Fußball-Bundesliga:Disziplinlos beim Disziplinfanatiker

Der Hamburger SV liegt noch auf Rang zwei - trotz eines enttäuschenden 1:1 gegen Bielefeld. Doch Disziplinlosigkeiten in den eigenen Reihen gefährden diese Platzierung.

Johannes Aumüller

Bei einer Wahl zum größten Disziplinfanatiker der Bundesliga hätte Hamburgs Trainer Huub Stevens gute Chancen, auf dem ersten Platz zu landen. Der Holländer hat derart oft betont, auf Disziplin und die Null Wert zu legen, dass es naheliegend erscheint, ihn in Huub Opstelling umzubenennen - eines von vielen holländischen Wörtern für Disziplin.

Fußball-Bundesliga: Hamburgs Mittelfeldspieler David Jarolim kassierte nach einer Tätlichkeit die rote Karte.

Hamburgs Mittelfeldspieler David Jarolim kassierte nach einer Tätlichkeit die rote Karte.

(Foto: Foto: AP)

Nun hat der Hamburger SV wegen den schwachen Ergebnissen seiner Kontrahenten seinen zweiten Platz verteidigt, obwohl er gegen Bielefeld nur zu einem 1:1 kam. Doch in den verbleibenden acht Spielen droht den Hamburgern ein Problem auf dem eigentlichen Hoheitsgebiet ihres Trainers: auf dem Gebiet des Disziplin, und das auf dem Platz wie neben dem Platz.

Auf dem Platz zeigte sich die Disziplinlosigkeit einmal mehr in Gestalt des tschechischen Mittelfeldspielers David Jarolim. Nach einem Griff in den Unterleib seines Gegenspielers kassierte er in der 67. Minute völlig zurecht die rote Karte. Bis zu sechs Spiele Sperre drohen Jarolim nun, weshalb er genügend Zeit haben dürfte, seinen bisher gezeigten Fußballstil zu überdenken. Jarolim gilt zurecht als einer unfairsten Spieler der Liga. Das betrifft sowohl sein Defensiv-Verhalten (viele gemeine Fouls) als auch sein Offensiv-Verhalten (auffallend viele Schwalben).

Dieses Problem kapriziert sich aber nicht nur auf David Jarolim, den Trainer Stevens für dieses Verhalten mit einer Geldstrafe sanktionieren will. Schon vor einer Woche gegen Wolfsburg flogen zwei Hamburger vom Platz, damals traf es Vincent Kompany und Joris Mathijsen. Wenn die Hamburger nicht aufpassen, schwächen sie sich vor den schweren noch anstehenden Aufgaben nur selbst.

Das Verhalten auf dem Platz ist auch nicht der einzige Hort an Disziplinlosigkeiten. Unter der Woche entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem stets aufopferungsvoll kämpfenden Bastian Reinhardt und dem HSV-Regisseur Rafael van der Vaart. Via Öffentlichkeit forderte Reinhardt den Holländer zu mehr Laufarbeit für die Defensive auf. Und als alle dachten, nach einem Machtwort von Stevens ("solche Dinge gehören nicht in die Öffentlichkeit") sei dieses Kapitel geschlossen, legte Torhüter Frank Rost nach dem Spiel gegen Bielefeld nach: "Diese Aussagen sind nur für die Galerie und dienen dazu, sich zu profilieren. Einige sollten sich mal hinterfragen."

So war es kein Wunder, dass Huub Stevens nach dem Spiel mächtig angefressen war. Nein, "nicht angefressen, nur enttäuscht", wie er einen fragenden Fernsehreporter schnell zurecht wies. Enttäuscht über das Ergebnis gegen Bielefeld, aber auch enttäuscht über bisher nicht gekannte Disziplinlosigkeiten. Wenn diese anhalten, gefährden sie den Hamburgern den krönenden Abschluss einer bisher erfolgreichen Saison, einen Platz unter den ersten Drei der Liga und die mögliche Qualifikation für die Champions League.

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