Fußball: Deutschland - Argentinien:Löws Baustellen

Zu jung, zu unerfahren, zu leise: Der Test gegen Argentinien führte der DFB-Elf im Hinblick auf die WM ihre Schwächen vor Augen. Auch Bundestrainer Löw hatte daran seinen Anteil.

Thomas Hummel

Je weiter die Uhr auf Mitternacht zulief, umso häufiger fielen die Worte "Abstimmung" und "Feinheiten". Bisweilen auch die Kombination "Feinabstimmung". Torwart Adler müsse sein Rauslaufen mit Verteidiger Mertesacker abstimmen, Schweinsteiger müsse die Feinabstimmung mit Ballack verbessern, und so weiter. Die ersten Ausführungen aus dem DFB-Tross hörten sich nach Kleinigkeiten an, nach ein bisschen Trainingslager in Südtirol - und dann klappt das schon bei der WM. Die zweiten Sätze nach diesem chancenlosen 0:1 in München gegen Argentinien aber verdeutlichten größeres Unbehagen. Und das völlig zu Recht.

Das Spiel gegen die Südamerikaner war der einzige Test, bevor Bundestrainer Joachim Löw den Kader für die WM in Südafrika nominiert. Es war die einzige Möglichkeit der DFB-Elf, zu ergründen, wo sie im internationalen Vergleich steht. Das Ergebnis: nicht so weit oben, wie gedacht. Offenbar hat Löw das selbst schon geahnt, weshalb er tagelang eindringlich vor den Stärken des Gegners gewarnt, geradezu geschwärmt hat von diesen Argentiniern. Dabei hatten diese unter ihrem Trainer Maradona nur hauchdünn ein Ausscheiden in der Qualifikation verhindert.

Wie U 21 gegen reife Profis

In München sah es so aus, als spielte eine hochveranlagte U 21 gegen eine Gruppe reifer Profis aus großen Klubs. Und genauso war es ja auch: Özil, Müller, Boateng, Kroos und Khedira - alle 20 bis 22 Jahre alt -, standen Vertretern von Inter Mailand, Real Madrid, FC Barcelona, FC Liverpool oder Manchester City gegenüber. Dazu Juan Sebastián Verón, der gefühlt schon bei all diesen Klubs gespielt hat.

Bundestrainer Löw sprach hinterher von "Baustellen" in seiner Mannschaft. Das geringe Alter und die internationale Unerfahrenheit ist dabei die größte. Doch auch im Gefüge der Elf muss hie und da der Bagger ran: Die Zentrale mit Schweinsteiger und Ballack birgt viele Probleme. Sie ist zu offensiv ausgerichtet, und weil alle das wissen, haben beide gegen Argentinien nur defensiv gewerkelt und die Offensive vergessen. Dem Platzhirschen Ballack wird dazu aber ohnehin bald die Lust fehlen.

Kein Titan, kein Teufelskerl

Oder Lukas Podolski und Miroslav Klose: Sie haben bewiesen, dass Spielpraxis und eine gute Form im Klub eben doch entscheidend sind, um auf höchstem Niveau in der Nationalmannschaft zu glänzen. Dazu wird im Tor diesmal kein Titan oder Teufelskerl stehen, sondern ein sehr selbstkritischer und eher leiser René Adler. Ob das der Abwehr rund um den selbstkritischen und eher leisen Per Mertesacker guttut?

Dies alles kann bei einer WM auch gutgehen, die jungen Leute könnten sich in der Vorrunde gegen zwar gute, aber nicht herausragende Mannschaften warmspielen, ihr Selbstbewusstsein und ihr Profil stärken. Doch spätestens, wenn es dann gegen einen sogenannten großen Gegner geht, wird Bundestrainer Löw alle Psycho-Tricks benötigen, um seiner Elf wieder das Vertrauen einzuflößen, ihn auch schlagen zu können. Der große Respekt vor den argentinischen Stärken wirkte diesmal wie eine Betäubungsspritze.

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