Fußball-Bundesliga:"Nicht die Apokalypse"

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Eintracht-Vorstandschef Heribert Bruchhagen über Trainer Funkel, die sportliche Situation seines Klubs und die Krisenstimmung in der Bankenstadt Frankfurt.

Christof Kneer

SZ: Herr Bruchhagen, wie ist die Stimmung in der Bankenstadt Frankfurt? Ist die globale Finanzkrise schon zu spüren?

Frankfurts Vorstandchef Bruchhagen hält fest zu Trainer Funkel. (Foto: Foto: dpa)

Bruchhagen: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich wohne in Sachsenhausen, ich komme selten auf die andere Seite des Mains, wo die hohen Türme stehen. Dort bin ich nur, wenn geschäftliche Pflichten rufen. Privat geh' ich da nicht rüber.

SZ: Sie sind Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Eintracht - muss Ihnen da die Zukunft des Bankwesens in der Stadt nicht besonders am Herzen liegen?

Bruchhagen: Falls es Ihr Plan sein sollte, aus der Krise am Weltmarkt Rückschlüsse auf die Bankenstadt Frankfurt und deren Verhältnis zur Eintracht zu ziehen, dann halte ich das für ein kühnes Konstrukt...

SZ: ... darüber wollten wir unter anderem reden, ja...

Bruchhagen: Wir können das ruhig machen, aber Sie können da im Moment keine konkreten Auswirkungen erwarten. Richtig ist, dass in unseren Logen alle großen Frankfurter Banken vertreten sind. Wir sind ausverkauft, sowohl bei den Logen als auch bei den Business Seats. Und Bankkrise hin, Bankkrise her: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Banken wegen 100 000 Euro bei der Eintracht ihre Logen kündigen. Dieses repräsentative Momentum werden sie sicherlich auch weiterhin nutzen wollen.

SZ: Sie meinen: 100 000 Euro sind für die Banken die berühmten Peanuts?

Bruchhagen: Nein, dieses Wort will ich in diesem Zusammenhang nicht gebrauchen. Wir sind ja dankbar, dass wir in Frankfurt so eine gesellschaftliche Akzeptanz genießen, dass die Banken alle 14 Tage zum Heimspiel vorbeischauen. Und das sehe ich auch nicht in Gefahr.

SZ: Ihr Stadion heißt Commerzbank Arena - könnte die Bankenkrise bei so engen Geschäftsbeziehungen nicht doch für den Klub gefährlich werden?

Bruchhagen: Die Commerzbank ist ein wichtiger Partner fürs uns, und mit der Namensgebung wurden ja auch keineswegs die anderen Banken verprellt. Es ist davon eher eine Art Sogwirkung ausgegangen. Ich sehe da keine unmittelbare Gefahr für uns - und im Übrigen gibt es ja auch Verträge.

SZ: Sie sagen: keine unmittelbare Gefahr. Sehen Sie mittelbare Gefahren?

Bruchhagen: Das kann seriös keiner einschätzen. Wenn die gesamte Wirtschaft von einer Rezession erfasst wird, dann leidet jede einzelne Branche. Dann leidet auch die Süddeutsche Zeitung. Aber unterstellen wir jetzt mal so eine krisenhafte Rezession: Dann würde es sicher nicht nur einen Klub aus der Bankenstadt betreffen, sondern auch den DAX-Wert Bayer oder den VW-Wert Wolfsburg.

SZ: Was können Sie tun, um Ihren Verein krisenfest aufzustellen?

Bruchhagen: Wir machen ja ohnehin eine vorsichtige Finanzpolitik, so dass wir uns auf Krisen, wenn auch ungern, einstellen könnten. Aber im Moment bin ich beim Thema Vertragsgestaltung zusätzlich zurückhaltend - wir müssen ja alle erst mal abwarten, wie sich die Debatte um den neuen Fernseh-Vertrag weiterentwickelt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Bruchhagen zu möglichen Transferaktivitäten des Klubs und zu Trainer Funkel steht.

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SZ: Mit anderen Worten: Sie kaufen erstmal keine teuren Spieler.

Bruchhagen: Die Lizenzspieler sind bei einem Fußball-Unternehmen der entscheidende Kostenfaktor. Da muss ich zurzeit etwas vorsichtiger sein und alle Möglichkeiten im Auge behalten.

SZ: Es könnte also gut sein, dass auf dem Winter-Transfermarkt nicht sehr viel passiert?

Bruchhagen: Ich kann nicht für Bayern München sprechen, aber ich kann mir vorstellen, dass die meisten Klubs beim gegenwärtigen Klima eher vorsichtig sein werden.

SZ: In Ihrer Bankenstadt wird dagegen immer Offensive erwartet, und Sie müssen der anspruchsvollen Stadt ständig erklären, dass ein neunter Platz wie in der vorigen Saison nichts ist, wofür man sich schämen muss. Im Moment sind Sie aber Siebzehnter und haben gegen Zweitligist Rostock im Pokal verloren.

Bruchhagen: Man darf aber nicht vergessen, dass wir wegen eines Spielausfalls bisher nur ein Heimspiel und drei Auswärtsspiele hatten. Wir haben in Schalke verloren, in Köln und Wolfsburg unentschieden gespielt und gegen Hertha zuhause verloren. Das ist alles nicht schön, aber daraus die Apokalypse abzuleiten, halte ich doch für sehr mutig.

SZ: Es gab "Funkel raus"-Rufe und Kritik, weil der Trainer den Brasilianer Caio, der gegen Rostock den Elfmeter verschoss, nie von Anfang an spielen lässt.

Bruchhagen: Das ist der übliche Reflex, Unzufriedenheit plakativ zuzuspitzen. Niemand ruft: "Das ist alles nicht sehr schön." Es muss immer jemand raus. Und Caio verkörpert für die Fans eben das Versprechen auf internationalen Fußball. Er kann auch wirklich tolle Sachen, aber es gehört mehr dazu, um in der Liga zu bestehen. Ich will hier aber nichts verniedlichen, wir befinden uns ohne Frage in einer prekären Situation. Wir haben schlecht gespielt zuletzt, und die Mannschaft wirkte nicht frisch.

SZ: Es heißt, es gebe bereits Unruhe im Aufsichtsrat.

Bruchhagen: Der Aufsichtsrat kann entscheiden, dass ein Vorstand entlassen wird, also Dr. Pröckl oder ich. Aber eine Trainerentlassung kann kein Aufsichtsrat der Welt beschließen.

SZ: Das müssten also Sie tun. Am Freitag wurden Sie schon mit dem Satz zitiert: "Irgendwann muss man abwägen, was man tut, um Schaden vom Klub, aber auch von Herrn Funkel abzuwenden."

Bruchhagen: Ich wurde gefragt, ob eine Entlassung von Herrn Funkel völlig auszuschließen sei. Da hab' ich gesagt: Fragen Sie mich nicht solche Sachen! Es ist doch klar, dass irgendwann ein Zeitpunkt kommen kann, an dem man Schaden von allen Beteiligten abwenden muss. Aber dieser Zeitpunkt ist nicht gekommen, und ich sehe ihn auch nicht.

SZ: Auch nicht im Falle eines 0:3 gegen Arminia Bielefeld?

Bruchhagen: Warum soll ich mich festlegen? Aber wer uns kennt, weiß, dass der Vorstand von Eintracht Frankfurt nicht zu spontanen Handlungen neigt.

SZ: Manchen im Umfeld gilt Funkel als zu grau.

Bruchhagen: Sehen Sie, da sind wir wieder bei der Bankenstadt angelangt. Vor Funkel hatten wir 16 Trainer in zehn Jahren, und von denen haben mindestens zehn vom Glamour-Faktor in die Bankenstadt gepasst. Leider war aber der sportliche Ertrag gleich null. Glamour allein kann's auch nicht sein.

© SZ vom 27.09.2008/JBe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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