Fußball-Bundesliga:Rückkehr der Dusel-Bayern

Für alle Freunde des Dramas, die eine spannende Bundesliga-Saison erhoffen, bot bereits der zweite Spieltag einen Rückschlag.

Kommentar von Ulrich Hartmann

Der Cineast liebt seinen "Screwball". In den so genannten Komödien ist der irre Protagonist unberechenbar und die Handlung voller schräger Wendungen. Der Fan liebt seinen "Fußball". Aus ähnlichen Gründen. Auch hier ist der Spielverlauf oft kaum vorhersehbar und birgt viele Überraschungen. Nun sind jüngere Bundesligaspiele des FC Bayern München eigentlich nie besonders reich an irren Wendungen gewesen. Aber dieser 2:1-Sieg bei der TSG Hoffenheim bot Screwball-Fußball vom Feinsten: Rückstand nach neun Sekunden, 18-minütige finale Unterzahl nach gelb-roter Karte gegen Jerôme Boateng, verschossener Handelfmeter durch Hoffenheims Eugen Polanski - und dann dieser Siegtreffer durch Robert Lewandowski 23 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit. Es war ein Sieg in einer Manier, für die sich Spötter einst den Begriff "Duselbayern" haben einfallen lassen.

Es war aber auch ein herber Schlag für all jene neutralen Fans, die beim Anlauf von Eugen Polanski zum Elfmeter in der 74. Minute hofften, diesmal seien die Bayern zu bezwingen. Nicht nur an diesem Nachmittag in Hoffenheim, vielleicht sogar über die gesamte Saison. Diesmal werde vielleicht alles ein bisschen anders und der vierte Meistertitel der Münchner in Serie zumindest kein Zuckerschlecken. Dann knallte Polanskis Elfmeter an den Pfosten.

Die Bayern haben als nächstes zwei Heimspiele in Serie: am kommenden Samstag gegen Bayer Leverkusen und nach der Länderspielpause zwei Wochen später gegen den FC Augsburg. Wer am Samstag gegen 17 Uhr noch dachte, er sitze vor einem spannenden Krimi, der fühlt sich in zwei Wochen vielleicht schon wieder wie bei einer nüchternen Dokumentation über mäusefressende Schlangen: alles vorhersehbar, total unspannend, längst bekannt. Noch nie hat die Maus den Spieß mal umgedreht.

Und wenn dann alle spekulieren, wann die Münchner ihren 26. deutschen Meistertitel perfekt machen (April?, März?, Februar?), wird sich so mancher womöglich an diesen Samstag, 22. August 2015, erinnern - an die Wiedergeburt der Duselbayern. Die ausgestorben zu sein schienen, weil die souveränen Bayern in der Bundesliga eigentlich keinen Dusel mehr nötig hatten. Oder schon so viel Vorsprung, dass ein bisschen Dusel gar nicht ins Gewicht fiel. Am zweiten Spieltag, wo alle noch Kopf-an-Kopf liegen, ist so ein bisschen Wettkampfglück auch in München gut zu gebrauchen.

Immerhin gibt es am Samstagabend in Fröttmaning nun ein echtes Spitzenspiel. Leverkusen fungiert vorübergehend als erster Repräsentant aller denkbarer Bayernjäger und erhält kurzfristig die Chance auf eine direkte Treibjagd. Wolfsburg mit dem 1:1 in Köln und Schalke mit dem 1:1 gegen Darmstadt hingegen ermöglichen dem FC Bayern nach siegreichen Saisonauftaktpartien gleich wieder den Sprung aus der Reichweite.

Damit aus diesem Bundesliga-Fußball endlich wieder dauerhaft eine irre Geschichte voller Überraschungen werden kann, müssen es die Mitbewerber den Bayern einfach nur gleichtun: bis zum Abspann an die letzte kuriose Wendung glauben. So machen sie es im Kino doch auch schon sehr erfolgreich seit 120 Jahren.

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