Fußball-Bundesliga:Das Vorbild in der Nachbarschaft

Trainingsauftakt FC Ingolstadt 04

Herzlich willkommen: Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl (links) begrüßt beim Trainingsauftakt des FC Ingolstadt den Zugang Elias Kachunga.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Bundesliga-Aufsteiger FC Ingolstadt will nicht mehr als Werksklub ohne nennenswerte Anhängerschaft gesehen werden - und eifert nun dem FC Augsburg nach.

Von Maik Rosner

Ein bisschen gestaunt hat die Republik ja schon, nachdem die Bilder ausgelassener Massen sie erreichten. 10 000 Menschen waren in der Innenstadt zusammengeströmt, als der FC Ingolstadt seinen ersten Aufstieg in die Bundesliga feierte. Auch ein paar denkwürdige Einlagen und Aussagen vom Partymarathon sind von der ungewohnten Euphorie hängen geblieben. Zum Beispiel jene von Angreifer Lukas Hinterseer, der die ausgiebigen Feierlichkeiten samt der Mannschaftsfahrt nach Mallorca grob als "drei wilde Tage" in Erinnerung behalten hat. Man habe damals extra die Handys zu Hause gelassen, erzählte er zuletzt, "die wären sicher verloren gegangen". Und er bekannte nach dem anstrengenden Folgen des größten Vereinserfolgs, dass er froh gewesen sei, als er wieder zu Hause war. Unversehrt und ohne nennenswerte Kollateralschäden.

"Mit rund 2500 Zuschauern beim Auftakttraining, das ist schon sensationell", sagt Hasenhüttl

Am Sonntag durfte sich die Liga schon wieder wundern über den Aufsteiger. Bereits am frühen Vormittag hatten sich lange Schlangen vor dem Sportpark gebildet. Mehr als 2000 Dauerkarten wurden allein gestern reserviert. Die ersten Interessenten hatten sich gar am Vorabend eingefunden, Übernachtung vorm Stadion inklusive. Für große Begeisterung im Umfeld war der FCI bislang eher nicht bekannt, jener Klub, der andernorts eher argwöhnisch betrachtet wird. Doch der Familientag samt Trainingsauftakt stützt den Eindruck, dass der FC Ingolstadt mittlerweile ein größeres Publikum für sich gewonnen hat. "Mit rund 2500 Zuschauern hier beim Auftakttraining, das ist schon sensationell. Ich freue mich zu sehen, welche Euphorie hier entstanden ist", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl, der die Spieler beim Einlaufen übers Stadionmikrofon mit anmoderierte. Im Vorjahr kamen zum gleichen Anlass 300 Fans.

Vielleicht ist der Verein mit der engen Anbindung an den Autobauer Audi in der Wahrnehmung bisher etwas zu schlecht weggekommen. Als sogenannten Werksklub ohne nennenswerte Anhängerschaft haben ihn viele rasch verbucht. Doch beim FCI wehren sie sich nicht nur entschieden gegen dieses Stigma, sie tun dies auch mit Recht und Erfolg. Zwar hat das ortsansässige Unternehmen Audi entscheidend zum Aufschwung beigetragen, doch der FCI ist kein finanziell aufgepumptes und künstliches Projekt. Das vergleichsweise bescheidene Wirtschaften wird Bestand haben. In der Etattabelle werden sich die Schanzer am unteren Ende einsortieren.

Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass sich die Ingolstädter nicht an vermeintlich ähnlichen Konstrukten wie dem VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, 1899 Hoffenheim oder gar RB Leipzig orientieren. Auf der Suche nach Leitbildern sind sie stattdessen in der Nachbarschaft fündig geworden. Der nur 80 Kilometer entfernte FC Augsburg tauge "natürlich" zum Vorbild, hat Hasenhüttl jüngst gesagt, und er findet, dass man sich am FCA ein Beispiel nehmen kann. Dort hatte der ehemalige Unternehmer und Präsident Walther Seinsch die Anschubfinanzierung vorgenommen. "In der Hoffnung, dass sich der Verein irgendwann selbst trägt", wie es Hasenhüttl formuliert. Und er findet: "Das ist voll gelungen. Augsburg besitzt eine gute Idee mit einem guten Management. Deren Weg ist für uns eine Möglichkeit, auch wenn wir letztlich unseren eigenen gehen wollen."

Das betont auch Sportdirektor Thomas Linke immer wieder. "Zum FCA gibt es Parallelen", hat er frühzeitig festgestellt, "für uns gibt es nur den Weg, den Vereine wie der FCA gehen." Und eben nicht jenen der finanziell deutlich komfortabler aufgestellten Wolfsburger oder Leipziger. Dazu passt, dass spektakuläre Transfers erwartungsgemäß ausgeblieben sind. Innenverteidiger Romain Brègerie kam von Mitaufsteiger Darmstadt 98, Linksverteidiger Markus Suttner von Austria Wien und Angreifer Elias Kachunga am Freitag vom Absteiger SC Paderborn. Brègerie und Kachunga trainierten am Sonntag bereits mit, Österreichs Nationalspieler Suttner steigt wie drei weitere Kollegen erst in der kommenden Woche ein. Ein Konkurrent für Torwart Ramazan Özcan soll auch noch verpflichtet werden, ansonsten setzen sie auf den Kern der Aufstiegsmannschaft. Und sie hoffen, mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern und einigem Geschick ähnlich wie der FCA in die erste Liga hineinzuwachsen.

Nebenbei basteln sie an ihrem Image, und bisher scheint die auch von externen Beratern ausgetüftelte Strategie und Lobbyarbeit aufzugehen. Hoffenheims Manager Alexander Rosen nahm sich daran zuletzt gar ein Beispiel. In Ingolstadt gehen sie diesen Weg auch auf anderer Ebene an. Die dort ansässige Media-Saturn-Holding GmbH wurde als dritter Hauptsponsor für drei Jahre gewonnen. Künftig wird statt der vier Ringe der Schriftzug Media Markt auf der Trikotbrust stehen. Das könnte dazu beitragen, dass der FC Ingolstadt nicht mehr als reiner Audi-Klub wahrgenommen wird.

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