Fußball-DFB-Pokal:Allzu spät erwacht

Der Traum vom Triple ist vorbei: Bayern verliert nach vergeblicher Aufholjagd gegen Leverkusen 2:4 - Trainer Klinsmann bleibt trotzdem ruhig.

Es war nicht ganz klar, ob es sich um einen Trost in schweren Zeiten handelte, oder doch um eine versteckte, den Druck noch erhöhende Gemeinheit in Richtung Trainer Jürgen Klinsmann, als der pensionierte Torsteher Oliver Kahn kürzlich behauptete, der FC Bayern sei stark genug besetzt, um in dieser Saison alle Titel zu gewinnen. Wirklich alle, sagte Kahn, sogar die Champions League, "die Spieler müssen das nur in ihre Köpfe kriegen." Das klang ganz nach sonniger kalifornischer Klinsmann-Denkart: Alles, woran du fest glaubst im Leben, ist machbar - think big!

Fußball-DFB-Pokal: Leverkusens Arturo Vidal bejubelt seinen Treffer gegen den FC Bayern.

Leverkusens Arturo Vidal bejubelt seinen Treffer gegen den FC Bayern.

(Foto: Foto: AP)

Im weniger sonnigen Düsseldorf am Rhein, wo übergangsweise Bayer Leverkusen Heimspiele veranstaltet, hat der FC Bayern am Mittwochabend seine erste Titelchance vertan, 2:4 (0:0) unterlagen mäßig verfasste Münchner im DFB-Pokal-Viertelfinale. Barnetta (54.), Vidal (61.), Helmes (70.) und Kießling (90.+2) erzielten die Tore für blendend aufgelegte Leverkusener. Die finsteren Wolken über dem FC Bayern, für den Lúcio (72.) und Klose (74.) trafen, verdichten sich: Im achten Pflichtspiel 2009 war es die vierte Niederlage der Erfolgsverwöhnten.

Manager Uli Hoeneß und Klinsmann analysierten den erneuten Nackenschlag in selber Tonlage: sachlich, mit Contenance. "Es bringt nichts, auf die Jungs einzuhauen", sagte der Trainer - die Frage wird auch eher sein, ob diese noble Haltung ihm selbst entgegengebracht wird. "Das Ausscheiden wurmt uns sehr, aber das müssen wir schlucken und am Samstag in der Bundesliga reagieren", sagte Klinsmann. Hoeneß bekräftigte: "Es wäre populär, die Spieler in Sack und Asche zu hausen, das tun wir nicht."

Auf die berechtigte Frage, warum Bayern lange seltsam passiv wirkte und erst beim Stand von 0:3 zur beherzten Aufholjagd blies, erinnerte Hoeneß an den 2:0-Ligasieg in Leverkusen im November: Damals fuhren die Bayern mit abwartender Kontertaktik prima. "Auswärts spielst du hier nicht Hauruck", sagte Hoeneß, "wir haben darauf spekuliert, dass Leverkusen am Schluss wieder etwas abfällt. Aber heute hat es nicht gereicht, Bayer hat sehr gut gespielt." Stürmer Miroslav Klose gab zu: "Das war zu wenig. Wir haben lauter Weltklasse-Spieler - aber das müssen wir auf dem Platz auch zeigen."

In die Münchner Anfangself rotierte überraschend Andreas Ottl hinein, hinaus musste der formschwache Bastian Schweinsteiger. Ohne den lädierten Torjäger Luca Toni wählte Klinsmann erneut eine kompakte Fünfermittelfeld-Aufstellung, mit Miroslav Klose als Solostürmer. Das sah zuletzt in Bremen (0:0) gar nicht defensiv aus, trotz der jüngsten Diskurse im Team über mehr innere Sicherheit.

Jenen Münchner Taktik- und Trainerdebatten hielten die Leverkusener eine Typendebatte entgegen, eine Schwächephase in der Liga nährte den Verdacht, dass den jungen Fußballästheten von Bayer 04 zuweilen ein paar kantige Anführer fehlen, die an Tagen des blühenden Phlegmas raubauzig gegensteuern können.

Diesmal legten die Leverkusener sofort kraftvoll los: Stürmer Patrick Helmes, Deutschlands Ausnahmekönner in der Disziplin one-touch-Torabschluss (bevorzugt mit der Innenseite), wurde beim ersten gefährlichen Versuch von Bayern-Verteidiger Zé Roberto geblockt (2.), beim zweiten zwang Helmes Torwart Rensing zu einer Flugeinlage (3.).

Allzu spät erwacht

Bayer zog ein giftiges, rennintensives Pressing auf, mit mutmaßlich begrenzter Durchhaltedauer. Aber: Es nervte die Münchner, die schwer in die Gänge kamen. Helmes hatte bald seine dritte gute Szene, bedient von Vidal, wieder zog er direkt und ansatzlos ab, diesmal klärte Rensing mit dem Fuß (17.). Kurz darauf zielte Barnetta knapp am Bayern-Tor vorbei (22.), Renato Augusto schoss aus 18 Metern, in Rücklage geratend, in den Oberrang (31.).

Leverkusens neues Innenverteidigerpaar Henrique/Sinkiewicz bekam nur selten Druck, weil das eigene Mittelfeld ihn fernhielt. In der 41.Minute misslang das erstmals mit bedrohlichen Folgen: Hamit Altintop hatte die erste Bayern-Torgelegenheit von höherer Relevanz, Nationaltorwart Rene Adler war auf der Hut. Mit Ottl, van Bommel und Borowski in der Mittelfeld-Zentrale waren die Münchner sehr diskret ausgerichtet.

"Bayern spielt schwach, ohne Dynamik und Zweikampf-Härte", bemängelte zur Pause TV-Experte Ottmar Hitzfeld den Auftritt seiner Ehemaligen. Auch Franck Ribéry blieb blass, ihm fehlte Doppelpasspartner Zé Roberto, der erneut links hinten den grippekranken Lahm vertreten musste.

Halbzeit zwei begann, Bayern wurde eher noch teilnahmsloser statt wacher - und Bayer drehte auf: Barnetta zielte aus 18 Metern diesmal präzise - 1:0 (54.). Der Chilene Vidal, obwohl kein Riese, köpfte zwischen Lucio und van Bommel nach einer Ecke unbedrängt ein - 2:0 (61.). Dann setzte der eingewechselte Schweinsteiger Bayers Linsverteidiger Kadlec per Fehlpass in Szene, Flanke in die Mitte, Helmes zur Stelle, selbstredend mit einem kurzen Ballkontakt - 3:0 (70.). Bayern drohte eine Düsseldorfer Debakelnacht.

Bis durch wuchtig aufwachende Münchner aus heiterem Himmel ein turbulenter Pokalfight ausbrach - ausgehend von Lucio, der aus kurzer Distanz per Kopf auf 3:1 (72.) verkürzte, Bayer-Torwart Adler hatte die Flanke von Massimo Oddo unterlaufen. Urplötzlich mutierte die Leverkusener Abwehr zu Wackelpudding. Miroslav Klose legte, ebenfalls mit dem Kopf, unverzüglich das 2:3 (74.) nach, der nun auftauende Ribéry hatte über links per Chip-Flanke vorbereitet. Und beinahe hätte der Franzose selbst die Bayern in die Verlängerung geschossen, doch Adler parierte Ribérys Schrägschuss aus Nahdistanz mit dem Fuß (81.).

Noch eine dicke Chance zum 3:3 bot sich Klose, diesmal griff sich Adler auf der Linie den Ball. Den finalen Überzahl-Konter setzten die Leverkusener in der zweiten Nachspielminute. Stefan Kießling setzte den 4:2-Schlusspunkt.

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