Fußball-Bundesliga:Herzen ohne Kopf und Fuß

Bastian Oczipka Eintracht schiesst das Tor zum 0 2 waehrend dem Fussball Bundesliga Spiel FC Ingol

Geradezu perfekt: Zwischen fünf Ingolstädtern findet Bastian Oczipka eine Lücke zum 2:0 für Eintracht Frankfurt.

(Foto: imago)

Der FC Ingolstadt wartet auch nach vier Spielen noch auf den ersten Sieg der Saison. Stärken scheinen sich in Schwächen umzukehren, in der Mannschaft wächst langsam die Ungeduld.

Von Sebastian Fischer

Zu den Nachteilen der Vereinshymne des FC Ingolstadt gehört neben einer Melodie, die es vermag, Nerven zu töten, ein gar nicht mal so raffinierter Text. "Schanzerherz" heißt das Stück und bedient sich jeglicher Floskeln der Fußballsprache: elf Freunde sein, kämpfen, zusammenhalten, solche Dinge. Und doch beschrieb, was in der Nacht zum Mittwoch aus den Stadionlautsprechern dudelte, die Situation beim Fußball-Bundesligisten ganz treffend. Dort trotteten niedergeschlagene Ingolstädter nach der 0:2-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt mit hängenden Köpfen zum obligatorischen Applaus einer sich rasch leerenden Stehplatztribüne entgegen; "wir kämpfen für die Ehre", sang in diesem Moment die Band Bonfire. Auf drei Punkte, die ihr Kämpfen belohnen, warten die Ingolstädter nach vier Spieltagen ja immer noch vergeblich.

Zum selben Zeitpunkt im Vorjahr hatte der FCI dreimal zu Null gespielt - jetzt noch nie

Sie haben diese Saison in Ingolstadt sehr beschwingt begonnen, trotz des Verlusts ihres Aufstiegstrainers Ralph Hasenhüttl und trotz des Weggangs mehrerer Stammspieler. Sie sind sich auch immer noch sicher, dass der neue Trainer Markus Kauczinski und einige neue Spieler den Wandel hinbekommen. Bloß wie, das ist nach vier Spielen die Frage, deren ausstehende Antwort gerade für ein wenig Ernüchterung in Oberbayern sorgt. Kämpfen alleine reicht in der Bundesliga ja nicht. Man braucht zum Beispiel Tore.

Kauczinski erklärte nach dem Spiel, er habe "den letzten Killerinstinkt im Sechzehner" vermisst, ähnliches hatte er schon nach den ersten drei Spielen gesagt. Allerdings war es diesmal eine wohlwollende Analyse. Denn eine Halbchance nach 55 Sekunden und ein paar Gelegenheiten beim Stand von 0:2 ausgenommen, hatte der FCI auch im Herausspielen von Chancen wenig Instinkt gezeigt.

In der Anfangsphase sah das Ingolstädter Spiel noch so aus wie beim tapferen 1:3 in München. Es machte den Anschein, als hätten die Spieler die neuen Ansätze ihres Trainers nun verstanden. Doch mit fortschreitender Spieldauer wurden die Ideen, die zum dritten Saisontor führen sollten, immer plumper. Kauczinski musste immer öfter die Hände aus seinen Jeanshosentaschen nehmen und dirigieren, vergebens. Die ernüchternde Bilanz nach vier Spielen: ein Punkt, 2:8 Tore. In der vergangenen Saison blieb Ingolstadt zehnmal ohne Gegentor, fünfmal davon in den ersten sechs Spielen; in dieser Saison gelang das noch nie. Und eine weitere Stärke aus dem Vorjahr, das Umschaltspiel in der gegnerischen Hälfte, ist gerade auch keine mehr, wie Verteidiger Tobias Levels zugab.

Der Rheinländer wehrte sich zwar dagegen, "irgendwatt" von einem Fehlstart "an die Wand zu malen", doch seine Kritik fiel deutlich aus. "Wir müssen nach vorne mehr Lösungen finden", sagte der Rechtsverteidiger, "es nervt extrem, wir müssen uns schnell entwickeln als Mannschaft".

Kauczinski hatte eine Jetzt-erst-recht-Aufstellung gewählt, gleich vier Spieler in der Startelf waren nominelle Stürmer, Dario Lezcano und Moritz Hartmann griffen durch die Mitte an, Mathew Leckie und Lukas Hinterseer über die Flügel, außerdem sollte Pascal Groß als offensiverer von zwei Sechsern das Offensivspiel initiieren. Er bemühte sich dabei zwar, doch fiel dann vor allem damit auf, den Frankfurter David Abraham bei dessen wegweisendem Kopfballtreffer zum 1:0 allein gelassen zu haben. Ein Gegentor nach einem Eckstoß - zu einfach. Zumal der Eckstoß aus einem simplen Frankfurter Konter entstand, zur Unzeit kurz vor der Halbzeitpause. Naiv? "Das passiert anderen Mannschaften nicht in dem Maße", gab Kauczinski zu.

Dem Gelsenkirchener sind in seinen ersten Wochen als Bundesligatrainer Wille und Eifer jederzeit anzumerken, doch fehlt ihm in seinen Entscheidungen bislang ein wenig das Glück. War das Spiel in München ein deutlicher Fortschritt, so war die Niederlage gegen Frankfurt ein Schritt zurück. Ein Punkt sei "zu wenig für die Spiele, die wir hingelegt haben", sagte er, er habe nicht den Eindruck, seine Mannschaft sei stets die schlechtere gewesen. Er sagte: "Die Mannschaft hat ein gutes Herz gezeigt." Was fehlte, war Entsprechendes in den Köpfen und Füßen der Spieler.

In Robert Leipertz brachte Kauczinski einen Zugang, von dem sie sich in Zukunft viel versprechen, gegen Frankfurt erst in der 90. Minute; ein weiterer, das Schweizer Talent Florent Hadergjonaj, war nicht im Kader. Vielleicht brauchen die Neuen genau wie Kauczinskis Ideen auch einfach noch ein wenig Zeit. Es klang nach dem Spiel nicht so, als habe Kauczinski vor, in den kommenden Tagen neue Ideen einzubringen. Er sagte zweimal, Ingolstadt werde jetzt "nicht aufgeben", zweimal sprach er vom Weiterkämpfen und davon, die Situation anzunehmen. Kauczinski sagte es mit sonorer Stimme. Es klang fast wie die Bewerbung für eine neue Stadionhymne.

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