Fußball:DFB-Elf: Es zwickt im Tal der Tränen

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Estádio do Maracanã, 13. Juli 2014: Mario Götze holt sich von Joachim Löw die letzten Instruktionen ab, kurz bevor er zum Held von Rio wird. (Foto: dpa)

Beim Training in Berlin verletzt sich Kapitän Bastian Schweinsteiger. Bundestrainer Löw will ein anderes Sorgenkind aufpäppeln: Mario Götze.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Mittwoch wurde der Kreis der Fußballnationalmannschaft noch einmal kleiner. Zwei Tage nach der Ausbootung von Max Kruse (VfL Wolfsburg), den Bundestrainer Joachim Löw aus disziplinarischen Gründen für die Länderspiele am Samstag gegen England in Berlin (20.45/ZDF) und am Dienstag gegen Italien in München (20.45/ARD) auslud, meldete sich Kapitän Bastian Schweinsteiger ab. Der Angestellte des englischen Premier-League-Klubs Manchester United reiste nach München, um sich von einem anderen früheren Bediensteten des FC Bayern untersuchen zu lassen: von Hans-Wilhelm Müller Wohlfahrt.

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:Schweinsteiger erleidet Teilabriss des Innenbandes

Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verletzt sich beim Geheimtraining schwer am Knie. Damit fällt er nicht nur für die Länderspiele gegen England und Italien aus.

Eigentlich schien Löws Laune so blendend zu sein wie das phosphorfarbene T-Shirt, mit dem er, vom morgendlichen Training kommend, den Pressekonferenzsaal in Berlin betrat. Beim Namen Schweinsteiger aber verdüsterte sich sein Blick. Das Innenband des rechten Knies sei betroffen, sagte der Bundestrainer. Und als später die Diagnose kam - Innenbandteilriss - sagte Löw: "Das ist schon sehr bitter, Bastian war gerade wieder auf einem sehr guten Weg". Allerdings habe er seinem Kapitän versichert, ihn für die EM noch nicht abzuschreiben. Wie lange Schweinsteiger ausfällt, ist noch unklar. Der frühere Bayern-Profi, 31, hatte sich gerade erst nach einem im Januar erlittenen Innenbandriss am gleichen Knie zurückgemeldet. Beim Geheimtraining am Dienstagabend verletzte er sich ohne Fremdeinwirkung, wie Löw berichtete: beim Versuch, gegen Ende der Übungseinheit einen Pass zu schlagen. Für Schweinsteiger beginnt damit neuerlich ein Wettlauf mit der Zeit - wie vor der WM 2014, als die Patellasehne des linken Knies zwickte. Er kämpfte sich damals zurück und hatte "als absoluter Leader" (Löw) entscheidenden Anteil am Gewinn des Titels. Doch diesmal hat sein Körper etliche Kilometer mehr auf dem Tacho als damals. "Ich muss die Situation annehmen, wie sie ist. Und das werde ich auch", sagte Schweinsteiger.

Betrüblich ist das für Löw auch deshalb, weil das Jahr damit genau so zu beginnen scheint wie das alte endete. Der ganze Zyklus seit dem Gewinn des WM-Titels war von personellen Engpässen geprägt, man habe es nie geschafft, durchgängig einen festen Stamm von 15, 18 Spielern dabei zu haben, klagte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff.

Auf der Liste der krankheitsbedingten Absenzen fand sich immer wieder auch der Schütze des Finaltors gegen Argentinien: Mario Götze. Der ist seit 2013 beim FC Bayern gebunden, kam dort aber zuletzt derart selten zum Zuge, dass immer wieder Spekulationen auftauchen, er könne noch vor Ablauf seines 2017 endenden Vertrages zu Borussia Dortmund zurückkehren.

Am Mittwoch berichtete die Bild, es habe Sondierungsgespräche zwischen den Klubs gegeben; "das übliche Theater in der Länderspielpause", höhnte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke. Was nicht so klingt, als habe sich der Stand seit Anfang März, als die Bayern in Dortmund gastierten, substanziell entwickelt. Schon damals galt eine Rückkehr Götzes nach Dortmund als nicht mehr völlig ausgeschlossen, aber noch lange nicht zwingend. Das die Beteiligten über die Personalie informell im Gespräch sind, liegt ohnehin auf der Hand.

Welchen Ratschlag er Götze erteilen wird, will Löw erst nach einem Gespräch mit ihm entscheiden. Wie sehr er seinen Final-Joker ("Zeig' der Welt, dass du besser bist als Messi!") aber schätzt, strich er am Mittwoch deutlich heraus. Man dürfe Götzes Lage nicht zu sehr dramatisieren; dass junge Spieler, "die bei einer WM oder EM ganz entscheidende Dinge machen, durch ein Tal der Tränen gehen müssen, ist auch nur normal." In dieser Saison hat Götze nur bei acht Bayern-Spielen mitwirken können oder dürfen. Auf die Stimmung drückt aktuell, dass er seit seiner Genesung vom Sehnenausriss im Adduktorenbereich (Oktober 2015) nur 54 von 720 möglichen Spielminuten bestreiten durfte.

Zuletzt musste er sogar gegen den 1. FC Köln 90 Minuten lang zuschauen, obwohl Bayern-Trainer Pep Guardiola diverse Spieler schonte. Gleichwohl brach Löw am Mittwoch eine Lanze für den Bayern-Coach. Dessen fortdauernden Verzicht auf Götze könne er "teilweise nachvollziehen". Die Bayern jagten dem Triple hinterher, Götze habe einen extremen Konkurrenzdruck durch Spieler, die "hervorragend im Eins-gegen-eins geschult" seien, und Götze sei, "was seine Fitness und Form betrifft, noch nicht wieder da, wo er vor seiner Verletzungspause war." Es lohne sich dennoch immer, Götze zu unterstützen, "er kann Dinge, die andere nicht können", sagte Löw - und legte sich auf eine Nominierung fast fest: "Ich plane mit ihm auch Richtung EM."

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Das gilt vorerst nicht für den geschassten Max Kruse: "Ich war der Meinung, dass er einen Denkzettel braucht", sagte Löw. Das sei "nicht gleichbedeutend mit dem Aus für die EM", vielleicht lerne Kruse aus der Lektion. Eine mögliche Begnadigung ist aber streng konditioniert. "Ich werde weiterhin beobachten, was auf und neben dem Platz passiert", sagte Löw.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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