Fußball-Bundesliga:Werder hofft auf Wundermacher Max Kruse

Werder Bremen - Neuzugang Max Kruse

Gut gelaunt in Bremen: Zugang Max Kruse.

(Foto: dpa)

Die Bremer Fans können es kaum glauben: Der Nationalstürmer spielt künftig für ihren Klub. Doch der Transfer ist auch riskant.

Von Ralf Wiegand

Das Internet ist nur das Internet, also ein oft mit viel hektisch ausgeatmeter heißer Luft gefüllter, nicht real existenter Raum, in dem man schon nach drei Minuten die Besinnung verlieren kann. So viel Meinung, so viel Stimmung, so viel Geraune! Andererseits, was ist ein real existierender Stammtisch anderes, außer dass an dem nur zehn, zwölf Hansel sitzen, während sich die Meinung in Internet-Foren an Hunderten Usern ablesen lässt? So gesehen lohnt sich dieser Tage ein Blick in die Netzräume, in denen das Schicksal von Werder Bremen diskutiert wird. Das öffentliche Erregungsthermometer nach der Verpflichtung von Max Kruse aus Wolfsburg zeigt dort jedenfalls hohes Fieber. Man möchte fast zur Bettruhe raten.

Nach all den Jahren des Darbens, des Abstiegskampfes und des spielerischen Niedergangs kommt der Neue aus Niedersachsen vielen Bremern vor wie das achte Werder-Wunder. Transfers solch begabter Kicker im besten Fußballeralter und noch dazu aus dem Dunstkreis der deutschen Nationalmannschaft haben in den letzten Jahren immer nur die anderen gemacht. Werder hat an diesem Spiel, wenn überhaupt, nur als Verkäufer teilgenommen - um dennoch kontinuierlich ein dickes Minus in den jährlichen Bilanzen auszuweisen.

Kruses Rückkehr als Sinnbild eines Turnarounds

Die Rückkehr von Max Kruse, der Werder Bremen schon einmal von 2007 bis 2009 angehörte, ohne sich durchgesetzt zu haben, könnte nun auch sportlich als Sinnbild des Turnarounds gelten, den die Bremer wirtschaftlich schon erreicht haben. Die krasse Sparpolitik der letzten Zeit soll 2016 zum ersten Mal seit vier Jahren wieder zu einer positiven Bilanz führen. Weil dazu die - in diesem Fall glückliche - Fügung eines vollkommen heiß gelaufenen Transfermarkts auch den Bremern unverhofftes Geld in die Kassen gespült hat, nämlich jeweils zweistellige Millionenbeträge für die Spieler Jannik Vestergaard (nach Mönchengladbach) und Anthony Ujah (nach China), ist die Zeit der Mangelverwaltung offenbar fürs Erste vorbei. Für Kruse investieren die Hanseaten mindestens sechs, womöglich sogar bis zu neun Millionen Euro, allein als Ablöse. Es könnte sich damit tatsächlich um den teuersten Einkauf überhaupt an der Weser handeln.

Max Kruse ist nicht der erste Coup von Frank Baumann, der erst in der Sommerpause nach dem um Haaresbreite vermiedenen Abstieg den Job als Sportchef von Thomas Eichin (inzwischen 1860 München) übernommen hat. Eichin hatte in seinen drei Bremer Jahren wie eine Art Insolvenzverwalter gewirkt, sehr effizient bei der Reduzierung der Kader-Kosten, aber immer auch ein bisschen kühl. Als wirtschaftlicher Sanierer unter Vermeidung des sportlichen Super-Gaus, dem Abstieg, hat er seinen Job ausgezeichnet gemacht. Davon profitiert nun auch Baumann.

Gleich zum Einstand war es dem früheren Mannschaftskapitän und heutigen Geschäftsführer gelungen, Johannes Eggestein, eines der umworbensten Talente des Landes, im Klub zu halten. Der mit 34 Treffern beste Torjäger der vergangenen A-Jugend-Bundesliga-Saison unterschrieb seinen ersten Profivertrag in Bremen - und nicht bei einem der kolportierten Interessenten Dortmund, Leverkusen, Leipzig oder Bayern. Nun bildet er mit dem Alterspräsidenten Claudio Pizarro, 37, und dem 28 Jahre alten Kruse einen sehr interessanten Mehr-Generationen-Sturm.

An einem Karriereknick nach Bremen abgebogen

Kruse ist durch private Ungeschicklichkeit ins Trudeln geraten und an einem Karriereknick nach Bremen abgebogen - aber das ist bei Werder nichts Neues. Der Standort etwas abseits der Aufgeregtheitsmetropolen war schon seit jeher ein Biotop für Profis in besonderen Phasen ihrer Laufbahn; andere hätten die Bremer oft auch gar nicht bekommen. Sie haben damit gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Mesut Özil etwa, heute einer der wertvollsten Spieler der Welt, galt einst als Gefangener seines schwierigen Berater-Umfelds, weshalb ihn Schalke 04 genervt ziehen ließ und Bremen sich mutig auf ihn einließ.

Mario Basler, vom Spiegel mal als "aufsässiger Genius" beschrieben, machte sich in Bremen für die Bayern interessant. Johan Micoud, mit der Aura einer Diva gesegnet, fand von der Bank des AC Parma Eingang ins Bremer Fußball-Geschichtsbuch als genialster Spieler aller Zeiten, le chef eben. Seinem Landsmann Valérien Ismaël eilte der Ruf eines schwer integrierbaren Einzelgängers voraus - in Bremen lernte er schneller Deutsch als jedes Schulkind Französisch. Der Karrierist Diego entwickelte nur in Bremen so etwas wie Herzenswärme zu einem Verein, Torwart Tim Wiese wurde lange vor Beckmanns Sportschule in Bremen zum Kult. Und Miroslav Klose kam einst im absoluten Formtief aus Kaiserslautern in den Norden, drehte sein Schicksal und wurde später Weltmeister.

Werder glaubt wieder, ein attraktiver Bundesligist zu sein

Das alles waren Risikotransfers. Sie hätten schiefgehen können wie die Engagements so exotischer Vögel wie Eljero Elia, der mehr Rennautos gegen Park-Poller setzte als Bälle ins Netz, Marko Arnautovic, dessen Exzentrik nur noch Engländer ertragen können, oder wie der unvergessene Carlos Alberto, bisher mit 7,8 Millionen Euro Ablöse Werders zweitteuerster Einkauf (Marko Marin kostete 8,2 Millionen), aber mit zwei Einsätzen der teuerste Flop.

Max Kruse, so sieht es aus, ist nun der Königstransfer der Bremer in einer an Transfers reichen Saison. Zwölf Spieler kamen, zwölf Spieler gingen, aber kein Wechsel elektrisiert mehr als Kruses Zusage. 75 000 Euro im Taxi vergessen? Nacktbild-Affäre? Als Kind in HSV-Bettwäsche geschlafen? Alles verziehen, weil die Bremer wieder glauben dürfen, doch ein echter, attraktiver Bundesligist zu sein. Sogar für einen wie Max Kruse.

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