Fußball-Bundesliga:Indiskretionen machen dem HSV zu schaffen

Gernandt und Beiersdorfer

2014 an die Macht beim HSV gelangt, 2016 wieder draußen: Karl Gernandt (rechts) und Dietmar Beiersdorfer.

(Foto: dpa)

In den Gremien des Hamburger SV geht es drunter und drüber - nun erklärt der Aufsichtsratschef seinen Rücktritt. Seine Kollegen greift er scharf an.

Von Carsten Scheele

Gerade 36 Stunden lagen zwischen den beiden großen Erschütterungen beim Hamburger SV. Am Sonntagabend verkündete der Verein die Entlassung des Vorstandschefs Dietmar Beiersdorfer, am Dienstagmorgen legte Aufsichtsratschef Karl Gernandt sein Amt nieder. Das ist sehr viel Wirbel in kurzer Zeit, auch für einen sturmerprobten Verein wie den HSV.

Beide Personalien sind direkt miteinander verknüpft. So war Gernandt, der 2014 zusammen mit Beiersdorfer die Macht beim HSV ergriff, alles andere als einverstanden mit der Art und Weise, wie Beiersdorfer aus dem Amt bugsiert wurde. Er selbst zog jetzt mit seinem Rücktritt die Konsequenzen. "Ich muss diesen Schritt leider gehen, weil zu viele bewusste Indiskretionen innerhalb unseres Gremiums dem HSV und seinen handelnden Personen in den vergangenen Monaten erheblichen Schaden zugefügt haben", verkündete Gernandt am Dienstag. Ein scharfer Angriff auf seine Kollegen.

Maulwurf-Verhalten sei "in keiner Weise akzeptabel", so Gernandt

Was steckt dahinter? Wie Hamburger Medien berichten, sollen zwei Mitglieder des sechsköpfigen Aufsichtsrats hinter dem Rücken ihres Chefs Verhandlungen mit Beiersdorfers Nachfolger Heribert Bruchhagen geführt haben. "Ich kann und werde nicht die Hauptverantwortung für so ein Verhalten tragen und bin entsetzt, mit welchen Kräften im Verein und im Aufsichtsrat die sportliche und langfristige Weiterentwicklung riskiert wird", erklärte Gernandt, der als Vertrauter von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne gilt und in dessen Unternehmen eine wichtige Position erfüllt.

Und gleich noch ein Satz, der den Hanse-Klub in der Öffentlichkeit alles andere als integer dastehen lässt: "Wenn persönliche Motive über professionelles Verhalten gestellt werden", so Gernandt, "macht dies nachhaltige Führungsarbeit unmöglich." So ist das also im Spätherbst 2016 beim Hamburger SV.

Schon zuvor hatten die Umstände der Entlassung Beiersdorfers für Kopfschütteln in der Szene gesorgt. So soll der 2013 ins Amt gehobene frühere HSV-Profi am Nikolaustag darüber informiert worden sein, dass er Ende Januar seines Amtes enthoben wird - verbunden mit der unverschämten Bitte, sich vorerst trotzdem um die sportlich wichtigen Wintertransfers zu kümmern, da sich der HSV im Abstiegskampf befindet und dringend neues Personal benötigt, besonders in der Defensive.

Beiersdorfer war tief gekränkt

Dieses Angebot lehnte Beiersdorfer ab - woraufhin er bereits zum 22. Dezember und damit vor der Winterpause entlassen werden sollte. Diese Entscheidung wurde ihm jedoch nicht persönlich mitgeteilt, Beiersdorfer bekam lediglich ein Schreiben des Aufsichtsrats per Kurierpost zugestellt. Daraufhin einigte man sich am Sonntagabend nach dem 1:0-Heimsieg gegen den FC Augsburg auf eine sofortige Trennung. Beiersdorfer war tief gekränkt.

Auch Gernandt befürwortete inhaltlich den Neustart unter Bruchhagen. Man habe sich aber entschlossen "mit maximaler Diskretion" vorzugehen, um den sportlichen Aufschwung unter Trainer Markus Gisdol in der Bundesliga - acht Punkte aus vier Spielen - nicht zu gefährden. Trotzdem sei er wenige Tage darauf von Medienvertretern auf vertrauliche Details angesprochen worden. Dieses Maulwurf-Verhalten sei "in keiner Weise akzeptabel", so Gernandt. In ähnlicher Weise sei auch Beiersdorfers Sportdirektorensuche, die letztlich scheiterte, unterwandert worden: Immer wieder seien Interna an die Öffentlichkeit gelangt.

Stimmt das alles, wäre Gernandts Rückzug aus dem Aufsichtsrat des HSV ein nachvollziehbarer Schritt, nach dem Motto: Für dieses Chaos stehe ich nicht mehr zur Verfügung. Doch nein: Gernandt tritt nur als Chef des Gremiums zurück, als einfaches Mitglied möchte er im Amt bleiben. Als wollte er aus nächster Nähe betrachten, wie sich sein Nachfolger (zunächst einer seiner beiden Stellvertreter Jens Meier oder Felix Goedhart) mit all den Indiskretionen herumschlagen muss.

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