Fußball-Bundesliga:Die Generation Golf des Fußballs

Laptop statt Lederhose: Die Bundesligisten vertrauen auf eine völlig neue Trainergeneration. Das sorgt für Stillstand in einigen Karrieren.

Christof Kneer

Wenn Olaf Thon anruft, hört Peter Neururer das meist schon am Klingeln. Er wird von Olaf Thon ziemlich oft angerufen zurzeit, aber leider ruft Thon immer nur privat an und niemals in seiner offiziellen Eigenschaft (offiziell ist er Aufsichtsrat bei Schalke 04, privat ist er Golfspieler). Man hat kein leichtes Leben als Neururers Handy, man muss ziemlich oft klingeln, aber als Neururer selbst ist das Leben im Moment auch nicht leicht.

Fußball-Bundesliga: Die Generation Neururer ist aus dem deutschen Trainermarkt verschwunden.

Die Generation Neururer ist aus dem deutschen Trainermarkt verschwunden.

(Foto: Foto: dpa)

Neururer wäre ja kein leidenschaftlicher Fußballtrainer, wenn nicht bei jedem Anruf ein wenig Hoffnung mitklingeln würde. Wer ruft diesmal wohl an: Chelsea? Real? Oder doch nur Bayern? Meist ist es dann aber Olaf Thon, der Golf spielen will. Manchmal ist es auch Helmut Kremers, der Golf spielen will. Und gelegentlich ist auch Erwin Kremers dran, der dann Golf spielen will.

Seit fast zwei Jahren gehört Peter Neururer, 52, jetzt zur Generation Golf, wie auch Jürgen Röber, bei dem man zurzeit auch nie genau weiß, wo man ihn telefonisch erreicht. Manchmal erwischt man ihn an Loch 18, manchmal aber auch nur Loch 12. Auch Röber, 57, golft sich so durch seine Zeit, aber er ist guter Hoffnung, dass sein Golf-Handicap demnächst wieder etwas leiden könnte. "Ich kann noch nichts bestätigen, aber vielleicht sieht man mich bald auf der Trainerbank wieder", sagt er. Aber eines kann er schon verraten: Diese Trainerbank wird nicht in Deutschland stehen.

In der deutschen Bundesliga sind zuletzt einige Trainerbänke neu zu besetzen gewesen, einige sind es womöglich immer noch (Köln? Dortmund?), aber weder Neururer noch Röber haben oder werden einen Anruf erhalten. "Es scheint ein neuer Trend zu sein, dass die gestandenen deutschen Trainer gerade nicht so gefragt sind", sagt Röber.

"Sehr kuriose Entscheidung"

Schalke 04 (Fred Rutten) und der Hamburger SV (Martin Jol) sind in den Niederlanden fündig geworden, und der FC Bayern hat seine Suche sogar bis nach Kalifornien ausgeweitet, um auf diese "sehr kuriose Entscheidung" zu kommen, wie Neururer findet. "Bei Jol oder Rutten weiß man zwar nicht, wie sie in der Bundesliga zurechtkommen, aber sie haben in ihren Klubs sehr erfolgreich gearbeitet", sagt Neururer, "aber Jürgen Klinsmann hat noch nie in seinem Leben einen Verein trainiert! Und Verein und Nationalelf, das sind zwei verschiedene Sportarten!"

Noch hat Klinsmann nicht Besitz ergriffen von der bayerischen Trainerbank, und doch lässt er sich schon jetzt wieder wunderbar verantwortlich machen. Wenn man sich so durch die Riege der arbeitslosen Trainer fragt, dann drängt sich der Eindruck auf, dass Klinsmann sie schon jetzt alle durch die Wand geknallt hat, wie Klinsmann vermutlich sagen würde. Trotz aller Turbulenzen scheint sich die Arbeitsweise des Liga-Lieblingsfeindes Klinsmann nämlich als stilbildend durchgesetzt zu haben.

Im Grunde hat die verklärte WM den Trainermarkt in zwei Lager gespalten - in jene modernen Laptop-Trainer, die Spielsysteme lehren und die Wissenschaft befragen; und in die Lederhosen-Fraktion, die Kondition und Standards trainieren lässt und ansonsten den Boulevardzeitungen die Aufstellung durchgibt. "Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass wir in einer Schublade stecken, auf der ,altmodisch' steht", sagt Röber.

Einstellungskriterium: Unfallfrei "Konzeptfußball" sagen

Es ist nicht so, dass das berühmte Trainerkarussell abmontiert, kaputt oder zur Reparatur wäre; es kreiselt lustig wie eh und je, es guckt nur keiner mehr hin. Dort oben sitzen Peter Neururer, Jürgen Röber, Klaus Augenthaler, Falko Götz, Wolfgang Wolf oder Willi Reimann, aber wer in diesen Tagen einen Trainer sucht, der sucht einen, der ausdrücklich nicht in der Bundesliga sozialisiert wurde. Und falls doch, dann sollte es zumindest einer sein, der in seinem Trainerleben mindestens dreimal unfrallfrei Philosophie oder Konzeptfußball gesagt hat.

Fürs Land ist es ja eigentlich eine gute Nachricht, dass die Bundesliga so langsam ihre Trainer schätzen lernt. Viel zu lange haben sich die Erstligisten hierzulande über ihre Spieler definiert, sie haben ihnen jeden Wunsch erfüllt, und wenn ein Wunsch versehentlich mal unerfüllt blieb, dann beschwerte sich der Spieler gleich beim Präsidenten - und schwupps, fand sich der zuständige Trainer plötzlich auf dem Karussell wieder, worauf, schwupps, von ebendort ein neuer zuständiger Trainer beschafft wurde.

Die Generation Golf des Fußballs

Die Bundesliga war immer mehr eine Spielerliga als eine Trainerliga. Im Ausland gelten die Trainer längst als die zentralen Gestalter, die Bundesliga ist gerade erst dabei, das so zu sehen. "Der Trainer ist der Schlüssel zu allem", sagt inzwischen der DFB-Sportdirektor Matthias Sammer - mit Verspätung vertraut nun auch Deutschland auf die modernen, offensiven Entwicklertypen, aber weil es davon noch nicht allzu viele gibt, ist der Markt begrenzt.

Der Hecking hat ja schon einen Job, der von Heesen auch, der Schaaf sowieso, und so wäre es im Moment wohl keine schlechte Idee, das Handy von Mirko Slomka oder vor allem von Jürgen Klopp zu sein. Slomka ist ohnehin zu haben - und Klopp auch, sofern er mit Mainz den Aufstieg verpasst.

"Jeder Tag ohne Fußball ist todlangweilig", sagt Peter Neururer. Wenn er nicht mit Olaf Thon Golf spielt, fährt er mit seiner Harley durch den Sonnenschein oder hält Vorträge vor Jugendtrainern. Manchmal klingelt sein Handy auch dienstlich, aber für kriselnde Zweitligisten gibt sich die Generation Neururer noch nicht her. Im Stillen hoffen sie alle, dass der Trend vorüberzieht und die Branche erkennt, dass "wir Altgedienten auch was können", wie Röber sagt. Einstweilen ist er sogar befördert worden: Von der nächsten an Woche begleitet er die deutsche Nationalelf beim Trainingslager auf Mallorca, als Kommentator fürs Frühstücksfernsehen.

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