unter vielen Göttern

Der selbst ernannte Fußballgott kommt nun in eine Stadt, in der es bereits ziemlich viele Ansammlungen von Göttern gibt. Bei den Los Angeles Lakers zum Beispiel spielt Lonzo Ball, dessen Vater LaVar bei der Vorstellung seines Sohnes im Staples Center - während einer Veranstaltung des Selbstdarsteller- und Schaumschläger-Sports Wrestling übrigens - diesen prächtigen Satz sagte: "Es gibt nur zwei Menschen auf der ganzen Welt, die besser sind als ich - und ich bin beide!" Das führt freilich zur Frage: Wird Ibrahimovic in Los Angeles überhaupt auffallen? Oder wird er ein Nachfahre von David Beckham, der zunächst vergöttert wurde, die Sportart Fußball indes nicht aus der amerikanischen Randsportarten-Nische führen konnte?

Ibrahimovic sagt nun all diese schrecklichen Floskeln, die europäische Stars wie Andrea Pirlo, Bastian Schweinsteiger und wahrscheinlich in den 1970ern auch Franz Beckenbauer und Johan Cruyff bei ihrer Ankunft in den USA gesagt haben: "Ich möchte so viel wie möglich erreichen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Erfahrung dazu beitragen kann, dass wir gewinnen." Das mit der Erfahrung könnte ein Problem werden, mit dem auch schon Cruyff und Beckenbauer und Pirlo und Schweinsteiger umgehen mussten: Ibrahimovic ist 36 Jahre alt, aufgrund einer Operation am Knie hat er in dieser Saison nur fünf Partien für Manchester United in der Premier League absolviert und sich nebenbei natürlich mit Trainer José Mourinho angelegt.

Ibrahimovic verdient in Los Angeles viel weniger als in Manchester

Es ist schrecklich, dass es im Profifußball beinahe immer ums Geld geht - manchmal ist das aber auch hilfreich, weil einer fußballerischen Marke wie Ibrahimovic ein Preisschild angehängt werden kann. Er hat unfasslich viel Geld verdient in seiner Karriere, bei Manchester United sollen es zuletzt knapp 27 Millionen Dollar pro Saison gewesen sein. Bei Los Angeles Galaxy sind es drei Millionen Dollar für zwei Spielzeiten. Immer noch viel Geld, gewiss, aber nur 5,5 Prozent des vorherigen Salärs. In der internen Gehaltsliste sämtlicher Profisportler in Los Angeles dürfte Ibrahimovic nicht unter den teuersten 100 auftauchen. Der Gott ist nur noch einer unter vielen Göttern, im Olymp von Los Angeles eher Janus als Zeus.

Ibrahimovic möchte nun so schnell wie möglich fit werden - nicht nur für seinen neuen Verein, für den er bereits am kommenden Wochenende beim ersten Derby gegen den neu gegründeten Stadtrivalen Los Angeles Football Club auflaufen könnte. Er möchte Spielpraxis sammeln für eine mögliche Rückkehr ins schwedische Nationalteam, aus dem er nach der EM 2016 zurückgetreten ist. "Ich vermisse die Mannschaft. Wenn ich will, dann kehre ich zurück - ich möchte allerdings das Gefühl haben, dass ich eine gute Leistung abliefern kann." Nationaltrainer Janne Andersson sagt zu einem möglichen Comeback beim deutschen WM-Vorrundengegner in Russland: "Er kann mich sehr gerne anrufen." Das ist eine ähnlich gleichmütige Botschaft, wie sie Ibrahimovic auch von der Stadt Los Angeles bekommen hat.

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