Fußball-Bundesliga:Müllers Flaute beschäftigt den FC Bayern

Football Soccer - Bayern Munich v TSG Hoffenheim

Vergab die Siegchance kurz vor dem Spielende: Thomas Müller.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Beim 1:1 gegen Hoffenheim vergibt der Angreifer kurz vor Spielende die große Chance zum Sieg - und ärgert sich selbst am meisten darüber. Chef Rummenigge spendet Trost.

Aus dem Stadion von Maik Rosner

Vergnügt sah Thomas Müller diesmal nicht aus, eher zerknirscht, als er aus dem Kabinengang trat. Wieder war dem Offensivspieler des FC Bayern kein Tor gelungen, wie schon in der gesamten Bundesligasaison. Doch diesmal hatte sich Müller einem Erfolgserlebnis so weit angenähert, dass es eigentlich eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre, wenn er freistehend aus dem Strafraum heraus eingeschoben hätte. Müllers Fähigkeit war es ja immer, in engen Spielen unmögliche Tore zu schießen, zuweilen sogar mit dem Rücken zum Tor. Nun gelingen ihm in engen Spielen noch nicht einmal mehr jene Tore, die als sehr gut möglich einzustufen sind.

Mit den Selbstverständlichkeiten ist es wie bei Müller auch beim FC Bayern gerade nicht so weit her. Müller traf nur den Pfosten, die Münchner mussten sich nach dem Rückstand durch Kerem Demirbay (16.) mit dem 1:1 gegen die TSG Hoffenheim begnügen. "Nicht leistungsungerecht", wie Karl-Heinz Rummenigge befand, der den Vergleich des Tabellenersten mit dem Dritten lieber als "ein großartiges Spiel, ein echtes Spitzenspiel" rühmte, anstatt näher auf die Mängel der Münchner einzugehen.

Besonders auf jene im Defensivverhalten und in der statischen Offensive in der ersten Halbzeit, als Hoffenheim keck aufspielen konnte und durch Demirbays Winkelschuss den verdienten Ertrag erzielte. Es passte ins Bild, dass nicht die Münchner den Ausgleich erzielten. Steven Zuber hatte nach Douglas Costas Hereingabe versucht, vor Robert Lewandowski zu klären. Doch Zubers Grätsche lenkte den Ball ins eigene Tor (34.).

Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann verstärkt Müllers Unbehagen

Im Gegensatz zum Vorstandschef kam Müller an den offensichtlichen Kritikpunkten nicht vorbei, besonders in eigener Sache. Sein Pfostenschuss in der Nachspielzeit stand ja exemplarisch für die verpassten Chancen des Meisters nach einer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit, an deren Ende kurz vor Müller auch Innenverteidiger Mats Hummels den Pfosten getroffen hatte (87.) und andere aussichtsreiche Abschlüsse versiegt waren. Exemplarisch stand Müllers vergebene Gelegenheit aber auch für sein inzwischen schon chronisches Unglück, von dem man nicht weiß, ob es sich einen Spaß daraus macht, Müller zu ärgern, oder ob es sich gerade deshalb einstellt, weil Müller sich zunehmend über sich selbst ärgert.

"Eine Riesenmöglichkeit, es hat sich auf jeden Fall so angefühlt", sagte Müller zu seinem Pfostenschuss, "meine Krawatte ist dementsprechend groß". Scherze kamen ihm diesmal nicht über die Lippen, nur der Ausdruck seines Frustes. Er bekannte, "ziemlich schlecht gelaunt" zu sein.

Boateng sagt dem DFB ab

Es ist bei Müller gerade in etwa so, wie es der ehemalige Bayern-Stürmer Jürgen Wegmann in seinem Bonmot, "zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu", einst formuliert hatte. Müllers letztes Bundesligator datiert vom 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach am 30. April. Dem gegen Hoffenheim erst in der 69. Minute eingewechselten Nationalspieler dürfte das auch deshalb besonders lange her vorkommen, weil er auch schon im Sommer bei der EM kein Glück hatte.

In der vergangenen Saison war er allein in der Liga 20 Mal erfolgreich gewesen und in allen Vereinswettbewerben insgesamt 32 Mal. Nun häufen sich die Fehlversuche, sogar jene vom Elfmeterpunkt. Zuletzt war schon der fünfte verschossene Strafstoß notiert worden, weshalb Müller vorerst nicht mehr antreten will. "Die Scheiße klebt so ein bisschen an meinem Stiefel", bilanzierte er am Samstagabend. Dass Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann trotz des mutigen Auftritts besonders im ersten Durchgang später sagte, seiner Mannschaft sei "insgesamt nicht unser bestes Spiel" gelungen, verstärkte bei Müller womöglich noch das Unbehagen.

Jérôme Boateng storniert seine Reise zur DFB-Auswahl

Rummenigge glaubt, die Ursache für Müllers verlorengegangenen Torinstinkt sei im jüngsten Halbfinale der Champions League zu finden. "Es fällt natürlich schon auf, dass seit diesem verschossenen Elfmeter gegen Atlético Madrid irgendwo ein bisschen der Wurm drin ist und er Pech hat", sagte Rummenigge und berichtete von einem Gespräch unter, nun ja, ehemaligen Torjägern: "Ich habe ihm gesagt: 'Ich hatte auch mal zehn Spiele als Europas Fußballer des Jahres ohne Treffer. Da muss man einfach arbeiten, arbeiten, arbeiten, dann schießt man irgendwann auch wieder drei.'"

Einer hätte Müller vor dem Abschied zur Nationalmannschaft sicher schon genügt - und auch dem FC Bayern. Nach den Länderspielen in San Marino und Italien sowie der Audienz beim Papst wartet in der Bundesliga Borussia Dortmund auf den weiterhin nicht ganz stabilen Meister. Abwehrchef Jérôme Boateng soll bis dahin wieder einsatzfähig sein. Seine Reise zum DFB-Team stornierte er vorsichthalber wegen Knie- und Adduktorenbeschwerden. Auch Boateng verließ die Arena nicht besonders vergnügt.

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