Fußball-Bundesliga:Fernsehbeweis am Spielfeldrand

Zum Ärger von Hertha BSC verwehren die Schiedsrichter den Berlinern beim 1:1 gegen Kaiserslautern zwei eindeutige Tore.

Von Javier Cáceres

Ein spätes Tor schmeckt manchmal nach Glorie, zumal, wenn es einen Rückstand ausgleicht. Doch obwohl Hertha BSC Berlin am Sonntagabend gegen den 1. FC Kaiserslautern fünf Minuten vor dem Abpfiff das 1:1 (0:1) gelang, entlud sich in der Umkleide der Berliner geballte Aggression.

Falko Götz, Trainer der Hertha, ergriff sogar die Flucht. "Es sind einige Sachen durch die Luft geflogen", berichtete er, "da bin ich lieber schnell wieder rausgegangen."

Und auch das Auslaufen, gemeinhin zur Lockerung der Beinmuskulatur gedacht, verlängerte er um fünf Minuten, aus psychologischen Gründen. Damit sich die Gemüter entkrampften.

Zwei korrekte Hertha-Tore waren nicht gegeben worden, und auch über einen Elfmeter für die Berliner hätten sich die Pfälzer nicht beklagen können.

Da fiel kaum ins Gewicht, dass Lauterns Schütze zur glücklichen 1:0-Führung (50.), Lucien Mettomo, später einen akrobatischen Lupfer von Nando Rafael nicht eindeutig vor der Linie klärte - also womöglich ein weiteres Hertha-Tor nicht anerkannt wurde.

Götz konzentrierte sich in seinem Lamento aufs Wesentliche: "Ich will keinem Absicht unterstellen", sagte er, "aber zwei reguläre Tore nicht zu geben, das ist schon heftig. Das sind die Punkte die am Ende fehlen."

Abwehrchef Dick van Burik stützte das Plädoyer: "Jeder kann mal einen schlechten Tag haben, aber das galt heute nicht nur für den Schiedsrichter, sondern auch für die drei Assistenten." Weil sich alle strittigen Szenen vor den Augen von Linienrichter Sönke Glindemann abgespielt hatten, wurde vor allem er zum Ziel des Zorns. Das Lokalblatt BZ taufte ihn um. In Blindemann.

"Ich fühle mich betrogen"

Das ist weder fein noch fair, und womöglich nicht zutreffend. Glindemann bewies jedoch einen sehr flotten Arm, wenn es darum ging, mögliche Abseitspositionen der Berliner anzuzeigen.

Als ein Ball auf den Kopf von Billy Reina und von dort ins Tor flog (54.), irrte er beim Abseitssignal, und auch als Marcelinho dem eingewechselten Nando Rafael den Ball auflegte und dieser vollendete (77.), fehlte die korrekte Perspektive.

Darauf folgte der Augenblick, in dem Andreas Neuendorf nähere Kenntnis über die Sehkraft von Glindemann erlangte: Auf den Zehenspitzen baute er sich vor dem Assistenten auf und teilte diesem mutmaßlich mit, was er später in die Mikrofone sprach: "Ich fühle mich betrogen, man hat uns den Sieg geklaut."

Dann drehte er ab, griff mit beiden Händen den Trikotkragen und riss das Hemd im Frust auf. Später forderte Neuendorf die Hilfe der Technik: "Ich bin ganz eindeutig für den Fernsehbeweis."

Damit steht er nicht allein, schon gar nicht im eigenen Team, das diesen sogar noch am Sonntag nutzte. Allerdings anders als am Sonntag zuvor, als beim Spiel Leverkusen - Stuttgart (1:1) ebenfalls heftig über den Videobeweis diskutiert worden war.

Die Leverkusener hatten - was verboten ist - eine strittige Szene auf der Großbildleinwand des Stadions gezeigt, der Schiedsrichter hatte es gesehen und seine Entscheidung von "Abstoß" auf "Eckball" korrigiert.

In Berlin scharten sich Herthas Ersatzspieler am Spielfeldrand um den Monitor eines übertragenden TV-Senders, sie kamen beim Studium der Bilder zu einem eindeutigen Ergebnis (korrekte Treffer) und teilten dieses Ergebnis Kapitän Arne Friedrich mit.

Der wiederum rannte auf dem Feld zu Schiedsrichter Gagelmann - und förderte dessen schlechtes Gewissen. Aus den Gesten ließ sich ablesen, dass Friedrich dem irritierten Referee vorhielt, er habe zwei Mal falsch gelegen. Erst nachher sah Gagelmann die Fehler selbst - und diese ein.

"Wenn man hinterher im Fernsehen sieht, dass es kein Abseits war, ist das ärgerlich. Aber wir müssen schnell entscheiden, es waren knappe Situationen." Auch Glindemann, sein Kollege an der Linie, meinte deprimiert: "Das war eine beschissenen Woche. Ich fühle mich am allerschlechtesten von allen."

Neuendorf sagte: "Da kann ich mir nix für kaufen."

Immerhin kam der eingewechselte Madlung per Kopfball zum 1:1 (85.), wer weiß, wie heftig sonst die Unmutsbekundungen des Publikums ausgefallen wären.

Nur Kurt Jara, der Trainer der Gäste, wollte sich keine Gewissensbisse einreden lassen: "Wir haben hier keinen Punkt gestohlen oder geschenkt bekommen, sondern ihn redlich verdient."

Viel schlechter spielten sie wirklich nicht als die Hertha - aber weniger druckvoll. "Wir müssen die positiven Sachen aus dem Spiel mitnehmen", sagte Herthas Dick van Burik, "wir haben Tore gemacht." In der Tat. Zwei haben nicht gezählt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: