Der Begriff "Ad-hoc-Mitteilung" stammt aus der Welt der Finanzen und ist oft nicht leicht zu deuten. Borussia Dortmund hat am Donnerstag eine solche Pflicht-Mitteilung an die Börse und seine Aktionäre ausgegeben: BVB-Kapitän Mats Hummels habe der Geschäftsführung mitgeteilt, zur kommenden Saison zum FC Bayern wechseln zu wollen. Nach dem Pokal-Halbfinale in der vergangenen Woche bei Hertha BSC in Berlin hatten Spekulationen um einen Wechsel des Weltmeisters nach München Fahrt aufgenommen.
Das börsennotierte Unternehmen Borussia Dortmund muss solche Ereignisse laut Börsengesetz als "Ad-hoc-Mitteilung" der Börse mitteilen, sobald sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verbunden sind. Der Wechsel eines deutschen Nationalspielers, zumal eines aktuellen Weltmeisters wie Mats Hummels, gilt den Aufsichtsbehörden als "marktrelevant". Solche Mitteilungen gibt es im deutschen Fußball nur aus Dortmund, weil kein anderer Bundesliga-Klub börsennotiert ist - nicht einmal die noch finanzstärkeren Bayern.
Vater Hummels als treibende Kraft
Hummels soll sich am Donnerstagvormittag zu dem Schritt entschieden haben - nach langem Überlegen und angeblich mehrmaligem Hin und Her. Ausschlaggebend soll nun das Votum seiner Familie sein. Seine Eltern und sein Bruder leben in München, auch seine Ehefrau Cathy verbringt dem Vernehmen nach mehr Zeit dort als im gemieteten Haus am Dortmunder Phoenix-See.
Vor allem sein Vater, Hermann Hummels, der lange Jahre als Nachwuchs-Chef beim FC Bayern tätig war, soll treibende Kraft hinter dem Wechsel sein. Hummels senior fand sich mit den Bayern nach der Kündigung sogar vor dem Arbeitsgericht wieder. Als offizieller Spielerberater seines Sohnes könnte er nun bei einem Transfer eine hohe Summe an Beraterhonorar auf einen Schlag verdienen.
"Mats hat sich absolut sauber und korrekt in der ganzen Angelegenheit verhalten", versicherte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke der Süddeutschen Zeitung. Schon am Montagabend hatte Watzke in einer Fernsehsendung angedeutet, für die Wechselgedanken von Hummels ein gewisses "menschliches Verständnis" zu haben. Er appellierte an die BVB-Fans, vor dem Spiel am Samstag gegen den VfL Wolfsburg, Hummels "weiterhin mit Fairness zu begegnen". Hummels hat bislang achteinhalb Jahre für den BVB gespielt. Dortmunds Mitteilung ist jedoch spitzfindig formuliert. Bisher meldet der Klub nur den Wechselwunsch des Spielers.
Der Vertrag von Hummels beim BVB läuft aber noch bis Sommer 2017. Eine entsprechend fällige Ablöse habe der FC Bayern bisher nicht angeboten, man erwarte aber ob des Stellenwerts von Hummels ein "äußerst werthaltiges Angebot", so Watzke. Man hört, dass der BVB sich darunter 40 Millionen Euro vorstellt. Das wäre die mit Abstand höchste Summe, die ein deutscher Klub für einen Spieler mit nur noch einjähriger Vertragslaufzeit je gezahlt hat.
Ein Fall wie bei Lewandowski?
BVB-Sportdirektor Michael Zorc hatte schon am Wochenende auf Anfrage des Kicker angedeutet, dass man im Falle Hummels ähnlich verfahren könnte wie vor zwei Jahren beim Wechsel von Robert Lewandowski zu den Bayern. Damals ließ Dortmund den Torjäger nicht vorzeitig aus dem Vertrag ziehen und verzichtete so auf eine Ablöse. Da der BVB sich für kommende Saison wieder Chancen ausrechnet, die Bayern ohne Pep Guardiola ein- und überholen zu können, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Dortmund deshalb auf Vertragserfüllung pochen könnte.
Soll heißen: Am Hummels-Transfer will der BVB entweder sehr viel Geld verdienen oder eben zusammen mit Hummels im kommenden Jahr Meister werden - gegen die Bayern. "Es ist mit unserer heutigen Mitteilung überhaupt nicht gesagt", sagte Watzke der SZ, "dass Mats nicht im nächsten Jahr weiterhin in unserem Trikot spielt."
Tauschgeschäft mit Götze eher unwahrscheinlich
Bisher geht man beim FC Bayern offenbar eher von einem möglichen Tauschgeschäft aus: Mario Götze könnte zurück nach Dortmund wechseln, so wird seit Wochen kolportiert, und seine Ablöse mit der für Hummels verrechnet werden. Das dürfte für den BVB aber offenbar nicht in Frage kommen. Es scheint eher darauf hinauszulaufen, dass Götze 2017 ablösefrei zum BVB zurückkehren soll. Götze hatte in einem Fernseh-Interview vergangene Woche auf Nachfrage bestätigt, seinen ebenfalls bis 2017 laufenden Vertrag in München voll erfüllen zu wollen.
Vor zwei Jahren hatte der FC Bayern Toni Kroos für angeblich 22 Millionen Euro an Real Madrid abgegeben, ebenfalls bei noch einem Jahr Restlaufzeit des Vertrags. Im Vergleich zu Hummels dürfte Weltmeister-Kollege Kroos - nach Dortmunder Vorstellungen - fast schon günstig gewesen sein. Kroos lässt sich übrigens von der Beraterfirma Sportstotal vertreten, bei der auch Mario Götze und Dortmunds Marco Reus sowie Gonzalo Castro sind. Auf den Ablösepoker, den Dortmunds Börsen-Mitteilung öffentlich gemacht hat, darf man gespannt sein.
Hummels will, wie man aus seinem Umfeld hört, vor der Europameisterschaft seinen Wechsel besiegeln. Die EM in Frankreich beginnt am 10. Juni. Dem BVB wird nachgesagt, dass er Ömer Toprak, ebenfalls Klient von Sportstotal, von Bayer Leverkusen schon als Nachfolger ausgeguckt und gute Aussichten beim Spieler habe. Allerdings ist auch Toprak vertraglich gebunden - bis 2018.
