Fußball-DFB-Pokal:Der Zwitter des Fußballs

Der DFB-Pokal ist nicht mehr nur ein DFB-Pokal - er dient zugleich auch noch als Test de luxe für die Bundesliga-Rückrunde.

Johannes Aumüller

Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde heftig darüber diskutiert, ob die Tage des DFB-Pokals gezählt seien. Neben Champions League und Bundesliga und all den anderen schönen Wettbewerben der Fußball-Welt wie Weltpokal und Liga-Pokal und Hallen-Pokal war er irgendwie zu einem überflüssigen Turnier verkommen, bei dem man so nebenbei mitkickte. Entsprechend hoch war die Scheiter-Quote unter den Bundesligisten, entsprechend kamen gar Zweitliga- oder Amateur-Mannschaften wie Hannover (1992), Cottbus (1997) oder Union Berlin (2001) bis ins Finale.

Fußball-DFB-Pokal: Bastian Schweinsteiger (links) und Franck Ribéry bejubeln Bayerns gelungene Generalprobe gegen Stuttgart.

Bastian Schweinsteiger (links) und Franck Ribéry bejubeln Bayerns gelungene Generalprobe gegen Stuttgart.

(Foto: Foto: Getty)

Dieses Image hat sich aus mehreren Gründen gewandelt. Weil die Vereine verstanden haben, dass es in kaum einem Wettbewerb so einfach ist, erfolgreich zu sein und sich fürs europäische Geschäft zu qualifizieren wie im DFB-Pokal. Weil die Vereine deshalb ernster zur Sache gehen. Weil sich mit dem Sieg des DFB-Pokals unter Umständen das schöne Wort "Double" in die Erfolgsliste eintragen lässt. Und weil DFB-Pokal-Runden wie in dieser Woche nicht mehr nur eine schnöde DFB-Pokal-Runde sind, sondern zeitgleich eine wichtige Zusatzfunktion erfüllen: Als letzter Prüfstein vor der Bundesliga-Pflicht. Als letzte Standortbestimmung. Als Test de luxe.

Schon im Sommer war dieses Phänomen an manchen Stellen zu beobachten. Wer beispielsweise Bayerns mühsamen 4:3-Sieg gegen den Regionalligisten Erfurt mitverfolgte, konnte den bayerischen Holper-Start in die Bundesliga-Runde schon mutmaßen. Nun tritt diese Beobachtung noch einmal deutlich zu Tage. Ergebnisse, Auftritte und Szenen der abgeschlossenen DFB-Pokal-Runde werden heiß diskutiert; dabei weiß mancher Beobachter nicht einmal, ob es sich um die Zwischenrunde, das Achtel- oder das Viertelfinale handelte.

Stattdessen geht es in den Diskussionen meist um die Auswirkungen auf die Rückrunde. "Wir haben das so gespielt, wie wir es schon gegen Mainz und Kaiserslautern gemacht haben", stellte Bayerns Trainer Jürgen Klinsmann das Defensiv-Verhalten seiner Elf in eine Analyse-Reihe mit den Vorbereitungsspielen. Seine Münchner haben gegen Stuttgart so überzeugend gespielt, dass ihnen manch einer schon jetzt die Meisterschale überreichen will - da wird dann auch gerne vergessen, dass die Bayern derzeit nur Tabellenzweiter sind.

Die Hamburger wiederum haben immerhin so gut gespielt, dass ihnen noch zugetraut wird, am Freitag mit den Bayern halbwegs mitzuhalten und das Meisterschalenüberreichen vielleicht doch noch ein paar Spiele zu vertagen. Und auch die Leverkusener und die Dortmunder sind so stark aufgetreten, dass die Ansprüche an sie für die Rückrunde gestiegen sind.

Bei Stuttgart wiederum führt ein 1:5 schon zu einer Mini-Krise und einem polternden Torwart Jens Lehmann. Das Selbstbewusstsein des Karlsruher SC ist nach der Pleite gegen einen Zweitligisten mächtig angeknackst, und die Cottbuser waren derart unterlegen, dass sie sich fragen müssen, ob sie tatsächlich in derselben Liga wie der Gegner Leverkusen spielen. Die Katharsis-Wirkung der spielfreien Winterpause ist bei den Abstiegskandidaten schon verpufft, noch ehe die Bundesliga überhaupt begonnen hat.

Die Zwitterfunktion des DFB-Pokals zwischen eigenständigem Wettbewerb und Bundesliga-Ouvertüre zeigte sich auch bei den Mannschaftsaufstellungen. Bayerns Trainer Jürgen Klinsmann verzichtete gegen Stuttgart auf den Stamm-Rechtsverteidiger Massimo Oddo und brachte stattdessen Christian Lell. Der Hintergrund: Oddo ist nach einer roten Karte in der Bundesliga gesperrt.

Für andere Trainer ist der DFB-Pokal als solcher aber wichtig genug, um dort nicht freiwillig auf gute Spieler zu verzichten. Für den HSV agierte der Kroate Ivica Olic - obwohl der Angreifer am Wochenende in der Bundesliga gesperrt ist. Und auch Bremens Trainer Thomas Schaaf stellte Spielmacher Diego und Angreifer Claudio Pizarro von Beginn an auf - in dem Wissen, dass dieses Duo in den ersten Bundesliga-Spielen fehlt.

Der Pokal, das weiß jeder Fußballfan, hat seine eigenen Gesetze. Als neuer Paragraph kann in schönstem Juristendeutsch hinzugefügt werden: Die Wichtigkeit eines Pokalspiels ermisst sich nicht nur in der Frage des Erreichens der nächsten Runde, sondern auch in den Auswirkungen des Spieles auf die Bundesliga-Runde. So ist der DFB-Pokal doppelt genutzt. Wen interessieren eigentlich noch Weltpokal, Liga-Pokal und Hallen-Pokal?

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