Fußball:Der letzte Biss

08 05 2015 xsvx Fussball 2 Bundesliga FSV Frankfurt TSV 1860 Muenchen v l Valdet Rama TSV 18

Der eingewechselte Valdet Rama (r.) trifft kurz vor Schluss zum Sieg. Die Zweitliga-Ergebnisse des folgenden Tages lösen dann aber gegenteilige Emotionen aus.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Trotz des 1:0-Siegs beim FSV Frankfurt bleibt 1860 auf einem Abstiegsplatz. Zum Heimspiel gegen Nürnberg erwarten die Löwen nun eine gut besuchte Arena - 40 000 Karten sind schon verkauft.

Von Markus Schäflein

Es reicht nicht!", brüllte Torsten Fröhling aufs Spielfeld, "es reicht nicht!" Der Trainer des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München meinte das 0:0, auf das die Partie beim FSV Frankfurt zutrudelte. Also spielte Daniel Adlung in der 84. Minute diesen genialen Pass auf Valdet Rama, einen Pass, wie man ihn in diesem verkrampften Kampf keinesfalls mehr erwartet hatte. Rama traf zum Siegtor und zog den FSV Frankfurt mit hinein in den Abstiegskampf. "War schon nicht so schlecht", fand Adlung, "wir trainieren das immer wieder, dass wir mit den Außen hinter die Abwehr kommen wollen. Das ist auch eine Waffe, wenn eine Mannschaft hoch verteidigt, so wie es Frankfurt gemacht hat." Und Rama gab zu Protokoll, er habe "genau gewusst, dass Adi diesen Ball spielt"; sein Tor habe ihm ein "großartiges Gefühl" bereitet.

Gefühle hin, Gefühle her - die Löwen hatten ihre Lehren aus dem 2:1 gegen Bochum gezogen. Damals jubelten und feierten sie nach dem Last-Minute-Sieg in der Arena, als sei der Klassenverbleib schon gesichert gewesen, um zwei Wochen später an der selben Stelle ein deprimierendes 0:3 gegen Union Berlin zu erleben. Diesmal feierte keiner, bloß ein kleines bisschen Erleichterung war zu spüren. Und wie sich zeigen sollte, war die Zurückhaltung äußerst berechtigt - es reichte nicht! Nach den Siegen von Aue und St. Pauli am Samstag rutschte der TSV 1860 zurück auf einen Abstiegsplatz. "Natürlich hofft man immer auf Fehler der Konkurrenz, aber wir rechnen nicht damit", sagte Traumpassgeber Adlung, "wir müssen das nächste Heimspiel positiv gestalten. Ich glaube, es geht bis zum Schluss."

Das nächste und letzte Heimspiel findet am Sonntag (15.30 Uhr) statt, es handelt sich um das Derby gegen den 1. FC Nürnberg, der am Sonntag 3:1 gegen Eintracht Braunschweig siegte. Und die Anhängerschaft der Löwen hofft und glaubt offenkundig an den Befreiungsschlag im ungeliebten Fröttmaning - über 40 000 Karten sind bereits verkauft worden für diese Partie, und gar Fröhlings Wunsch, die zur Gewohnheit gewordenen Abdeckplanen im Oberrang müssten entfernt werden, könnte in Erfüllung gehen. "Das wird gegen Nürnberg richtig geil werden", sagte Adlung, "vor so einer Kulisse zu spielen, das muss uns alle anstacheln."

Dabei wird allerdings Rubin Okotie, der Torjäger der Hinrunde, fehlen; er handelte sich in Frankfurt seine fünfte gelbe Karte dieser Saison ein und muss aussetzen. Die Befürchtung, auch sein Sturmkollege Stephan Hain könnte fehlen, bestätigte sich nicht; bei Hains Blessur aus dem Spiel beim FSV handelte es sich nicht um einen Muskelfaserriss, sondern um eine Zerrung im Oberschenkel. "Es besteht Hoffnung, dass er spielen kann. Dazu haben wir ja auch noch Rodri, und zur Not muss eben ein Verteidiger oder ein Torwart im Sturm spielen", sagte Trainer Fröhling, der ja seine Spieler aufgefordert hatte, auf mögliche Gelbsperren keine Rücksicht zu nehmen: "Wir dürfen jetzt nicht jammern. Es geht jetzt nur noch um den letzten Biss, da durch zu kommen."

Auch Fröhling war im Gefühl des Gewinnenmüssens "ein bisschen Risiko" gegangen, wie er sagte - er stellte auf ein 4-4-2- System um, mit Hain und Okotie als Doppelspitze sowie "zwei Spielenden in der Mitte mit Weigl und Adlung". Für besonderen Spielwitz sorgte diese nominell offensive Ausrichtung zwar nicht gerade, aber immerhin letztendlich für den Sieg. Nach der Partie lagen die Sechziger rücklings auf dem Rasen, starrten in den Himmel oder hielten sich die Hände vors Gesicht. Es waren Bilder, wie sie normalerweise nach Niederlagen üblich sind. "Heute konnten die Jungs kaum vom Platz gehen, so abgekämpft waren sie", sagte Fröhling. "Die vielen Fehlpässe haben wir kompensiert, weil einer für den anderen gelaufen ist." Der Trainer hatte einen derartigen körperlichen Zustand nach Schlusspfiff in der Woche zuvor eindrücklich angemacht. "Ich glaube, dass wir gut zuhören", sagte Adlung, "wenn diesmal alle vom Platz gekrochen sind, haben wir alles richtig gemacht."

Für Sonntag und Montag gab der zufriedene Fröhling den Erschöpften frei, am Dienstagnachmittag beginnt die Vorbereitung auf die Partie gegen Nürnberg. "Wir müssen jetzt den Kopf freikriegen", hoffte Adlung. "Man sollte immer das Leben auch ein Stück weit genießen. Wenn man nur an das Negative denkt, geht man irgendwann daran kaputt."

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